Arbeit von Putins Kinderschutzbeauftragter Kindheit in Mariupol – nun russischer „Patriot“
Stand: 01.11.2025 20:24 Uhr
Die russische Kinderschutzbeauftragte präsentiert sich als Retterin ukrainischer Kinder. Sie hat selbst einen Jungen aus Mariupol adoptiert – und einen „Patrioten“ geformt.
Sie inszeniert sich mit reiner Weste: Maria Lwowa-Belowa trägt nicht nur beim Besuch eines Kinderheims, sondern auch bei Interviews stets blütenweiße Kleider. Die 41-Jährige ist die von Präsident Wladimir Putin eingesetzte russische Kinderschutzbeauftragte.
Vor kurzem war sie Gast des regierungsfreundlichen Journalisten Wjatscheslaw Manutscharow in dessen Online-Format „Empatija Manuchi“. Empathie sei die Quintessenz der Sendung, die vor einem Kamin auch Arbeitsstress und Eheleben der Vorzeige-Frau bespricht.
„Das ist unser Kind“
Empathie beansprucht Lwowa-Belowa auch für ihr Handeln im Ukraine-Krieg, der in Russland offiziell als „militärische Spezialoperation“ bezeichnet wird. In der Sendung berichtete sie von ihren Erlebnissen in der ukrainischen Stadt Mariupol: „Wir sammeln von dort Kinder ein, die unter Beschuss waren. Darunter ein 15-jähriger Junge, Filipp. Meiner Familie habe ich gesagt: ‚Das ist unser Kind‘.“
Sie erzählt nicht, wie die Kinder zwischen die Fronten gerieten: Mariupol wurde mit katastrophalen humanitären Folgen von der russischen Armee belagert, beschossen und schließlich eingenommen.
Filipp habe schon mit zehn Jahren seine Mutter verloren, bei befreundeten Familien gewohnt und bei den Angriffen auf sich allein gestellt die russischen Soldaten gebeten, ihn in Sicherheit zu bringen – so erzählt es Lwowa-Belowa.
390 ukrainische Kinder zu „Pflegefamilien“
Ein Flugzeug habe nach einem der Einsätze 390 Kinder zu Pflegefamilien in Russland ausgeflogen, sagte die Ombudsfrau in einem anderen Interview. Sie habe die Kinder aus Mariupol später in einem Sanatorium bei Moskau getroffen, ihnen Kleidung und Telefone gekauft und Filipp vorgeschlagen, in ihre Familie zu kommen. Als fünftes Adoptivkind neben fünf leiblichen Kindern.
Die Kinder seien „allesamt Patrioten“. Wie sie, die in der Provinzstadt Pensa geboren wurde und dort mit drei wesentlich jüngeren Geschwistern aufwuchs. In ihrer ersten ehrenamtlichen Tätigkeit betreute sie verlassene Neugeborene. Sie lernt Musikpädagogik. Während Lwowa-Belowa Projekte für Kinder mit Behinderung in Pensa durchführt, siegt sie im Führungskräftewettbewerb „Leader“. Sie wird jüngste Senatorin Russlands – dann folgt das Job-Angebot Putins.
Der Adoptivsohn provoziert
Den Vater ihrer leiblichen Kinder, einen Geistlichen, verlässt sie für einen Oligarchen. Den lernt sie bei Hilfsgüterlieferungen für die Ostukraine kennen.
„Filipp hat unseren Familienzusammenhalt sehr erschwert. Er hatte ein posttraumatisches Syndrom und war durch die Schule lange negativ in seiner Haltung zu Russland beeinflusst worden. Er sagte, Moskau nerve ihn, er war hysterisch. Ich habe ihn nachts getröstet. Aber er wollte nicht in Russland leben, er liebe die Ukraine. Ich hab‘ ihm gesagt, er sei jetzt bei uns und müsse seine Einstellung ändern. Doch er las ukrainische Internet-Seiten, sang Lieder auf Ukrainisch. Er hat ständig provoziert, wollte zurückgebracht werden. Ich solle nicht hoffen, dass sich was ändere. Das war die Pubertät.“
So tut die Lwowa-Belowa den innersten Wunsch ihres Adoptivsohnes ab. Ausgerechnet der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes soll die Wende gebracht haben. „Einmal kam er zu mir und sagte: ‚Mama, sie schreiben hier über Dich, Du würdest Kinder fressen und dass Du schrecklich bist‘.“ Er hat doch aber gesehen, wie ich in den Donbass fahre, dort keine Nacht schlafe. Und verstanden, dass es Lügen sind. Dann hat sich sein Bewusstsein langsam verändert.“
„Jetzt ist Russland sein Zuhause“
Ob ihr Adoptivsohn noch in die Ukraine wolle? Die Frau mit den blond gefärbten Haaren lacht: „Nein, nein, wovon reden Sie. Er fährt einmal im Jahr nach Mariupol und sagt dort, er wolle nach Hause.“ Und das ist jetzt Russland.
Vor einigen Monaten hat der Teenager mit Brille, Silberkettchen und schwarzem T-Shirt in der Sendung „Leader“ einer kremltreuen Bloggerin vorgeschwärmt, wie die Kinder aus Mariupol zum ersten Mal Fast Food einer bekannten Kette zu essen bekommen hätten. Bestellt von Lwowa-Belowa.
Er schildert seinen Weg so: „Ich hatte damals eine schlimme Depression. Ich bin ins Zimmer, habe geheult. Eine Viertelstunde später kam sie mich beruhigen. Sie ist mir eine echte Mama geworden, der beste Mensch, der mir passieren konnte. Sie hat so viel für mich getan, mir gesagt, sie habe mich nicht mit ihrem Körper, sondern mit ihrem Herzen geboren. Ein magischer Mensch.“
„Ich schaue auf Filipp und begreife, es war nicht umsonst. Er studiert an einem Jura-College, träumt davon, in den Sicherheitsorganen zu ermitteln oder Staatsanwalt zu werden, in der Justiz also, die unser Land liebt.“
Lwowa-Belowa sieht sich als Retterin der Kinder
Lwowa-Belowa lebt seit dem internationalen Haftbefehl rund um die Uhr mit Personenschutz. Die weltweiten Reisebeschränkungen wegen des Haftbefehls bezeichnet sie als Preis dafür, „Retterin“ der Kinder zu sein.
Im Interview bei „Empatija Manuchi“ sagt sie, der Westen würde an „Mythen“ festhalten, Russland bringe Kinder gewaltsam weg und erziehe sie um. Als hätte sie nicht gerade selbst von Aufenthalt wider Willen und Umerziehung erzählt. Umso mehr, als sie unbeirrt sagt: „Ich bin bereit, dass noch 150 Mal zu wiederholen.“








