Gewalt gegen Palästinenser Siedlerangriffe im Westjordanland auf Höchststand
Stand: 12.11.2025 13:14 Uhr
Im besetzten Westjordanland nehmen die Angriffe radikaler Siedler auf Palästinenser stark zu: Sie erreichten im Oktober laut UN einen Höchststand seit 2006. Die Gewalttäter müssen meist keine Konsequenzen befürchten.
Auf dem Hof der kleinen Molkerei in Beit Lid im Norden des Westjordanlandes sind gleich mehrere Lkw völlig ausgebrannt. Auch das Gebäude des Unternehmens hat Schaden genommen. Nach Angaben des Bürgermeisters der Stadt waren es Dutzende israelische Siedler, die am Dienstag die Molkerei angriffen.
Sein Kollege Abdallah Kamil, Bürgermeister der palästinensischen Stadt Tulkarem, macht im Palestine Radio klar: Der Angriff in Beit Lid ist kein Einzelfall. „Die gestrigen Ereignisse sind Teil einer Kette von Verbrechen, die von der Besatzungsmacht durch ihre Siedler begangen werden“, sagt er. „Die Siedler wurden von Minister Ben Gvir bewaffnet. Die israelische Regierung trägt die Verantwortung für all diese Verbrechen dieser Terroristen, die sich mit dem Ziel formiert haben, sich am palästinensischen Volk zu rächen und die Ziele der israelischen Regierung zu erreichen.“
Im Oktober durchschnittlich acht Vorfälle pro Tag
Die Angriffe radikaler israelischer Siedler im besetzten Westjordanland eskalieren. Immer wieder werden landwirtschaftliche Flächen, aber auch Hütten und Häuser palästinensischer Bauern angegriffen. Im vergangenen Monat konnte die Olivenernte im Westjordanland zum Teil nur mit erheblichen Schwierigkeiten durchgeführt werden, weil gewaltbereite Siedler die palästinensischen Bauern immer wieder angriffen. Es gab massive Ernteausfälle.
Nach Angaben der Vereinten Nationen wurde im Oktober die höchste monatliche Anzahl von Angriffen israelischer Siedler auf Palästinenser und deren Eigentum im Westjordanland seit 2006 verzeichnet. Laut UN gab es pro Tag durchschnittlich acht Vorfälle.
Zankapfel in der Politik
Die Angriffe der radikalen israelischen Siedler sind auch in der israelischen Innenpolitik ein Zankapfel. Nationalreligiöse und rechtsextreme Abgeordnete wie Michal Waldiger verteidigen die meist jugendlichen gewaltbereiten Siedler. Die Abgeordnete der Religiösen-Zionistischen-Partei erklärte im Israel Radio: „Ich muss sagen, dass diese Jugendlichen wunderbar sind. Sie sind faszinierend und voller Ideologie mit einer tiefen Liebe zum Volk und zum Land.“ Etwas einschränkend fügt Waldiger hinzu: „Unter ihnen gibt es einige, die gefährdet sind und daher voll unterstützt werden müssen, damit sie nicht in die Kriminalität abrutschen.
Etwas, was längst geschehen ist, meint Meirav Ben-Ari von der Oppositionspartei Yesh Atid, ebenfalls im Israel Radio. Sie gibt der rechtsnationalen Regierung von Premier Benjamin Netanjahu die Schuld an den Angriffen auf Palästinenser: „Der Grund für dieses brutale Verhalten und für diesen Hooliganismus besteht vor allem darin, dass die Regierung den Jugendlichen Rückendeckung bietet.“ Verteidigungsminister Israel Katz habe kein Wort darüber verloren, dass sogar Soldaten verletzt wurden und auch unschuldige Palästinenser, kritisiert die Abgeordnete.
Kaum rechtliche Konsequenzen
Klartext spricht der frühere Kommandeur der israelischen Marine, Eliezer Marom. Er fordert, dass die sogenannte Administrativhaft wieder eingeführt wird. Diese Haft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren hatte Verteidigungsminister Katz unmittelbar nach seinem Amtsantritt für Siedler ausgesetzt. Marom sieht sie als einzige Möglichkeit, um gegen die gewaltbereiten Jugendlichen im besetzten Westjordanland effektiv vorzugehen. Und er warnt vor einer weiteren Eskalation der Lage: „Diese Leute müssen aus dem Westjordanland rausgeholt und in Haft gebracht werden, denn sonst könnte es sich zu etwas entwickeln, was strategisch gesehen sehr gefährlich für den Staat Israel werden könnte.“
Doch die Realität sieht offenkundig anders aus. Gewaltbereite Siedler haben nur selten etwas zu befürchten. Laut der israelischen Zeitung Ha’aretz wird nur ein Drittel der palästinensischen Anzeigen gegen Siedler strafrechtlich verfolgt.









