analyse
Stand: 14.11.2025 17:41 Uhr
Schwarz-Rot bemüht sich beim Koalitionausschuss erkennbar, sich als arbeits- und einigungsfähig zu zeigen. Die wilden Debatten der vergangenen Wochen zeichneten aber ein anderes Bild.
Es war nicht für das große Publikum gedacht – jener Satz, den Friedrich Merz nach der Pressekonferenz beim Hinausgehen in Richtung des Ohres von Lars Klingbeil raunte: „Das war doch jetzt gut, oder?“, sagte der CDU-Kanzler zum SPD-Vizekanzler.
Der wird nicht widersprochen haben, denn beide Koalitionsparteien hatten an dem Abend des Koalitionsausschusses aus ihrer Sicht politische Einigungen verkünden können, die der Wirtschaft helfen sollen und auch Arbeitnehmenden, indem die Maßnahmen Arbeitsplätze sichern – Ziele, hinter denen sich SPD und Union gut und unstrittig gemeinsam versammeln können.
Harsche Debatten
Merz klang zufrieden, aber auch die SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas, die eher zum linken Flügel der Partei zählt. Und doch, das Merzsche Selbstlob wirkte etwas realitätsfremd.
Der Kanzler blendet damit aus, dass in seiner Koalition wieder einmal Wochen von zum Teil harschen öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen um Wehrpflicht, Rentenreform und Bürgergeld vorausgegangen waren – ebenso wie die Debatten zum Aufweichen des Verbrenner-Aus für Autos. Große Themen, die noch nicht gelöst sind, aber viele Bürgerinnen und Bürger konkret betreffen – ob die junge Generation bei der Wehrpflicht oder an die knapp vier Millionen erwerbsfähiger Bürgergeldbeziehender, die hier von der Koalition im Unklaren gelassen wurden.
Diese Menschen wird die von Schwarz-Rot geplante und frisch verkündete Senkung der Ticktetsteuer im Luftverkehr achselzuckend hinterlassen.
Lapsus beim Verbrenner-Aus
Beim Thema Verbrenner wiederum passierte Merz am selben Abend vor den Journalistinnen und Journalisten auch noch ein Lapsus, indem er eine Einigung verkündete, die es noch gar nicht gibt – und die auch vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder sofort zurückgewiesen wurde, der als CSU-Vertreter und Mit-Koalitionär ebenfalls am Pult stand.
Gleichzeitig schien die Atmosphäre im schwarz-roten Koalitionsausschuss nicht schlecht gewesen zu sein: Von Untergangskrisenstimmung wie in den letzten Wochen der Ampel-Koalition ist man spürbar weit entfernt. Das zeigte auch der eher unfreiwillig humoreske Moment, als Ministerin Bas beim Lob über die vielen geeinten Beschlüsse in einem Geplänkel mit Söder endete: „Wir zeigen, dass wir Kompromisse finden, auch wenn wir uns gelegentlich streiten, gelegentlich.“ Sogleich kommentierte Söder: „Wir haben uns heute noch nicht gestritten“, worauf Bas antwortete, bevor beide lachten: „Nee, heute noch nicht.“
Ein gemisches Bild
„Heute noch nicht“ – aber vorher doch sehr oft: Es ist ein gemischtes Bild, das Schwarz-Rot derzeit abgibt. Das uneinige Bild dürfte der Koalition hinter verschlossenen Türen mehr Sorgen machen als sie zum Witzeln anregen – schließlich sanken die Zufriedenheitswerte der noch jungen Regierungskoalition im jüngsten DeutschlandTrend in den Bereich, in dem sich die Ampel in ihren letzten Monaten 2024 befand.
Gemessen an dem verstolperten Start vor der Sommerpause wirkt Schwarz-Rot inzwischen routinierter – vergleicht man den ersten Koalitionsherbst mit der schlecht vorbereiteten und dann peinlich geplatzten Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht, aber auch der versprochenen und nicht eingehaltenen Senkung der Stromsteuer für alle, die dann nur für die Industrie sowie die Land- und Forstwirtschaft kam. Das hat Spuren am Image der Koalition hinterlassen.
Nun arbeitet Schwarz-Rot auf eine neue Entlastung von allein 6,5 Milliarden Euro durch einen Zuschuss beim Netzentgelt für alle hin, also Privathaushalte wie Unternehmen. Union und SPD kriegen durchaus viel hin, sie verweisen stolz auf die prallvolle Liste der Gesetzgebung im Bundestag dieser Woche, die zum Teil schon in die zweite und dritte Lesung gehen – also verabschiedet werden können.
Opfer der eigenen Ankündigungen
Doch sie verwackeln es dann selbst wieder – das schöne Bild, das sie von sich selbst zeichnen möchten, sei es kommunikativ wie inhaltlich.
Eigentlich ohne Not opferte die SPD-Fraktion etwa beim geplanten erweiterten Wehrdienst in Verhandlungen mit der Union zunächst den Faktor Freiwilligkeit – obwohl dies ganz klar im Koalitionsvertrag ausgehandelt war. Und agierte dann auch noch offenbar unabgesprochen mit dem zuständigen SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius, wohl unter dem Druck, mal einen geeinten Kompromiss schaffen zu müssen.
Der Minister tobte dem Vernehmen nach und die betroffene junge Generation möglicher Wehrdienstler war wochenlang verunsichert. Beim Koalitionsausschuss gelang nun doch die tatsächliche Einigung auf die im Koalitionsvertrag bereits ausgehandelte Freiwilligkeit. Der Schaden durch das öffentliche Hin und Her bleibt.
Und Merz wird, nicht zu ersten Mal, auch nach diesem Koalitionsausschuss Opfer seiner enormen vollmundigen Ankündigungen: Ein „Herbst der Reformen“ sollte es werden, doch dafür fehlen mindestens die Bürgergeldreform, eine Renten- und Pflegereform, die Krankenhausreform – und auch die Novelle des Heizungsgesetzes.
Der Koalitionsausschuss soll ein eher häufig tagendes regelmäßiges Instrument der politischen Routine einer nüchternen Arbeitskoalition sein, und nicht nur als Krisengipfel einberufen werden – das war und bleibt das Ziel von Schwarz-Rot. Was das angeht, da sind sich Beobachter einig, ist noch Luft nach oben.










