Videokonferenzen Wie technische Störungen wichtige Gespräche beeinflussen
Stand: 03.12.2025 17:01 Uhr
Das Gesicht eingefroren, die Stimme verzögert: Fehler in Videogesprächen nerven. Und sie können ernsthafte Konsequenzen haben – zum Beispiel in Bewerbungsgesprächen oder vor Gericht. Das zeigt eine neue Studie.
Videokonferenzen gehören für viele Menschen mittlerweile zum Alltag – unter Freunden, auf der Arbeit, aber sie werden auch immer häufiger bei wichtigen Gesprächen genutzt, zum Beispiel in Bewerbungsverfahren oder zur medizinischen Beratung.
Genauso alltäglich sind aber auch kleinere technische Fehler: Das Bild ruckelt, Video und Ton passen nicht genau zusammen, ein Echo der Stimme irritiert. Eine neue Studie zeigt, dass die meisten Menschen intuitiv davon ausgehen, dass solche kleineren Fehler keinen Einfluss auf das Ergebnis des Gesprächs haben – doch damit liegen sie offenbar falsch.
Fachpersonal wird nach ruckeligen Videos weniger vertraut
Die technischen Störungen führen dazu, dass wir unser Gegenüber unbewusst negativer einschätzen. Das zeigt eine Reihe von Versuchen, deren Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden.
Zum Beispiel schauten sich Probandinnen und Probanden Videos von Vorträgen zu medizinischen Themen an. In einigen davon waren kurze Ton-Fehler eingebaut, die jedoch die Verständlichkeit des Gesagten nicht beeinträchtigten.
Nach dem Vortrag wurden die Zuschauer gefragt: Wie sehr vertrauen sie den Informationen, die ihnen gerade gegeben wurden? Und wenn sie die Möglichkeit hätten: Würden sie gerne mit der gerade gesehenen Fachperson sprechen oder lieber zu einer anderen wechseln?
Das Ergebnis: Nach einem leicht stockenden Video wollten die Probanden häufiger den Ansprechpartner wechseln, insgesamt wurde der Fachperson in diesen Fällen weniger vertraut.
Gefängnis oder Freiheit? Videoqualität hat Einfluss
Auch im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs zeigte sich: Versuchspersonen zeigten ein größeres Interesse, Menschen einzustellen, wenn es keine technischen Fehler in der Videokonferenz gab.
Und sogar bei Gerichtsverhandlungen zeigte sich dieser Effekt: Dafür wertete das Forschungsteam Protokolle von Anhörungen in den USA aus. Darin ging es um die Frage, ob Inhaftierte vorzeitig auf Bewährung aus dem Gefängnis kommen können.
Diese Anhörungen können in den USA per Videokonferenz geführt werden. Das Ergebnis der Forschenden: Gab es in den Gesprächen technische Fehler, wurde in 48 Prozent der Fälle einer Bewährung zugestimmt. Bei den technisch reibungslosen Gesprächen war das in 60 Prozent der Fall.
In allen untersuchten Fällen bewerteten die Probandinnen und Probanden ihr Gegenüber negativer, wenn die Qualität der Videokonferenz nicht optimal war, obwohl die Verständlichkeit des Gesprächs darunter nicht litt.
Dieser Effekt war jedoch nur vorhanden, wenn die technischen Fehler in einer Gesprächssituation vorkamen. Bei einer Online-Präsentation, bei der Bilder oder Text statt des Gesichts zu sehen war, veränderten die Störungen nicht die Bewertung.
Bruch der Illusion führt zu Unbehagen
Die Forschenden erklären diesen Effekt mit Emotionen, die die Störungen des Gesprächs bei den Beteiligten auslösen. In den Versuchen gaben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, sich durch den abgehackten Ton oder das kurze Einfrieren des Bildes unwohl – auf englisch „uncanny“ – zu fühlen.
„Das Konzept der Uncanniness ist in der Forschung schon länger bekannt und hat seinen Ursprung in der Robotik,“ sagt Lisa Handke, Juniorprofessorin für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
So besagt eine bekannte Theorie, dass Roboter, die Menschen sehr ähnlich sind, ein Unbehagen auslösen. „Wenn ein Roboter oder ein autonomer Agent zunächst menschlich erscheint, sich aber dann doch ’nicht-menschliche‘ oder mechanistische Attribute erkennen lassen, dann löst dies ein unheimliches Gefühl aus,“ so Handke im Interview mit dem Science Media Center Deutschland.
Diesen Effekt gebe es offenbar auch bei fehlerhaften Videokonferenzen, so die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie: Bei Videogesprächen würde die Illusion aufgebaut, dass man sich wie in einem analogen Gespräch direkt miteinander spricht. Kleine Störungen wie stockender Ton oder ein kurz eingefrorenes Bild würden diese Illusion brechen, man würde sich der technischen Hilfsmittel, die dazwischen stehen, plötzlich wieder bewusst.
Technische Störungen könnten kognitiv anstrengend sein
Das löse ein kurzes Unbehagen bei den Beteiligten aus. Das Urteilsvermögen gegenüber dem Gesprächspartner würde negativ beeinflusst.
Die technischen Störungen könnten punktuell die ‚Menschlichkeit‘ der Interaktion gefährden, diese würde somit als unheimlich erlebt, vermutet die Wirtschaftspsychologin Lisa Handke.
Johannes Basch, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Neu-Ulm, findet diesen Erklärungsansatz plausibel. Möglich wären allerdings auch noch andere Gründe, weshalb die Bewertungen nach einer fehlerhaften Videokonferenz negativer ausfallen.
Zum Beispiel könnte die kognitive Belastung des Arbeitsgedächtnisses durch diese technischen Störungen in Videokonferenzen steigen, so Basch. „Das liegt daran, dass Inhalte schwerer zu verarbeiten sind und zusätzliche Aufmerksamkeit für technische Aspekte erforderlich ist. Dies könnte wiederum zu weniger durchdachten Entscheidungen führen.“
Insgesamt könne man sehen, dass Videokonferenzen – im Gegensatz zu Telefonaten – den Anspruch hätten, ein vollwertiger Ersatz für persönliche Gespräche zu sein. „Das ist eine aus kommunikationspsychologischer Sicht hohe Erwartung“, so Basch. Störungen könnten daher als besonders irritierend empfunden werden.








