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Stand: 03.12.2025 15:36 Uhr
In der schwarz-roten Koalition werden regelmäßig Sachfragen zu Machtfragen – so auch beim Streit über die Rente. Die Abstimmung im Bundestag werde so zur Abstimmung über die Regierungsfähigkeit.
„Das kann doch wohl nicht euer Ernst sein“, hat der Kanzler, der ja kein „Klempner der Macht“ sein, sondern führen wollte, neulich der Jungen Union zugerufen. Und heute? Heute ruft das erstaunte Wahlvolk dieser Berliner Regierung in Ausbildung im Chor zu Recht genau das entgegen: Das kann doch wohl nicht euer Ernst sein.
Jede Sachfrage – und ja, die Rentenfrage ist eine besonders wichtige – wird in dieser Koalition des Missvergnügens mittlerweile zur Machtfrage befördert: Wehrdienst, Verfassungsrichterwahl, heute die Rente, morgen dann vielleicht die Reform von Pflegekassen und Gesundheitssystem.
Sieht so Verantwortung aus?
Das alles sind streitbare Großprojekte. Schwierig genug. Aber es sind am Ende Aufgaben für gewählte Politiker, keine Erpressungsmöglichkeiten, um seine eigene und nur seine eigene Vorstellung in einer Möchtegern-Großen-Koalition zu verwirklichen.
„Verantwortung für Deutschland“ haben sich die Großkoalitionäre damals über ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Sieht so Verantwortung für Deutschland aus?
Abstimmung über die Regierungsfähigkeit
Ein Showdown mit Probeabstimmung gestern. High Noon auf Schwarz-Rot. Wer im politischen Berlin gut unterhalten werden wollte, der musste auf die Fraktionsebene im Bundestag gehen. Interne Berichte aus der laufenden Fraktionssitzung. Geraune und Geflüster. Abgeordnete, die bis dahin niemand wirklich kannte, stehen plötzlich, weil sie Abweichler oder Umfaller sein könnten, als gewichtige Kronzeugen vor Mikrofonen und Kameras.
Freitag wird dann im Bundestag in Wahrheit nicht mehr über die Rente, sondern auch und vor allem über die Regierungsfähigkeit dieser Koalition abgestimmt. Wie oft will Friedrich Merz eigentlich – wie jetzt bei der Rente geschehen – künftig auf die vielen Weltkrisen da draußen verweisen, um seine Union hier drinnen zur Geschlossenheit zu zwingen?
Streit gab es auch früher schon
Nicht missverstehen: Streit und Gerangel hat es auch früher schon gegeben. Da war unter Scholz, Merkel, Schröder, sogar Kohl längst nicht alles besser. Aber diskreter war es schon. Vielleicht auch, weil Ernsthaftigkeit in der Sache noch wichtiger war? Den Vorwurf müssen sich die Fraktionschefs Spahn und Miersch, der Kanzleramtschef Frei und auch der Bundeskanzler selbst schon gefallen lassen.
Wer das, was die vermeintlich Große Koalition hier beim Rentenpaket aufführt, als begrüßenswerte Transparenz des politischen Betriebes lobt, der schaut vermutlich auch jedem Metzger gern beim Wurstmachen zu. Andere sind da sensibler. Weniger neugierig darauf, wie es gemacht wird. Sie wollen, dass es gut gemacht wird, dass eine Regierung liefert, was sie versprochen hat.
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