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Generationengerechtigkeit: „Ich will, dass es in Zukunft besser läuft“

Suedpole. by Suedpole.
12:36:40 4. Dezember 2025
in Nachrichten
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generationengerechtigkeit:-„ich-will,-dass-es-in-zukunft-besser-laeuft“

Generationengerechtigkeit: „Ich will, dass es in Zukunft besser läuft“

Menschen in einer Hamburger Fußgängerzone

interview

Soziologe über die alternde Gesellschaft „Ich will, dass es in Zukunft besser läuft als jetzt“

Stand: 04.12.2025 13:07 Uhr

Deutschland altert, die Herausforderungen wachsen: Junge müssen Renten zahlen, Alte pflegen und Verteidigung sichern. Ist das fair? Der Soziologe El-Mafaalani spricht im Interview bei Hart aber fair über die alternde Gesellschaft.

Louis Klamroth: In den großen Debatten in diesem Jahr ging es um Migration, innere Sicherheit, Kriege. Es ging fast nie um Kinder und Jugendliche. Warum?

Aladin El-Mafaalani: Es gibt gerade auch sehr viele wichtige Themen, aber das, was ich beobachte, ist, dass seit 15 Jahren das Interesse in der öffentlichen Wahrnehmung an Kindern und Jugendlichen und jungen Familien extrem abgenommen hat.

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Ein Beispiel: 2001 ist die erste PISA-Studie erschienen. Das war ein desaströses Ergebnis. 2023 ist die letzte PISA-Studie erschienen. Und die Ergebnisse waren noch schlechter. Woran liegt das, dass wir damals von „PISA-Schock“ gesprochen haben und nach 2023, dem allerschlechtesten Ergebnis, kam eigentlich nichts?

Meine Erklärung ist, dass der geburtenstärkste Jahrgang, 1964 geboren, 37 Jahre alt war, als die erste PISA-Studie erschien. Das waren Eltern. Und jetzt ist diese Gruppe 61Jahre alt, interessiert sich dafür also nicht. Das ist die größte Bevölkerungsgruppe. Und die jetzigen Eltern, die das interessieren könnte, sind eine kleine Gruppe geworden. Kinder sind eine Minderheit, aber auch Eltern von minderjährigen Kindern sind im Augenblick eine demokratische Minderheit. Man kann Wahlkämpfe führen, ohne sie anzusprechen, weil das eine so kleine Gruppe ist.

Klamroth: Wie groß ist das Demografie-Problem wirklich?

El-Mafaalani: Es ist ein riesiges Problem. In fünf bis acht Jahren werden wir die Situation haben, dass die Wahlen durch Rentnerinnen und Rentner entschieden werden. Das heißt also, dass wir dann erstmals die Situation haben, dass die Leute, die die Entscheidungen nicht mehr umsetzen müssen und die nur relativ kurz mit den Entscheidungen leben müssen, entscheiden, was wir tun. Und das ist demokratietheoretisch erstmal eine neue Situation.

Das heißt überhaupt nicht, dass eine Bevölkerung, in der der Schwerpunkt sehr alt ist, dann automatisch nicht funktioniert. Aber man muss sich dann im Klaren darüber werden, dass sehr viele Dinge anders sein werden. Die größte Kaufkraft haben sehr alte Leute. Das wird den Binnenmarkt verändern, das wird die Risikobereitschaft verändern, das wird alles Mögliche verändern.

Zur Person

Aladin El-Mafaalani ist Professor für Migrations- und Bildungssoziologie an der Technischen Universität Dortmund. Zuvor war er Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Osnabrück. Von 2018 bis 2019 war El-Mafaalani Abteilungsleiter im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf und koordinierte die Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen.

Wir wissen schon seit Jahren, dass wir mit den Renten ein Problem bekommen. Selbst da kriegen wir es nicht hin, einmal das Problembewusstsein deutlicher zu schärfen und dann entsprechende Entscheidungen zu treffen.

Und: In einer immer älter werdenden Bevölkerung wird auch Kindheit echt eine schwierige Angelegenheit. Wie kriegen wir das eigentlich noch hin, dass es Räume für Kinder gibt, dass es Perspektiven für Kinder gibt und dass wir Kinder wahrnehmen?

Klamroth: Friedrich Merz hat zuletzt bei der Generaldebatte im Bundestag gesagt, die Regierung wolle einen „neuen Konsens der Generationen aushandeln“. Was gehört zu so einem Konsens der Generationen dazu, außer eine gerechte Rentenpolitik?

El-Mafaalani: Es gab ja Vorschläge, interessanterweise von Ökonomen, dass es so was wie ein Pflichtjahr für Rentnerinnen und Rentner geben soll. Ich halte davon nichts. Ich halte aber auch nichts davon, eine Wehrpflicht einzuführen und ein Pflichtjahr in der Rente auszuschließen.

Klamroth: Weil es eine Frage der Gerechtigkeit ist?

El-Mafaalani: Ja. Ich glaube bei der Wehrpflicht, dass man die Zahl der Leute, die man bräuchte, auch ohne eine Verpflichtung bekommen würde. Dafür muss man das Ganze dann aber attraktiver machen.

Und ich glaube, man kriegt es auch hin, dass Rentnerinnen und Rentner freiwillig mehr Verantwortung übernehmen. Damit meine ich: mehr Verantwortung übernehmen, als Rentnerinnen und Rentner das bisher getan haben. Die engagieren sich zwar auch, aber das muss mehr werden, wenn die mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe jetzt in Rente geht und so lebt wie die vergangenen Rentnergenerationen in den letzten 20 Jahren.

Wir haben enorme Kosten für die älteren Leute. Wir müssen jetzt auch noch mit der Bundeswehr irgendwie zurechtkommen. Wir müssen die Infrastruktur aufrechterhalten. Das ist nicht darstellbar. Es gibt ja einen Grund, warum die härtesten Forderungen gerade von Ökonomen kommen, bezogen auf mehr Migration, Stärkung der Kitas und so weiter. Das sind keine Leute, die Migranten besonders mögen oder als besonders kinderfreundlich gelten, sondern die rechnen einfach durch, dass wir vor die Wand fahren, wenn man jetzt nicht wirklich was tut.

Klamroth: Das heißt, es ist aus deiner Sicht eine ökonomische Notwendigkeit, dass sich die geburtenstarken Jahrgänge, die dann in Rente gehen, dann engagieren müssen?

El-Mafaalani: Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Wir verdoppeln die Zuwanderungszahlen. Dann kannst du mehr Sendungen machen bei Hart aber fair. Migration brauchen wir ohnehin. Aber wenn jetzt Rentnerinnen und Rentner sagen: „Ich habe meinen Soll erledigt und jetzt mache ich nichts mehr“, dann brauchen wir noch mehr Migration.

Wir haben im Augenblick so viele Menschen im erwerbsfähigen Alter wie historisch kaum mal. Die gehen ja noch in Rente. Und trotzdem haben wir Fachkräftemangel hier, Infrastrukturprobleme da. Wir kriegen es nicht hin für die Zugewanderten, die wir haben, Sprachkurse anzubieten.

Es gehen jetzt jedes Jahr ungefähr doppelt so viele in Rente, wie aus der Schule rauskommen. Die brauchen Rente und noch mal 20 Jahre später richtige Versorgung. Über Gesundheitskosten müssen wir nicht sprechen. Das muss irgendwer gewährleisten. Und wenn wir das nicht hinbekommen, dann mache ich mir total Sorgen. Das meine ich ganz ernst. Ich denke an alte Leute. Wir haben gerade wenige hochaltrige, pflegebedürftige Leute und es läuft überhaupt nicht. Das System ist kaputt. Und ich will, dass es in Zukunft besser läuft als jetzt. Aber wenn wir nichts ändern, wird es sich weiterhin verschlechtern.

Das komplette Interview finden sie in der ARD Mediathek und in der ARD Audiothek. Für die schriftliche Version wurde es redaktionell gekürzt.

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