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Stand: 05.12.2025 06:01 Uhr
Betroffene von Kindesmissbrauch wollen, dass die Polizei illegale Bilder und Videos löschen lässt. Vier Jahre rangen Innenminister in Bund und Ländern um eine Lösung. Doch nun steht offenbar fest: Die Missbrauchsaufnahmen bleiben vorerst online.
Die Innenministerkonferenz (IMK) von Bund und Ländern wird am heutigen Freitag offenbar nichts beschließen, um das Teilen illegaler Darstellungen von Kindesmissbrauch in pädokriminellen Darknetforen zu stoppen. Das geht aus der Beschlussvorlage hervor, die dem ARD-Politikmagazin Panorama und dem Investigativformat STRG_F (NDR/funk) vorliegt.
In dem Beschluss, der nicht öffentlich werden sollte, heißt es, dass die IMK den Sachstandsbericht einer Arbeitsgruppe lediglich „zur Kenntnis“ nehme. Geändert wird damit an der umstrittenen Polizeipraxis, Missbrauchsdarstellungen nicht proaktiv löschen zu lassen, offenbar nichts – obwohl es in den vergangenen drei Jahren immer wieder entsprechende Absichtserklärungen gegeben hatte. Auch eine neue Stellungnahme des Bundeskriminalamts (BKA) deutet darauf hin, dass es keine Verbesserung geben wird.
Recherchen deckten umstrittene Polizeipraxis auf
Die politische Diskussion hatten NDR-Recherchen Ende 2021 ins Rollen gebracht. Reporter hatten enthüllt, dass deutsche Polizeibehörden bei ihren Ermittlungen in Darknetforen massenhaft Bilder und Videos online ließen, obwohl die Aufnahmen nachweislich gelöscht werden könnten. Sie versäumten es, nach der Abschaltung von Foren den Cloudprovidern, bei denen die illegalen Aufnahmen gespeichert waren, Löschaufforderungen zu schicken.
In einem Pilotprojekt zeigten Panorama und STRG_F dann nochmals 2024, dass durch proaktives, anhaltendes Löschen in den Foren die Pädokriminellen kaum noch neues Material hochluden. Zwei große Plattformen stellten ihren Betrieb während des Löschens sogar komplett ein.
Bundesbeauftragte Claus forderte proaktives Löschen
Das systematische Nicht-Löschen deutscher Polizeibeamter hatte in den vergangenen Jahren öffentlich immer wieder für Empörung gesorgt. Kerstin Claus, Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, hatte noch im Juni dieses Jahres gefordert, dass Ermittler proaktiv und systematisch Missbrauchsdarstellungen identifizieren und löschen lassen müssten.
2022 hatte die Innenministerkonferenz dies als Reaktion auf die NDR-Recherchen auch noch in Aussicht gestellt. Sie bildete eine Arbeitsgruppe, die Lösungen erarbeiten sollte. Ende 2023 bekräftigte die IMK dann, dass die „anlassunabhängige Recherche im Internet eine geeignete Möglichkeit bietet, die Verfügbarkeit von Missbrauchsdarstellungen zu reduzieren“. Seitdem hakt es jedoch politisch, denn die Innenminister finden offenbar keine Behörde, welche die Arbeit übernehmen will.
Länder zeigen aufs BKA – und das BKA auf die Länder
Grundsätzlich sind in Deutschland für Polizeiaufgaben die Bundesländer zuständig. Jedes Landeskriminalamt könnte ein Projekt initiieren, um mit dem Löschen im Darknet zu beginnen. Das NDR-Pilotprojekt hatte gezeigt, dass schon zwei Personen ausreichen, um die Aufnahmen in allen großen Darknetforen konsequent löschen zu lassen.
Allerdings fungiert das BKA bei vielen Fragen der Pädokriminalität, insbesondere bei Löschfragen, mittlerweile als sogenannte Zentralstelle. Bei Onlinedelikten ist häufig kein regionaler Bezug zu einem Bundesland gegeben, weshalb das BKA solche Aufgaben dann übernimmt. Den NDR-Recherchen zufolge wies die Wiesbadener Behörde Ansinnen aus den Bundesländern, auch das proaktive Löschen im Darknet zu übernehmen, jedoch wiederholt zurück – letztmals im November gegenüber Niedersachsen.
CDU-Initiative in Niedersachsen droht zu verpuffen
Die niedersächsische CDU hatte im Frühjahr einen Entschließungsantrag eingebracht mit dem Vorschlag, dass Niedersachsen die Löschungen in den Darknetforen initiieren könne. Die rot-grüne Landesregierung trat jedoch auf die Bremse. Zunächst verwies das niedersächsische Innenministerium auf das BKA, ebenso argumentierte die Landesregierung dann in einem Gegenantrag zum CDU-Vorstoß.
Die Absage des BKA folgte im November. In einer unveröffentlichten Stellungnahme für den niedersächsischen Innenausschuss, die Panorama und STRG_F vorliegt, heißt es, ein Löschverfahren, wie es die NDR-Journalisten im Pilotprojekt demonstriert hatten, sei „derzeit keine Option“.
Das BKA sprach dabei nicht mehr nur für sich, sondern allgemein für „deutsche Strafverfolgungsbehörden“. Vor allem das BKA hatte sich jahrelang dagegen gewehrt, die anlassunabhängige Löschung in seine Verfahren zu implementieren. Der aktuelle IMK-Beschluss scheint nun die politische Legitimation dafür zu sein.








