Antrittsbesuch von Merz Israel-Reise in sehr schwierigen Zeiten
Stand: 06.12.2025 13:27 Uhr
Bundeskanzler Merz reist heute nach Israel. Gerade wegen der besonderen bilateralen Beziehung und der angespannten Sicherheitslage steht der Besuch unter kritischer Beobachtung.
Sieben Monate liegen zwischen der Amtseinführung von Friedrich Merz als Bundeskanzler und seinem ersten offiziellen Israel-Besuch. Ungewöhnlich lange? Seine Vorgänger Olaf Scholz und Angela Merkel ließen sich nur etwa drei Monate Zeit.
Der renommierte israelische Historiker Moshe Zimmermann hat schon einige Kanzlerbesuche erlebt. Er sieht einen Grund für die späte Visite: „Dass es für einen deutschen Politiker heute irgendwo unangenehm ist, mit der israelischen Regierung in Verbindung gebracht zu werden. Das kann man sehr gut verstehen.“
Zimmermann hat die israelische Regierung im Krieg mit Gaza immer wieder kritisiert. „Das ist eine Regierung, die rechtsextrem ist“, so der Historiker. „Und deshalb hat man als Europäer, als deutscher Bundeskanzler, eben große Probleme.“ Es komme hinzu, dass jetzt eine Waffenruhe im Gazastreifen herrsche, und damit ein Israel-Besuch für die Bundesregierung besser zu rechtfertigen sei.
Und: „Das ist jetzt der Ausweg. Statt Netanjahu nach Berlin einzuladen, kommt Herr Merz von Berlin nach Israel.“ Wenn jemand nach Deutschland kommt und es gegen ihn einen Haftbefehl gibt, dann müsse die deutsche Polizei einschreiten, sagt Zimmermann. „Und das ist etwas, das sehr unangenehm ist für die deutsche Politik.“
Problematische Einladung nach Berlin
Bereits kurz nach seiner Amtseinführung geriet Merz in die Kritik, als er Premier Benjamin Netanjahu nach Berlin einlud, obwohl der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Netanjahu erlassen hatte – wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Auch jetzt steht Merz unter Druck, der Besuch könne ein falsches Signal senden, während der Konflikt in Gaza anhält und die Gewalt im Westjordanland weiter eskaliert, sagt der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, mit Blick auf die deutsch-israelischen Beziehungen.
„Wenn man verfolgt, was in Gaza und im Westjordanland passiert, kann man verstehen, wenn der deutsche Kanzler fragt, warum das passiert, und wo das hinführt. Das frage ich mich, das fragen sich viele Israelis derzeit: Wie lange dauert der Krieg noch und was sind unsere Ziele? Es gibt keine klare Politik der israelischen Regierung, wie man den Konflikt mit den Palästinensern löst. Jeder deutsche Kanzler sollte das zur Sprache bringen. Egal, ob Netanjahu zuhört oder nicht.“
Deutschland sollte sagen, was es zu sagen hat, so Issacharoff, der bis 2021 Botschafter in Berlin war. Er gibt gleichzeitig zu bedenken, dass sich sowohl die allgemeine Sicherheitslage in Israel als auch in Deutschland verschärft habe. Durch den Gaza-Krieg für Israel und durch den Angriff Russlands auf die Ukraine für Deutschland.
Merz-Telefonat mit Abbas
Vor seinem Abflug nach Israel telefonierte Merz mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. Der Kanzler habe seine Unterstützung für den Friedensplan von US-Präsident Trump unterstrichen und die kooperative Haltung der Autonomiebehörde dazu begrüßt, teilte der Regierungssprecher mit. Außerdem mahnte Merz demnach Reformen an, damit die Behörde in der Nachkriegsordnung eine konstruktive Rolle spielen könne.
Deutschland setzt auf israelische Waffen
Dass die Bundesregierung zuletzt kurzzeitig die Rüstungsexporte nach Israel einschränkt, ist für Ex-Botschafter Issacharoff nicht entscheidend: „Das Waffenembargo hat die Beziehung nicht beeinträchtigt. Sie ist die zweitwichtigste Beziehung, die wir in der Welt haben, nach den Vereinigten Staaten.“
Issacharoff erinnert daran, dass Deutschland das israelische „Arrow-3“-Abwehrsystem gekauft und den Kauf des „Spike“-Panzerabwehrsystems angekündigt hat. Man könne sagen, dass sich das deutsche Engagement für die Sicherheit Israels auch zu einem Engagement Israels für die deutsche Sicherheit entwickelt hat. So habe die von Angela Merkel 2008 erklärte Staatsräson – die besondere Verantwortung Deutschlands für Israels Sicherheit – eine neue Wendung bekommen, sagt der Diplomat.
„Kanzler muss Zivilcourage zeigen“
Weniger diplomatisch formuliert der israelische Historiker Zimmermann seine Erwartungen an den Kanzlerbesuch. Der Bundeskanzler müsse Zivilcourage zeigen und Themen wie Siedlergewalt offen ansprechen: „Es ist immer das Problem mit den Deutschen. Sie entscheiden sich dafür, sich kritisch zu äußern. Aber die Art wie sie sich äußern, kommt nicht als Kritik in Israel an. Die Israelis sind gewohnt, nur Kritik zu verstehen, wenn es eine Art von Ohrfeige ist. Wenn man anständig irgendwie Kritik ausübt, ignoriert man das als Kritik.“
Zimmermann rät dem Kanzler auch zu einem Besuch auf der palästinensischen Seite und zum Austausch mit Opposition und Zivilbevölkerung. Geplant ist bislang ein Treffen mit Israels Präsident Izchak Herzog, ein Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sowie ein Treffen mit Netanjahu.








