Stand: 06.12.2025 18:39 Uhr
Tschechien erlebt einen massiven Anstieg von Hepatitis-A-Infektionen. Das Virus überträgt sich über Schmierinfektionen, was für Weihnachtsmärkte besonders heikel ist. Impfungen helfen – doch der Impfstoff ist rar.
Wurstbrater Mirek Goro wischt seine Theke in diesen Tagen deutlich häufiger ab als früher. Für ihn gehört Hygiene zum Alltag, doch in diesem Winter ist der Blick vor allem der Gesundheitsbehörden sehr kritisch. „Wir benutzen alle Handschuhe, wir haben Desinfektionsmittel am Tisch, die Roste sind nur fürs Fleisch – kein Brot, kein Baguette“, sagt er und tippt auf seine frisch gewaschene Schürze. Sorgen habe er keine: Wer sauber arbeite, könne unbesorgt verkaufen.
Die Gesundheitsbehörden sehen das nüchterner. Fast 3.000 Hepatitis-A-Fälle wurden dieses Jahr in Tschechien registriert – zwanzigmal so viele wie 2024. 32 Menschen sind bereits gestorben, vor allem ältere Männer. Und ein Ende ist nicht in Sicht.
Mirek Goro beugt vor. Die Hepatitis-Welle macht auch vor den Besuchern des Weihnachtsmarkts in Prag nicht Halt.
„Höhepunkt noch nicht erreicht“
„Wir befinden uns in einer Phase der Epidemie, bei der die Fallzahlen immer noch ansteigen. Den Höhepunkt haben wir noch nicht erreicht“, warnt Kateřina Fabiánová, Epidemiologin am Staatlichen Gesundheitsamt.
Die Welle begann im Frühjahr unter Obdachlosen und Drogenabhängigen – inzwischen hat sie längst die breite Bevölkerung erreicht. „Die Epidemie ist in die Mehrheitsbevölkerung vorgedrungen und breitet sich weiter aus.“
Bei Vorerkrankten schwere Verläufe möglich
Hepatitis A gilt zwar als mildeste Form der Hepatitis und heilt oft folgenlos aus, bei geschwächter Immunität oder Vorerkrankungen sind aber auch schwere Verläufe möglich. Das Virus überträgt sich über Schmierinfektionen – ungewaschene Hände, gemeinsam berührte Oberflächen, Lebensmittel. Genau das macht Orte wie den Weihnachtsmarkt am Altstädter Ring besonders heikel.
Wer Bratwurst, Trdelník oder Kartoffelpuffer mit kalten Fingern isst, gibt dem Virus gute Chancen. „Das Virus überlebt lange auf Oberflächen – und Hände sind ein sehr guter Überträger“, sagt Fabiánová. Ihre Sorge gilt dem Januar: „Die Inkubationszeit beträgt bis zu 50 Tage. Ich bin gespannt, welche Zahlen wir dann sehen werden.“
Auch Milan Kubek, Präsident der tschechischen Ärztekammer, sieht eine außergewöhnliche Lage. „Es handelt sich um die größte Epidemie seit 1979 – und wir haben den Höhepunkt noch nicht erreicht.“ Viele Menschen seien nie mit dem Virus in Berührung gekommen und daher ungeimpft. „Der beste Schutz sind saubere Hände.“
Der Prager Weihnachtsmarkt ist in diesen Tagen ein beliebter Treffpunkt für Einheimische und Touristen.
Zu wenig Impfstoff
Doch selbst wer sich impfen möchte, stößt derzeit auf Probleme. Tschechien kämpft mit einem massiven Impfstoffmangel. Vorräte werden vor allem für Kontaktpersonen von Erkrankten reserviert; reguläre Impfungen sind vielerorts ausgesetzt.
Das Gesundheitsministerium sucht im Ausland nach Nachschub – unter anderem in Frankreich. Erst im Dezember soll wieder mehr Impfstoff verfügbar sein.
Konsequent Hände waschen
Für Touristen gilt: Die Risiken sind die gleichen wie für Einheimische. „Wer geimpft ist oder konsequent Hygiene einhält, muss sich keine Sorgen machen“, sagt Fabiánová. Die Lage sei vergleichbar mit Österreich, wo ebenfalls viele Fälle registriert werden.
Auf dem Weihnachtsmarkt spürt man davon wenig. Besucher greifen mit bloßen Händen in Tüten voller Kartoffelspiralen, wischen sich den Mund ab oder wärmen die Finger am Glühweinbecher. Die Desinfektionsflaschen bleiben meist unbeachtet – irgendwo zwischen Kerzen, Kassen und Lichterketten.
Händler Martin beobachtet das Spektakel gelassen. „Zu mir können Sie ruhig kommen – hier ist alles sauber!“, ruft er einem Kunden zu. Ob das reicht, wird sich im Januar zeigen. Die Gesundheitsbehörden rechnen mit einem langen, schwierigen Winter.








