Stand: 16.11.2025 09:06 Uhr
Die Pyramide des Pharaos Mykerinos im ägyptischen Gizeh hat offenbar einen weiteren, bisher unbekannten Eingang. Das folgern Wissenschaftler aus Kairo und München aus Messdaten von der Außenfassade.
Von Sebastian Kirschner, BR
Monumental stehen sie in der Wüste Ägyptens, errichtet vor mehr als 4.500 Jahren: die Pyramiden von Gizeh. Schon in der Antike galten sie als Weltwunder. Trotzdem ist wenig darüber bekannt, was sich in ihrem Inneren verbirgt.
Dabei gehören die Bauwerke zu den am besten untersuchten Objekten der Welt, sagt Christian Große vom Lehrstuhl für zerstörungsfreie Prüfung an der Technischen Universität München: „Aber wenn man sich damit befasst, stellt man fest, dass man nicht wirklich genau weiß, was sich hinter der Fassade verbirgt.“
Christian Große muss es wissen: Seit mehreren Jahren scannt der Wissenschaftler zusammen mit Kollegen von der Universität Kairo die Pyramiden von Gizeh auf Hohlräume ab. Zuletzt waren dabei sie im Jahr 2023 auf eine unbekannte Kammer in der Cheops-Pyramide gestoßen.
Erste Vermutungen über einen unbekannten Eingang
Diesmal haben die Forscher die Fassade der Mykerinos-Pyramide näher untersucht, der kleinsten der drei großen Pyramiden von Gizeh. Diese hat eine Besonderheit: Sie besitzt zwei auffällig glatte Flächen zwischen den sonst überwiegend rauen und unebenen Steinblöcken.
Die eine Stelle befindet sich um den Eingang herum auf der Nordseite der Pyramide, die andere auf der Ostseite. Daher gebe es schon seit einigen Jahren die Theorie, dass sich auch auf der Ostseite ein bisher unbekannter Eingang befinden könnte, erklärt Arnulf Schlüter, Direktor des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst in München.
Zerstörungsfreie Verfahren untermauern bisherige Theorie
Um zu klären, ob sich an der Ostseite tatsächlich ein weiterer Eingang verbirgt, setzten Geophysiker Christian Große und seine Kollegen abermals auf ihre zerstörungsfreien Techniken, um keine Spuren an der Pyramide zu hinterlassen: „Andere Untersuchungsmöglichkeiten bekommt man praktisch nie zugelassen. Es ist ja ein Weltkulturerbe.“
Die Forscher setzten drei verschiedene technische Verfahren ein: Ultraschall, Georadar und elektrische Widerstandstomographie. Durch mehrere Verfahren würden die gewonnenen Daten aussagekräftiger und verlässlicher, so Christian Große. Diese zeigten Überraschendes: zwei Unregelmäßigkeiten, die auf Hohlräume direkt hinter der Ostfassade schließen lassen.
Hohlraum scheint ungewöhnlich groß
Zwar können die Wissenschaftler mit ihren Verfahren nicht bestimmen, wie groß die Hohlräume genau sind. Aber immerhin gebe die elektrische Widerstandstomographie Hinweise darauf, wie tief sie reichen, sagt Große: „Da sehen wir tatsächlich das Ende des Hohlraums nicht.“
Das heißt: Es muss sich bei einem der beiden um einen größeren Hohlraum handeln, möglicherweise einen Gang. Auffällig für den Wissenschaftler ist jedenfalls, dass sich in der Fassade direkt davor ein ungewöhnlicher trapezförmiger Stein befindet. Die Steine daneben sind dagegen mehr oder weniger rechtwinkelig.
Was die Wissenschaftler bisher anhand ihrer Daten abschätzen können: Die beiden möglichen Hohlräume sind etwa einen Meter hoch, der eine rund 1,50 Meter breit, der andere 70 Zentimeter. Beide liegen etwas mehr als einen Meter hinter der Fassade. Sensationen erwartet sich Ägyptologe Arnulf Schlüter von den Hohlräumen jedoch nicht: „Die Hoffnung auf einen zweiten Eingang und auf ein verborgenes Gangsystem mit versteckten Kammern ist noch sehr begrenzt bei mir.“
Was sich wirklich hinter der Fassade verbirgt
Arnulf Schlüter vermutet: Der Hohlraum erfüllt eher statische Zwecke. Keine Pyramide sei der monolithische Block, als der sie nach außen erscheine. Daher seien Hohlräume nichts Ungewöhnliches. Trotzdem findet der Ägyptologe derartige Hinweise auf Hohlräume wichtig: „Wir müssen zugeben, dass auch noch nicht alle Fragen zum Bau der Pyramiden geklärt sind.“ Insofern helfen weitere Entdeckungen im Inneren, um die Gebäude besser zu verstehen.
Was sich wirklich hinter der Fassade verbirgt, würden die Forschenden gern mit einem Endoskop klären. Ob sie das dürfen, wird sich zeigen: Denn dafür müsste immerhin ein kleines Loch in das Weltkulturerbe gebohrt werden.










