Artenschutzkonferenz KI kann Artenforschung unterstützen
Stand: 02.12.2025 08:46 Uhr
Wie können gefährdete Arten besser geschützt werden? Darüber diskutieren in diesen Tagen fast 200 Staaten auf der Artenschutzkonferenz in Usbekistan. Ein möglicher Ansatz: der Einsatz von künstlicher Intelligenz.
Hightech kann unscheinbar aussehen: Ein würfelförmiger Kasten steht in einem Labor des Berliner Naturkundemuseums. Metallstreben an den Kanten, die Seiten offen – er wirkt wie selbst gebaut. Aber es ist der Prototyp eines Roboters, der bei der Suche nach unbekannten Insekten hilft. Das Karlsruher Institut für Technologie hat ihn entwickelt.
Drinnen hängen eine Kamera und eine Pipette über einer Palette kleiner Laborröhrchen und einer quadratischen Schale mit Alkohollösung. Was darin schwimmt, erkennt das bloße Auge nur als winzige schwarze Punkte, gerade ein bis zwei Millimeter groß. Auf dem Bildschirm über dem Kasten erkennt man vielfach vergrößert, worum es sich handelt. „Das ist eine parasitoide Wespe. Die legt Eier an anderen Insekten ab, dann kommen die Maden raus und bringen für die eigene Ernährung das andere Insekt um“, sagt Rudolf Meier.
Der Biologe leitet am Forschungsinstitut des Naturkundemuseums das Zentrum für integrative Biodiversitätsentdeckung. Neben ihm untersucht der Roboter gerade die Wespe. Sie stammt aus einer Probe mit etwa 6.000 Insekten aus einem Berliner Hinterhof. Die Kamera fährt automatisch über das Insekt und fotografiert es. Dann saugt die Pipette das Tier an und sortiert es in eines der Röhrchen für die DNA-Bestimmung im Nachbarlabor. Demnächst soll der Roboter die Insekten mithilfe künstlicher Intelligenz ganz ohne Erbgut-Untersuchung allein anhand der Bilder erkennen. „Soweit sind wir allerdings noch nicht“, schränkt Rudolf Meier ein. „In Berlin gibt es 10.000 Insektenarten. Bevor da ein gutes KI-Modell entwickelt ist, das dauert erst einmal.“
Unbekannte Insekten aufspüren
Insekten sind die artenreichste Klasse der Tierwelt. Forschende schätzen, dass weltweit bisher erst 20 Prozent von ihnen bekannt sind – und schon das sind mehr als eine Million Arten. Ob Blüten bestäuben oder den Boden auflockern – jede Art hat ihre eigene Aufgabe im Ökosystem. Ohne sie würden unsere Lebensräume nicht funktionieren.
Insektenproben aus Forschungsfallen enthalten oft mehrere tausend Tiere. Forschende brauchen manuell Wochen bis Monate, um sie alle zu bestimmen. Wenn der Roboter unbekannte Arten automatisch in wenigen Sekunden aufspüren kann, beschleunigt das die Artenforschung dramatisch.
Aber auch die Digitalisierung vorhandener Sammlungen kommt der Wissenschaft zugute – schon allein deshalb, weil Forschende weltweit darauf zugreifen können. Die Insektensammlung des Naturkundemuseums umfasst 15 Millionen Tiere – ein kleiner Teil in Alkohol konserviert, die meisten aber getrocknet in Schaukästen auf Nadeln gespießt. Unter jedem Tier klemmt ein winzig beschriftetes Etikett, auf dem Art, Fundort und -zeit vermerkt sind.
Riesige Datenmengen
Schon seit Jahren scannt das Museumsteam Insekten aus den Kästen ein, zum Beispiel an einem 3D-Scanner. Eine Mitarbeiterin ist gerade damit beschäftigt, das Gerät mit einer Zecke zu bestücken. Nach einer halben Stunde hat der Scanner das Spinnentier automatisch von allen Seiten fotografiert, ein Computer fügt die 400 Einzeldateien zu einem dreidimensionalen Bild zusammen. Forschende überall auf der Welt können die Abbildung jetzt nach Bedarf drehen und wenden.
Gegenüber fotografiert ein Kollege mit Spiegelreflexkamera Schmetterlinge aus der Sammlung. Auch er setzt ein besonders fein auflösendes und auf allen Ebenen scharfes Bild aus mehreren Fotos zusammen, damit es sich für die Forschung eignet. Ein aufwendiges Verfahren, sagt Digitalisierungsexperte Frederik Berger mit Blick auf die bisher erfassten 600.000 Insekten. „Von jedem Tier wurden mehrere Aufnahmen gemacht, plus eine Aufnahme von Etiketten. In Summe sind vier Millionen Dateien mit einem wahnsinnigen Datenvolumen von 300 Terabyte entstanden.“
Trotz Automatisierung würde es mehr als 60 Jahre dauern, bis alle 15 Millionen Insekten der Sammlung inklusive Bild erfasst wären. Deshalb sind die Wissenschaftler dazu übergegangen, zunächst nur das Etikett jedes Tieres für einen Online-Katalog zu digitalisieren. Frederik Berger verweist darauf, dass nicht jedes Insekt mit Bild öffentlich verfügbar sein muss. „Wir haben das Ziel, bekannt zu machen, dass diese Objekte da sind. Und wenn Bilder gebraucht werden, dann liefern wir die sofort.“ Fotografieren nur auf Bestellung – das spart Ressourcen und Zeit.
Mit künstlicher Intelligenz können die Etiketten künftig noch schneller gescannt und ausgewertet werden. Dann kann jeder Forscher, jede Forscherin weltweit recherchieren, welche Insekten in Berlin verfügbar sind. Damit sie möglichst viele Arten erforschen können, bevor die ausgestorben sind.









