Stand: 07.12.2025 06:32 Uhr
Vor fast einem Jahr wurde in Syrien Langzeitmachthaber Assad gestürzt. Unternehmer in der einstigen Wirtschaftsmetropole Aleppo hatten große Hoffnung. Doch noch ist viel zerstört, die Sanktionen sind noch nicht restlich aufgehoben.
Vor der Zitadelle von Aleppo herrscht Trubel. Familien schlendern bei strahlendem Sonnenschein über den Platz, posieren mit der neuen syrischen Flagge in der Hand vor dem Wahrzeichen der nordsyrischen Stadt. Die 24-jährige Rawan ist mit Freundinnen gekommen, um sich eine der größten und ältesten Festungen der Welt anschauen.
Endlich, sagt die junge Informatikstudentin aus Aleppo, seien diese Dinge wieder unbeschwert möglich: „Wir hoffen, dass es noch besser wird. Das Land hat sich noch nicht vollständig erholt – nach 14 Jahren Krieg sind wir nicht in einem Jahr zur Normalität zurückgekehrt – wir brauchen noch viel Zeit.“
Der Blick von der Zitadelle auf die darunterliegende Altstadt zeigt, wie massiv Aleppo während des Krieges zerstört wurde. Von dem historischen Basar sind größtenteils nur Steine und Geröll übrig. Jetzt wird langsam wieder aufgebaut.
Aleppo-Seife war einst syrischer Exportschlager
In der Manufaktur unweit des Basars wird eines der berühmtesten Produkte in große Boxen verpackt: die Aleppo-Seife. In wenigen Tagen beginnt die neue Produktion der olivgrünen Seifenstücke. Jetzt heißt es, Platz schaffen in den großen historischen Fabrikhallen.
„Wir müssen das kalte Wetter abpassen. Denn wir gießen die Seifenlauge auf den Boden, während sie heiß ist. Nur bei Kälte wird sie dann fest. Wir gießen sie nachts und schneiden sie am nächsten Morgen“, erklärt Hisham Jebeili. Seit 400 Jahren stellt seine Familie aus Oliven- und Lorbeeröl die weltberühmte Naturseife her.
Die während des Krieges zerstörte Fabrik hat er schon vor einigen Jahren wiederaufgebaut. Früher war Aleppo-Seife DER Exportschlager aus Syrien. Daran will Jebeili anknüpfen: „Jetzt wird die Lage immer entspannter und besser, aber die Sanktionen gegen Syrien sind noch nicht vollständig aufgehoben. Es gibt bis heute noch kein SWIFT. Deshalb können viele Firmen nicht mit uns handeln, wegen der Sanktionen.“
Ohne ein verlässliches Zahlungssystem zwischen den Banken kann seine Firma nicht weltweit verkaufen, beklagt sich Jebeili. Gerade sei deswegen erst ein großer Kunde aus Korea abgesprungen. Auch ein Jahr nach der Übernahme der neuen syrischen Machthaber ist dieses Problem – ein Überbleibsel der Sanktionen gegen das Assad-Regime – nicht gelöst.
Neue Straßen, Arbeitskräfte, Benzin
Potenzielle Seifen-Abnehmer gebe es viele, behauptet der Unternehmer. Auch Arbeitskräfte findet er im Vergleich zu den Vorjahren wieder einfacher: „Jetzt haben wir Arbeiter. Vorher mussten wir sie gehen lassen – zum Militär. Das bedeutete Sterben. Also gingen sie weg, sie flohen. Wir fanden keine Arbeitskräfte, jetzt finden wir sie. Vorher gab es auch keinen Diesel, jetzt haben wir Diesel. Wir haben Solarenergie, wir haben Strom vom Staat – von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends.
Ein Fortschritt: Bis zum Herbst war die Stromversorgung noch sehr unzuverlässig. Aleppo war vor dem Krieg das wirtschaftliche Zentrum Syriens. Bekannt für Textilindustrie und eben auch die traditionelle Seifenindustrie. Jetzt versucht die Stadt daran anzuknüpfen. In der historischen Altstadt werden Straßen erneuert. Einige Händler bieten im wiederaufgebauten Teil des Basars – neben Billigwaren aus der Türkei – auch die hochwertige Aleppo-Seife an. Die Hoffnung, dass bald die Sanktionen ganz fallen, der Aufschwung und damit auch der Tourismus wieder kommt, ist spürbar.
Hoffnung für junge Generation
Auf dem Vorplatz der Zitadelle macht die junge Syrerin Rawan mit ihren Freudinnen Selfies. Die Studentin hofft, „dass es Möglichkeiten für die Uni-Absolventen im Land gibt. Wir müssen das Land aufbauen.“
Ein Jahr nach dem Sturz von Langzeitherrscher Assad ist noch nicht klar, in welche Richtung sich Syrien entwickelt. Ob die Sicherheitslage stabil bleibt. Nur dann wird in das Land investiert, sind sich Unternehmer einig. Die angehende Informatikerin Rawan hat Hoffnung, wartet aber ab: „Ich gebe mir ein Jahr Zeit. Wenn ich eine gute Gelegenheit im Land finde, bleibe ich sicher. Wenn nicht, werde ich gehen.“









