Russischer Vormarsch im Donbass Perspektive für Pokrowsk „nicht besonders positiv“
Stand: 03.12.2025 09:03 Uhr
Zehntausende russische Soldaten rücken im Osten der Ukraine vor. Zwar widerspricht Kiew Angaben aus Moskau, wonach mehrere Orte eingenommen worden seien. Doch selbst ukrainische Experten sehen Russland im Vorteil.
Die Kämpfe in Pokrowsk im Donezbecken (Donbass) dauern an – so stellt es die ukrainische Armeeführung dar. Sie widerspricht damit der Darstellung aus Moskau, wonach die russische Armee die Stadt bereits vollkommen eingenommen habe.
Das gelte auch für die Stadt Wowtschansk, teilte die ukrainische Armeeführung mit. Auch für sie hatte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow am Montag erklärt, Russland habe sie eingenommen. Wowtschansk liegt ebenfalls in der Ostukraine, aber weiter nördlich.
Ukraine spricht von russischer Propaganda
Die russische Darstellung sei Propaganda, erklärte die ukrainische Armeeführung in einer Stellungnahme. „Die großspurigen Erklärungen der politischen Führung des Aggressorstaats entsprechen nicht der Wirklichkeit“, heißt es dort. Russland wolle so Einfluss auf die westlichen Partner der Ukraine und die laufenden Verhandlungen zwischen Russland und den USA nehmen.
Ukrainische Militärs, die in Pokrowsk kämpfen, bestätigten am Dienstag in ukrainischen Medien die anhaltenden Kämpfe dort. „Es ist gelungen, den Feind aus einigen Positionen wieder zu verdrängen“, erklärte Ihor Tambijew, Stabsfeldwebel in einer Luftlandebrigade. Tambijew bezeichnete den Frontabschnitt in Pokrowsk jedoch als „einen der schwierigsten im Moment“.
Nebel hält ukrainische Drohnen auf
Andere ukrainische Soldaten beschreiben die Situation deutlich dramatischer. Die russischen Einheiten rückten ständig vor, sagte der Kommandeur einer Drohneneinheit im ukrainischen Fernsehen. Dies liege vor allem am Wetter. Bisher sei es gelungen, den russischen Vormarsch durch sogenannte FPV-Drohnen aufzuhalten – also von Piloten gesteuerte Drohnen. Doch der anhaltende Nebel mache dies unmöglich. „Sie müssen sich nicht einmal verstecken und können einfach übers Feld laufen“, so der Soldat.
Zum Hintergrund: Die ukrainischen Truppen sind an vielen Frontabschnitten zahlenmäßig deutlich unterlegen. Mit dem Einsatz von FPV-Drohnen, die vorrückende russische Soldaten bekämpfen, konnten sie das teilweise ausgleichen. Mit ihrer Hilfe kann ein Drohnenpilot einen relativ großen Teil der Front kontrollieren. Deshalb rückte die russische Armee im Sommer meist nur in Kleinstgruppen von zwei bis drei Soldaten vor, die so hofften, unerkannt zu bleiben.
Militäranalyst sieht Pokrowsk so gut wie verloren
Viele ukrainische Militäranalysten gehen nun davon aus, dass Russland Pokrowsk zwar noch nicht eingenommen hat, dies aber in naher Zukunft sehr wahrscheinlich schaffen wird. „Die Perspektiven sind milde gesagt nicht besonders positiv“, schrieb der Militärexperte Kostyantyn Maschowetz in seinem Lagebericht vom Wochenende.
Die ukrainische Armee werde Pokrowsk, wie auch die benachbarte Stadt Myrnohrad, „nach Lage der Dinge aufgeben müssen“. So sieht es auch der Militärbeobachter Serhij Rachmanin. Der Ukraine fehlten die Ressourcen, um diese Städte zu halten, sagte er in der vergangenen Woche.
Pokrowsk wäre die erste größere Stadt, die Russland seit fast zwei Jahren einnimmt – seit der Entscheidung um Awdijiwka. Die beiden Städte liegen etwa 50 Kilometer voneinander entfernt.
Zehntausende russische Soldaten in der Region
Wie Awdijiwka ist Pokrowsk nach jahrelangem Kampf eine Ruinenstadt. Dennoch hat es strategische Folgen, wenn Russland die Stadt einnimmt, meinen ukrainische Beobachter. Derzeit binde die russische Armee dort nach verschiedenen Schätzungen mindestens 110.000 Soldaten, kommentierte der Militärexperte Wladyslaw Selesnjow gegenüber dem ukrainischen Online-Medium oboz.ua.
Es wirkt wie ein Magnet, der eine riesige Menge an russischen Ressourcen an einen Frontabschnitt lenkt.
Militärexperte Wladyslaw Selesnjow
Nach der Einnahme von Pokrowsk könnte Russland diese Soldaten an anderen Frontabschnitten einsetzen, so Selesnjow.
Fallen bald schon die nächsten Städte?
Nächste Ziele Russlands dürften dann die weiter nördlich gelegenen Städte Slowjansk und Kramatorsk sein. Sie sind die letzten großen Städte im Donezbecken, die von der Ukraine kontrolliert werden. Die Ukraine hat dort schon seit 2014 massive Verteidigungsstellungen aufgebaut. Russland fordert bei den Verhandlungen mit den USA derzeit, dass die Ukraine sie kampflos aufgibt.
Auch ein größerer Vorstoß Richtung Nordwesten würde für die russische Armee nach der Einnahme von Pokrowsk möglich, meinen Experten – dann auf den Regierungsbezirk Dnipropetrowsk zu. Dort gibt es weniger Ortschaften und daher weniger Möglichkeiten für eine Verteidigung.









