Deutsche Freiwillige in Israel „Man hört Israel und denkt an Krieg“
Stand: 07.12.2025 11:17 Uhr
Daniel Grützmacher ist einer der ersten Deutschen, die seit Beginn des Gazakriegs an einem Freiwilligendienst in Israel teilnehmen. Seine Organisation hofft, dass der Besuch des Kanzlers auch andere wieder ermutigt.
Es ist ein besonderer Tag für Daniel Grützmacher: Der 18-Jährige aus Kusterdingen in Baden-Württemberg trifft Bundeskanzler Friedrich Merz in der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem bei dessen Antrittsbesuch in Israel. Als er vor drei Monaten seine Koffer für ein Freiwilliges Soziales Jahr packte, hatte er keine Ahnung, was ihn erwartet.
Jetzt ist er einer der ersten Jugendlichen, die sich seit Kriegsbeginn vor zwei Jahren beim Freiwilligendienst Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Israel engagieren.
„Natürlich gab es Bedenken“
„Israel ist in aller Munde. Natürlich gab es Bedenken“, sagt Grützmacher. Wegen der Sicherheitslage mussten die meisten deutschen Helfer ausreisen. Bei seiner Ankunft herrschte noch keine Waffenruhe. Er entschied sich dennoch zu kommen: „Man hört Israel und denkt an Krieg, kann sich aber vielleicht gar nicht vorstellen, wie es da tatsächlich ist.“
Am meisten geholfen haben ihm Menschen, die ihm von ihren eigenen Israel-Reisen und ihren positiven Erfahrungen dort erzählt haben. „Das waren wertvollere Kommentare, als wenn es hieß: ‚Oh, aber hast du Angst, da zu sterben‘.“
Am Strand mit Blick auf den Gazastreifen
Grützmacher erzählt, er sei beeindruckt, wie vielfältig die Gesellschaft in Israel sei, wie die Meinungen über den Krieg in Gaza in der Bevölkerung auseinandergingen und dass nicht alles schwarz-weiß sei. Viele Menschen, mit denen er rede, wünschten sich ein Ende des Krieges. Das bislang eindrücklichste Erlebnis sei für ihn ein Besuch am Strand in der Nähe von Ashkelon im Süden Israels gewesen, von wo man direkt auf den Zaun in die Trümmerwüste von Gaza blicken kann.
„Dann hat es auch ein paar Explosionen gegeben. Wir haben Rauchwolken gesehen und wir dann am Abend nachgeschaut, was das war.“ Der ganze Gazastreifen sei eine riesige Black Box, sagt der 18-Jährige. “ Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen der eigenen Situation und den Leuten zwei Kilometer weiter, die gar nichts mehr haben, wo alles zerstört ist. Das ist schwer im Kopf zu vereinbaren.“
Akten auf dem eigenen Heimatort
Während seines Aufenthalts arbeitet er in der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem, wo er Akten aus Stadtarchiven deutscher Gemeinden über Opfer der Shoa aufbereitet. So sollen sie für Forscher und die Öffentlichkeit zugänglich werden. Dabei hat er auch Akten aus seinem Heimatort Kusterdingen bearbeitet, in dem einst KZ-Häftlinge auf einem Marsch Station gemacht hatten.
„Da waren die Häftlinge zwei Tage in einer Scheune eingesperrt und haben ihre Namen eingeritzt“, erzählt Grützmacher. „Und zu lesen, dass Häftlinge, die zu diesem Lager gehören, drei Straßen weiter von meinem Zuhause entfernt waren, das hat nochmal einen anderen Zugang gebracht, als ich ihn bisher hatte. Und hat den Holocaust, der ja eigentlich unfassbar ist, ein bisschen fassbarer gemacht.“
Personalmangel bei Freiwilligendiensten
Nur zwei Freiwillige aus Deutschland sind derzeit mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Israel – nicht wie sonst mehr als 20. Auch andere Organisationen klagen über Personalmangel. Die zuletzt angespannte Sicherheitslage wirkt nach, sagt Uriel Kashi. Er ist Landesbeauftragter der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste.
Seit 1961 setzt sich die Organisation für die Versöhnung Deutschlands mit Israel nach dem Zweiten Weltkrieg ein, betreut Menschen mit Behinderungen, begleitet Holocaust-Überlebende und engagiert sich in der Erinnerungsarbeit.
Gerade jetzt nach dem Krieg, sei diese Arbeit wichtiger denn je, sagt Kashi. „Junge Israelis lebten nach dem 7. Oktober in einer Realität von Bedrohung, von Raketenalarm, viele haben persönliche Verluste erlebt. Für junge Menschen in Deutschland sieht die Welt völlig anders aus.“
Hoffnungen an Merz-Besuch
Aber gerade deshalb sei der Dialog so wichtig, so Kashi. „Weil wenn junge Menschen sich persönlich begegnen, dann entsteht auch Verständnis füreinander, dass man in keiner Zeitung und in keinem Social-Media-Beitrag bekommen kann.“
Vom Besuch des Bundeskanzlers in Israel erhofft sich Kashi, dass junge Leute in Deutschland zur Freiwilligenarbeit in Israel ermuntert werden – und dass es finanzielle Unterstützung gibt. Grützmacher will Merz von seiner Arbeit in Yad Vashem erzählen. Und er hat noch ein Thema für den Kanzler: „Dass er sich mehr um den Klimaschutz kümmern soll.“









