Parlamentswahl Hongkong zwischen Wut und Desillusion
Stand: 07.12.2025 09:31 Uhr
Viele Bewohner Hongkongs blicken ohne große Hoffnung auf die Parlamentswahlen. Seit 2021 sind nur noch China-treue Kandidaten zugelassen. Für die Bürger der Stadt ist gerade ein anderes Thema wichtiger.
Mehr als eine Woche nach der Brandkatastrophe in einem Wohnkomplex mit mehreren Hochhäusern in Hongkong ist neben der Unglücksstelle ein Meer von Blumen entstanden. Menschen strömen täglich her, um zu trauern, zu beten und Papierzettel mit Nachrichten zu hinterlassen – von Trauer bis Ärger. „Eine von Menschen verursachte Katastrophe“, schreibt jemand.
Während die Menschen in Hongkong trauern, hält die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungsregion weiter an der heutigen Parlamentswahl fest. Doch viele Hongkonger interessiert die Wahl nicht. Ihnen sei es wichtig, dass die Regierung die Verantwortlichen des Feuers findet, und auch ihre eigenen Fehler eingesteht, sagt die Passantin Nora Zheung. Ihr stehen Tränen in den Augen.
Ich plane nicht, wählen zu gehen. Ob die Wahl durchgezogen wird oder nicht, ist mir nicht wichtig. Was wichtig ist, ist wie die Regierung jetzt mit dem Brandunglück umgeht.
Behörden strafen Kritik ab
Korruption, minderwertige Baumaterialien und Schutznetze an den Gerüsten stehen bei den Ermittlungen zum Feuer im Fokus der Behörden. Sie gehen aber auch gegen Personen vor, die den Umgang mit dem Unglück kritisieren. Unter anderem wurde ein 24-jähriger Student festgenommen, der Flugblätter für eine Petition verteilt hatte. Darin forderte er eine unabhängige Untersuchung des Unglücks. Die inzwischen von den Behörden gesperrte Petition hatte mehr als 10.000 Unterstützer.
Chinas Nationales Sicherheitsbüro warnte die Hongkonger davor, die Katastrophe für regierungskritische Demonstrationen zu nutzen. Anti-chinesische Unruhestifter, die Hongkong destabilisierten, würden nach den Gesetzen der Staatssicherheit verfolgt und streng bestraft, hieß es in Staatsmedien.
Nur China-treue Kandidaten zugelassen
„Die Regierung hat Angst, dass die Bürger etwas organisieren. Denn wenn sie das tun und mehr Leute die gleiche Meinung haben, dann befürchten die Behörden, dass so etwas wie 2019 wieder passieren kann“, sagt der Hongkonger Wallace So. Nach den prodemokratischen Protesten vor sechs Jahren sitzen bis heute noch Aktivisten, Oppositionelle und Medienschaffende im Gefängnis.
Das Wahlrecht in Hongkong wurde seitdem geändert. Seit 2021 dürfen in Hongkong nur noch Kandidaten zur Wahl antreten, die von der Kommunistischen Partei Chinas zuvor als China-treu eingestuft wurden. Für viele Hongkonger hat die Wahl deswegen an Bedeutung verloren.
Geringe Wahlbeteiligung erwartet
„Ich werde nicht wählen gehen. Ich unterstütze keinen der Kandidaten. Und eine niedrige Wahlbeteiligung kann der Regierung zeigen, dass wir immer noch damit ringen, die jetzige Situation zu akzeptieren“, sagt So. Ein anderer Hongkonger sieht das ähnlich: „Die Wahlen interessieren mich nicht so sehr, weil das alles China-treue Kandidaten sind. Ich werde deshalb nicht wählen.“
Mehrere prodemokratische Parteien haben sich in den vergangenen Jahren unter Druck der Hongkonger Behörden aufgelöst. Eine prodemokratische Opposition gibt es im Hongkonger Parlament nicht mehr. Bei der letzten Parlamentswahl vor vier Jahren gaben nur etwa 30 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.








