Ukraine-Verhandlungen Europa stärkt Selenskyj den Rücken
Stand: 01.12.2025 22:20 Uhr
Für den ukrainischen Präsident Selenskyj und seine Unterstützer in Europa ist klar: Über ihre Köpfe hinweg darf bei den Ukraine-Verhandlungen nichts beschlossen werden. Kanzler Merz betonte die Einigkeit der europäischen Partner.
Einen Tag vor dem Treffen des US-Sondergesandten Steve Witkoff mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin hat die Ukraine demonstrative Rückendeckung von ihren westlichen Unterstützern bekommen. „Es ist ein Moment, der entscheidend sein könnte für die Zukunft des Friedens in der Ukraine“, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Paris.
Macron bekräftige, dass die Europäer an Verhandlungen über einen möglichen Plan zur Beendigung des von Russland begonnenen Krieges beteiligt werden müssten. „Ein solcher Plan kann nur beschlossen werden, wenn die Europäer mit am Tisch sitzen“, sagte Macron bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj.
Bundeskanzler Friedrich Merz betonte die Einigkeit europäischer Partner. „Vor uns liegen jetzt wichtige Tage und Wochen für die Ukraine, in die wir eng abgestimmt miteinander gehen.“
Selenskyj: Überarbeiteter Plan sieht besser aus
Hintergrund ist ein von den USA vorgelegter 28-Punkte-Plan, der auf das Ende des nun knapp vier Jahre währenden Krieges in der Ukraine hinzielt. Dieser war jedoch von vielen Beobachtern als „russische Wunschliste“ kritisiert worden. Europäer und Ukrainer verhandelten den Plan später mit US-Vertretern nach, es blieben aber noch Punkte strittig.
Selenskyj sagte, der überarbeitete US-Plan sehe jetzt besser aus. Die Arbeit werde fortgesetzt. „Es ist ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist“, sagte er und bezeichnete das Thema der Kontrolle der Ukraine über ihre Gebiete als „das komplizierteste“ in den Diskussionen. Russland kontrolliert derzeit etwa ein Fünftel des ukrainischen Territoriums und beansprucht auch Gebiete, die es nie erobert hat.
Die Ukraine hat Gebietsabtretungen mehrfach kategorisch abgelehnt. Macron sagte, über die mögliche Aufgabe ukrainischer Regionen, die in dem US-Plan angesprochen wird, könne abschließend nur Selenskyj entscheiden.
Merz: Keine Schwächung von EU oder NATO
Macron hatte einen Teil der sogenannten Koalition der Willigen zu Video- und Telefongesprächen zusammengetrommelt. Aus dem Élysée-Palast wurde nach Berlin zu Bundeskanzler Merz und dem dort zum Besuch eingeladenen polnischen Regierungschef Donald Tusk geschaltet. Auch mit dem britischen Premier Keir Starmer sprachen Macron und Selenskyj sowie mit einer Reihe von anderen NATO- und EU-Vertretern.
Auch der amerikanische Sondergesandte Witkoff wurde in die Gespräche eingebunden. Er soll am Dienstagnachmittag in Moskau von Kremlchef Putin empfangen werden. Nach den Beratungen telefonierte Macron außerdem mit US-Präsident Donald Trump, wie die französische Regierung mitteilte.
Kanzler Merz sagte nach den Beratungen mit den Partnern der „Koalition der Willigen“, es gebe einen klaren Kurs: „Keine Entscheidung über die Ukraine und Europa ohne Ukrainer und ohne Europäer. Kein Diktatfrieden über die Köpfe der Ukraine hinweg. Keine Schwächung oder Spaltung der Europäischen Union und der NATO.“ Zu den strategischen Zielen gehöre es, alles in der Macht Stehende zu tun, um der Ukraine gegenüber dem russischen Aggressor beizustehen.
Der ukrainische Präsident bekam in Paris Rückendeckung – sowohl inhaltlich als auch bildlich.
Macron: „Es geht auch um die Sicherheit Europas“
Macron und Selenskyj betonten bei ihrer Pressekonferenz erneut die Bedeutung von Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Diese sollen sicherstellen, dass Russland einen eventuellen Waffenstillstand nicht nutzt, um weiter aufzurüsten und die Ukraine erneut zu überfallen.
Wichtig sei, dass es Fortschritte bei den Sicherheitsgarantien für sein Land und bei „einer langfristigen Grundlage für unsere Widerstandsfähigkeit“ gebe, so Selenskyj. Macron sagte, über Sicherheitsgarantien könne ohne die Europäer nicht verhandelt werden, „schließlich geht es auch um die Sicherheit Europas“.
In der EU gibt es die Sorge, dass Russland auch andere Länder überfallen könnte, die früher zum Machtbereich der zerfallenen Sowjetunion gehörten – etwa Moldau oder die baltischen Staaten. Selenskyj wurde auf der Pressekonferenz in Paris mehrmals auch auf die Korruptionsvorwürfe in seiner Regierung angesprochen. Macron sprang Selenskyj demonstrativ zur Seite:
Ist es unsere Rolle, der Ukraine Lektionen zu erteilen? Sicher nicht. Auch bei uns können solche Skandale passieren. Eine Demokratie kann das mit einer unabhängigen Justiz regeln. In Russland kann es keine Probleme mit der Korruption geben, weil es keine unabhängigen Instanzen gibt. Da liegt die wirkliche Diktatur.
Mit Informationen von Cai Rienäcker, ARD-Studio Paris









