Forschung Nano-Roboter stimulieren Stammzellen
Stand: 02.12.2025 12:27 Uhr
Es ist fast wie im Fitnessstudio: Forschende der TU München „trainieren“ Stammzellen mit Nano-Robotern und verwandeln sie so in Knochenzellen. Das könnte in Zukunft neue Zelltherapien ermöglichen.
An der Technischen Universität München (TUM) haben Forscherinnen und Forscher eine Methode entwickelt, Stammzellen durch mechanische Stimulation in Knochenzellen zu verwandeln. „Es ist fast wie im Fitnessstudio“, sagt die leitende Wissenschaftlerin, Berna Özkale Edelmann: „Wir trainieren die Zellen mindestens drei Tage lang, machen eine Art Krafttraining, und nach 21 Tagen haben wir ausdifferenzierte Knochenzellen.“
Üblicherweise starten Wissenschaftler bei Stammzellen das genetische Programm, sich in einen bestimmten Zelltyp zu entwickeln, auf biochemischem Weg. Bei der Methode an der TU München wird dagegen mechanischer Druck angewandt. Diesen Druck üben Nano-Roboter aus. Sie „massieren“ die Zellen mit der winzigen Kraft von 34 Nano-Newton. Das ist aber stark genug, um genetische Prozesse anzustoßen. Die Nano-Roboter bestehen aus einem Stäbchen aus Gold und aus Polymer-Fäden, also Kunststoff. Zusammengesetzt sind sie aus Molekülen, kleiner als ein Millionstel Meter.
Mikro-Fabrik im Gel-Kissen
Diese Nano-Roboter hat das Wissenschaftler-Team in Gel-Kissen gepackt. Jedes Kissen hat einen Durchmesser von 0,06 Millimeter. Das ist weniger als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Ebenfalls im Kissen sind zwei Stammzellen eines Typs, aus dem Knochen-, Herz- und Knorpelzellen entstehen können. Einmal pro Sekunde wird ein Laserstrahl auf das Kissen geschickt. Die Goldstäbchen erwärmen sich und leiten die Wärme an die Polymere weiter. Dadurch ziehen sich diese zusammen und drücken auf die Membran der Stammzellen.
Unter dem Mikroskop ist zu erkennen, wie die Gel-Kissen sich einmal pro Sekunde zusammenziehen und die Stammzellen „massieren“. Nach drei Wochen „passiert das Magische“, so die an der Entwicklung beteiligte chemische Ingenieurin Nergishan Iyisan: „Es entstehen Knochenzellen.“ Die Gel-Kissen als Mini-Zell-Fabriken bieten offenbar eine prinzipiell einfach anzuwendende Methode, um Stammzellen in gewünschte Gewebezellen umzuwandeln. Stammzellen können sich in verschiedene Typen vom Körperzellen verwandeln. Mit ihrer Hilfe kann man zerstörtes Gewebe nachwachsen lassen, wenn der Körper dies nicht mehr bewerkstelligt. Etwa durch Krebs geschädigtes Knochengewebe oder einen durch Infarkt abgestorbenen Herzmuskel.
Gel-Kissen können auch als Transporter dienen
Schon seit Jahren wird weltweit daran geforscht, Stammzellen zur Regeneration von Gewebe zu verwenden. Einzelne Zelltherapien werden auch schon angewendet. Mit der Methode von Berna Özkale Edelmann könnten künftig die Gel-Kissen an die betroffenen Stellen gespritzt werden, dort die Nano-Roboter gestartet und so die Stammzellen zu Knochen- oder Herzzellen ausdifferenziert werden. Die Gel-Kissen dienen dabei auch als praktikabler Transporter.
Allerdings funktioniert die Methode bisher nur im Labor und nur mit der Produktion von Knochenzellen. In den nächsten fünf Jahren will das Team auch mit Herzzellen erfolgreich sein. In etwa zwanzig Jahren könnte die Methode dann am Menschen angewendet werden.
Mit Stammzellen Diabetes Typ 1 heilen
Der Stammzellforscher Matthias Hebrok forscht sowohl an der TU München als auch am Münchner Helmholtz-Diabetes-Center daran, zerstörte Bauchspeicheldrüsen-Zellen mittels transplantierten Stammzellen zu ersetzen und so Diabetes Typ 1 zu heilen. Dabei werden die Stammzellen durch die Zugabe bestimmter Proteine dazu gebracht, das genetische Programm ablaufen zu lassen, das zur Bildung der gewünschten Zellen führt. Hier sei man schon sehr weit, so Hebrok: „Diese Zellen sind heute schon in Patienten transplantiert worden und funktionieren da auch schon.“
Dennoch hält er die neue Methode, Stammzellen mechanisch zu stimulieren, nicht für überflüssig. Seiner Meinung nach könnte die mechanische Stimulation nach einer biochemischen Stimulation erfolgen und die Stammzellen dann noch weiter dazu bringen, sich spezieller auszudifferenzieren. Das heißt, beide Methoden ergänzen sich demnach. Denn die Umwandlung von Stammzellen in gewünschte Körperzellen läuft über mehrere Entwicklungsschritte. Bei jedem dieser Schritte kann etwas schieflaufen und die Zellen bilden sich fehlerhaft aus. Beide Methoden kombiniert könnten die Fehlerraten reduzieren und zu den gewünschten Zellen führen, um geschädigtes, menschliches Gewebe zu ersetzen oder nachwachsen zu lassen.








