Stand: 01.12.2025 18:44 Uhr
Die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen waren von Harmonie geprägt: Kanzler Merz und Polens Regierungschef Tusk vereinbarten eine noch engere Zusammenarbeit. Auch beim Thema Ukraine-Krieg beschworen sie Einigkeit.
Es begann mit einer Geste: Deutschland hat 73 jahrhundertealte Urkunden an Polen zurückgegeben. Es handelt sich um wertvolle Dokumente aus der Zeit des Deutschen Ordens, die im Bestand des Geheimen Staatsarchivs waren.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer übergab die Pergamenturkunden im Zuge der 17. deutsch-polnischen Regierungskonsultationen an seine polnische Amtskollegin Marta Cienkowska. Diese Schritte seien „nicht nur symbolisch, sondern Ausdruck einer intensiven Auseinandersetzung mit der Vergangenheit“, sagte Weimer laut Mitteilung. Zudem eröffneten sie ein neues Kapitel einer gemeinsamen Erinnerungskultur.
Die Dokumente aus der Zeit zwischen 1215 und 1466 wurden den Angaben nach während der Besetzung Polens durch die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg aus einem Warschauer Archiv entnommen und nach Deutschland gebracht. Über mehrere Zwischenstationen gelangten sie in den Bestand des Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Im Zuge der Umlagerungen sei von den ursprünglich 74 Urkunden jedoch eine verloren gegangen. Zudem kehrt der steinerne Kopf einer Skulptur des Heiligen Jakobus des Älteren nach Polen zurück.
„Deutschland und Polen sind unverzichtbare Partner“
Auch die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen waren von Harmonie geprägt: Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte nach dem Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, dass man mit den Konsultationen „ein Zeichen“ setzen wolle: „Deutschland und Polen sind unverzichtbare Partner“, so Merz.
Die beiden Länder hätten eine noch engere Zusammenarbeit vereinbart. Man habe eine gemeinsame Erklärung zu Verteidigung, Verkehr und Erinnerungspolitik verabschiedet. Deutschland wünsche sich Polen als „kraftvollen Partner für ein sicheres, freies und wohlhabendes Europa“, sagte Merz und bezeichnete die Erklärung als „Fundament“ für die künftige Zusammenarbeit.
Gemeinsam für die Ukraine
Ein zentrales Thema der Gespräche waren nach Angaben Merz‘ und Tusks auch die anhaltenden Verhandlungen zur möglichen Beilegung des Ukraine-Kriegs. Beide kamen aus einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dem französischen Staatschef Emmanuel Macron, dem britischen Regierungschef Keir Starmer und anderen europäischen Partnern. Zu den strategischen Zielen gehöre es, alles in der Macht Stehende zu tun, um Kiew gegenüber dem russischen Aggressor beizustehen.
In der Ukraine stehe auch die Einigkeit Europas auf dem Spiel, sagte Merz. „Kein Blatt darf deshalb zwischen Polen und Deutsche passen. Mit Frankreich und Großbritannien, mit Italien und anderen tragen wir besondere Verantwortung dafür, dass nichts und niemand einen Keil in Europa treibt.“
Tusk fordert Tempo bei Entschädigung
Nicht ganz so harmonisch ging es beim Thema Reparationszahlungen zu. Tusk forderte die Bundesregierung auf, möglichst schnell Unterstützung für die noch lebenden Opfer der deutschen Besatzung in Polen während des Zweiten Weltkriegs zu leisten. „Beeilt euch, wenn ihr wirklich diese Geste machen wollt“, sagte Tusk. Der polnische Regierungschef verwies darauf, dass die Zahl der noch lebenden Opfer des Nazi-Terrors in seinem Land ständig zurückgehe.
Als der damalige Kanzler Olaf Scholz im Juli 2024 diese Unterstützung versprochen habe, habe es nach Angaben der Stiftung für deutsch-polnische Aussöhnung noch 60.000 lebende Opfer gegeben, mittlerweile seien es noch 50.000. „Wenn wir hier nicht bald eine eindeutige und schnelle Erklärung bekommen, erwäge ich, im kommenden Jahr die Entscheidung zu treffen, dass Polen diese Bedürfnisse aus eigenen Mitteln befriedigt.“ Mehr wolle er dazu zunächst nicht sagen.
Dauerthema Reparationen
Merz bekannte sich auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Tusk zwar zur deutschen Verantwortung für das die von Nazi-Deutschland angerichtete Leid und Zerstörung in Polen. „Die Vergangenheit hört nie auf“, sagte er. „Erinnerung und Aufarbeitung werden für uns niemals abgeschlossen sein. Deutschland steht zu seiner historischen Verantwortung.“ Der Kanzler bekräftigte aber auch die seit Jahrzehnten geltende deutsche Haltung, dass die Reparationsfrage abgeschlossen sei. „Die Frage nach Reparationen ist aus deutscher Sicht juristisch und politisch seit vielen Jahren abschließend beantwortet.“
Der Umgang mit den dramatischen Folgen der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg ist ein Dauerthema in den Beziehungen beider Länder. Weiterhin stehen polnischen Reparationsforderungen in Billionenhöhe für die damals angerichteten Schäden im Raum, die zuletzt im September von Polens Präsidenten Karol Nawrocki bei seinem Antrittsbesuch in Berlin erhoben wurden. Sowohl Merz als auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatten diese Forderungen erneut zurückgewiesen.








