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Linke im Bundestag Auf Krawall gebürstet?
Stand: 03.12.2025 13:01 Uhr
Die Linke sorgt mit provokanten Äußerungen für Aufsehen – etwa wenn Vorsitzende Schwerdtner die Junge Union als „Heiopeis“ bezeichnet. Die Union bestärkt das in ihrer Ablehnung. Doch was will die Linke damit erreichen?
Eine Analyse von Uwe Jahn, ARD-Hauptstadtstudio
Die Linke verschärft den Ton gegen die Regierungsparteien. Allen voran die Vorsitzenden. Parteichefin Ines Schwerdtner geht im Fernsehstudio des ZDF die Mitbewerber frontal an: „Jede Pflegekraft ist fleißiger als die Politiker hier im Raum.“ Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, SPD, stutzt. In der gleichen Sendung nennt Schwerdtner die jungen Abgeordneten der Union wegen ihrer Kritik am Rentenpaket „Heiopeis“, die noch nie gearbeitet hätten. Kanzleramtsminister Thorsten Frei, CDU, ruft verhalten dazwischen: „Das sind doch alles Unterstellungen.“
Trotzdem hat Schwerdtner erst einmal die Aufmerksamkeit bekommen. Vom Rednerpult im Bundestag aus hält die Parteichefin der Linken CDU/CSU und SPD vor, bei ihnen entscheide nicht, wer am meisten von der Politik betroffen sei, sondern wer am meisten zahle.
Union sieht sich in Ablehnung bestätigt
So geht das jetzt schon länger und ist noch lange nicht der Gipfel. Für den sorgt der andere Vorsitzende, Jan van Aken, mit einer Lostrommel. Angeblich als Beitrag zur Debatte um die Wehrpflicht, verlost er imaginierte Einsätze in einem Schützengraben für junge Abgeordnete der Koalitionsfraktionen: „Philipp Amthor ist auch mit dabei, sie kennen ihn alle, und wir freuen uns, dass Philipp Amthor jetzt sich erstmal Erfahrungen an der Front holen kann und dann noch mal in Ruhe darüber nachdenken sollte, ob er wirklich zustimmt, dass junge Leute zum Dienst an der Waffe gezwungen werden.“ Als ob es das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht gäbe.
Bei CDU und CSU fühlt man sich durch die teilweise populistischen Anklänge bei der Linken in seiner Ablehnung bestätigt. Unionsfraktionschef Jens Spahn, der sonst selbst gern mal rhetorisch auf den Putz haut, sagt es der Linken-Fraktion im Bundestag vom Rednerpult aus: „Wer gelegentlich sich fragt, und darüber philosophiert, warum eine Zusammenarbeit mit Ihnen nicht möglich ist, ich sagen Ihnen: genau darum.“ Die Partei habe in den vergangenen Wochen eine krude Mischung abgeliefert.
Politologe: Zurückhaltung nutzte der Linken nicht
Der Politologe Constantin Wurthmann von der Uni Mannheim vermutet, dass sowohl Linke als auch Union dabei ganz froh sind, solange sie nicht kooperieren müssen.
Seine Beobachtung: Man müsse anerkennen, dass es der Linken in den vergangenen Jahren nicht unbedingt genutzt hätte, sich rhetorisch zurückzuhalten. „Da ist es für die Linke momentan förderlich, dass sie auch Front-Personen hat, die dazu in der Lage sind, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Frau Reichinnek hatte das ja kurz vor der Bundestagswahl auch deutlich gemacht.“
Menschen erreichen, die sich abgewendet haben?
Heidi Reichinnek, die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, hat inzwischen in den sozialen Medien eine beträchtliche Reichweite entwickelt und damit vor allem junge Menschen erreicht, bei denen diese Tonlage womöglich ganz gut ankommt.
Parteichefin Schwerdtner denkt allerdings vor allem an Menschen, die sich vom politischen System abgewendet haben und nichts mehr von den Parteien erwarten. Auch für sie bietet Schwerdtner in ihrem Wahlkreis Sozialberatung an – als Signal an diese Menschen verzichtet sie wie ihre Parteikollegen auf einen Teil ihres Gehaltes. An sie richtet sie sich, wenn sie die politische Konkurrenz und den politischen Betrieb im Bundestag abgehoben nennt.
Der scharfe Ton hat Methode
Den Populismus-Vorwurf, wenn die Partei mal wieder überzieht, nimmt sie in Kauf. Aus strategischen Gründen: „Ich glaube, dass keine andere Partei im progressiven Spektrum in der Lage ist, überhaupt noch Menschen, die prekär arbeiten, zu erreichen und dass nur die Linke das tun kann und nur auf die Art und Weise, wie wir gerade sprechen. Dass wir an die Haustüren gehen, das mag für manche als Wahlkampfgang rüberkommen, aber für uns ist das eine auf Jahre angelegte Strategie, wie wir wieder Menschen erreichen wollen.“
Wovon am Ende sogar die Demokratie an sich profitieren könnte, so die Hoffnung der Vorsitzenden. Der scharfe Ton, den die Linken seit geraumer Zeit anschlagen, er hat also Methode. Man darf gespannt sein, ob die Methode wirkt. Ein erster Test: die Landtagswahlen im kommenden Jahr.








