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Wer bestimmt die Preise? Teure Schokolade trotz günstiger Kakaopreise
Stand: 06.12.2025 12:30 Uhr
Kurz vor Weihnachten ist Schokolade teurer geworden. Dabei ist der Kakaopreis auf dem Weltmarkt gefallen. Warum kommt das nicht bei den Kunden an? Wer bestimmt den Kakao-Preis?
Kostete der kleine Schoko-Nikolaus von Lindt im vergangenen Jahr noch 1,99 Euro, müssen aktuell 2,69 Euro für den 40-Gramm-Weihnachtsmann der Schweizer Schokomarke gezahlt werden. Die Menge bleibt gleich, aber der Preis ist innerhalb eines Jahres um 35 Prozent gestiegen. Ähnliches hat die Verbraucherzentrale Hamburg für Schoko-Nikoläuse von Milka, Ferrero und sogar bei Discount-Schokomännern festgestellt. Die Verbraucherzentrale wirft Herstellern und Händlern vor, zu tricksen.
Preis wird lange im Voraus verhandelt
Kakaomarkt-Kenner Friedel Hütz-Adams von der gemeinnützigen Organisation Südwind bringt jedoch einen wichtigen Aspekt für die Preisbildung ins Spiel: Der Preis für Kakao wird an der Börse verhandelt und von den Schokoladenproduzenten teilweise schon bis zu zwei Jahre im Voraus abgesichert. „Das heißt aber dann auch für die Unternehmen, die Kakao verarbeiten, die ganzen Weihnachtsmänner sind zum Teil aus Schokolade gemacht worden, die zu einem viel höheren Preis eingekauft wurde.“
Produzenten und Händler, die zu Jahresbeginn gekauft haben, zahlten damals deutlich mehr. Der Kakaopreis war im Januar doppelt so hoch wie jetzt. Was erklären würde, warum sich der gefallene Kakao-Preis aktuell nicht auf die Schokoweihnachtsmänner im Laden auswirkt.
Geben Schokoladenhersteller die günstigeren Preise nicht weiter?
So argumentiert auch Einzelhandels-Riese Edeka auf Nachfrage der ARD-Finanzredaktion. Gerade für saisonale Produkte wie Weihnachtschokolade seien die Vorlaufzeiten lang. Die Produktion starte bereits im Sommer. „Preise und Rohstoffverträge werden meist schon im ersten Quartal eines Jahres zu den dann gültigen Konditionen festgelegt“, so ein Sprecher der Handelskette gegenüber tagesschau.de.
Man sei immer bemüht, den Kunden die Einkaufsvorteile so schnell wie möglich weiterzugeben, heißt es weiter. Aufgrund des intensiven Wettbewerbs seien die Margen des Lebensmittelhandels mit ein bis drei Prozent extrem gering.
„Ganz im Gegensatz zu vielen Industriekonzernen mit Gewinnmargen von bis zu 30 Prozent“, so Edeka mit Blick auf die großen Schokoladenhersteller. „Leider“ weigerten sich viele dieser Konzerne, sinkende Rohstoffkosten zeitnah an den Handel und damit die Verbraucher weiterzugeben.
Hersteller verweisen auf Energie, Verpackung und Transport
Dieses Phänomen beobachtet auch Kakao-Lieferketten-Experte Hütz-Adams. Er wirft insbesondere den großen Herstellern wie Mars, Mondelez oder Nestlé vor, die Preisspitzen auszunutzen, um überproportional draufzuschlagen – und dabei höhere Margen zu kassieren.
Auf Nachfrage der ARD-Finanzredaktion verwies eine Sprecherin des Milka-Mutterkonzerns Mondelez neben dem Kakao-Preis, der weiter auf hohem Niveau sei, auf andere hohe Kosten – wie Energie, Verpackung und Transport. „Das bedeutet, dass die Herstellung unserer Produkte viel teurer ist.“
Wertschöpfungskette Kakao
Bevor die fertige Schokolade in den Handel kommt, sind noch viele weitere Schritte und Zwischenstufen nötig. Experte Hütz-Adams hat die Wertschöpfungskette von Kakao genau untersucht. „Der Vielzahl unorganisierter Bäuerinnen und Bauern steht eine sinkende Zahl von Unternehmen gegenüber, die Kakao kaufen und vermahlen,“ schreibt er in einer Studie von 2015.
Darin kritisiert er eine Machtkonzentration der Unternehmen, die die Lage der Bauern schwäche. Die Umsätze und Profite teilten sich einige wenige große Konzerne, so der auch heute noch aktuelle Vorwurf der NGO Südwind.
Preis entsteht an den Terminmarktbörsen
Hier kommt nun die Börse ins Spiel. Denn der Preis für Rohstoffe entsteht an den großen Terminmarktbörsen in New York und London. Aus Expertensicht ist das ein Vorteil für die Preisbildung, da die Börse transparent ist und durch Angebot und Nachfrage zu den fairsten Preisen führt. Viele Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer wollen hier mitverdienen, sagt Rohstoff-Experte Thomas Benedix von der Union Investment.
„Terminmärkte helfen aber auch, Produzenten und Verbraucher leichter zusammen zu bringen, die sonst nicht direkt miteinander handeln würden.“ Ein weiterer Vorteil von Terminmärkten sei, dass dort Investoren leichter zum Zug kommen können, die dafür sorgten, dass die Liquidität des Handels größer werde. Das habe eine positive Auswirkung auf die Preisbildung.
Unter diesen Investoren gibt es auch solche, die auf steigende oder fallende Preise setzen. Damit gehen sie eine Wette, aber auch ein Risiko ein. Gleichzeitig können sich Unternehmen und Hersteller dadurch ihre zukünftigen Preise absichern lassen.
„Am Terminmarkt findet ein Risikotransfer statt“, so Rohstoffmarkt-Experte Thomas Benedix. „In dem Fall übernehmen Investoren das Preisrisiko von den Produzenten und Konsumenten. Letztendlich garantieren die Investoren den anderen Marktteilnehmern einen Fix-Preis für seine Ware in der Zukunft.“
Investoren sichern Preise in der Zukunft ab
Die Investoren, die oft als Spekulanten bezeichnet werden, sind nach Ansicht von Thomas Benedix eine Art Frühwarnsystem. Denn sie bringen neue Informationen in den Markt – etwa über Wetterstatistiken oder andere relevante Nachrichten – und haben damit einen Wissensvorsprung, „wenn andere Marktteilnehmer vielleicht noch gar nicht wissen, was Angebot und Nachfrage vielleicht machen“.
Im Kern sind es also nicht die Börsengeschäfte, die den Kakaopreis nach oben oder unten treiben, sondern reale Ereignisse, wie das Wetter, die Erntemenge und die vorhandenen Lagerbestände. Fällt die erwartete Ernte geringer aus, steigen die Preise. Wie auf jedem Markt bestimmen auch beim Kakao immer Angebot und Nachfrage den Preis.
Preis der Schokolade hängt immer weniger vom Kakao ab
Was noch dazu kommt: „Der Kakao-Preis spielt für die Schokoladenproduzenten teilweise eine nicht so große Rolle“, sagt Hütz-Adams von der gemeinnützigen Organisation Südwind. Der Kakao mache nur einen Teil der Kostenstruktur aus. In einer Tafel Vollmilchschokolade beispielsweise muss der Anteil Rohkakao 30 Prozent sein, das regelt eine EU-Verordnung.
Doch würden immer mehr Hersteller Sorten mit günstigeren Inhaltsstoffen vermarkten, bei denen der Schokoladenanteil kontinuierlich schwindet. Auf lange Sicht könnte sich dieser Trend fortsetzen, befürchten Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer – auch um den schwankenden Rohstoffpreisen zu entgehen.








