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Trotz Sanktionen Wie russisches Birkenholz in die EU gelangt
Stand: 07.12.2025 05:03 Uhr
Trotz internationaler Sanktionen gelangt weiterhin russisches Birkenholz im großen Stil auf den europäischen Markt – über Umwege über China. Das zeigen SWR-Recherchen. Eine Spur führt zu einem deutsch-schweizerischen Spielzeugproduzenten.
Von Alexander Bühler, Nick Schader, SWR
Russlands Birkenwälder gelten als die größten der Welt. Das dort gewonnene Holz ist ein zentraler Rohstoff für die internationale Bau- und Möbelindustrie und liefert so dem russischen Staat Milliarden-Einnahmen. Von den Holzgeschäften profitiert vor allem der Oligarch Alexei Mordaschow, der das größte russische Holzunternehmen lenkt und zudem ein enger Vertrauter von Wladimir Putin ist.
Nach Beginn des Ukraine-Krieges wurden Mordaschow und russisches Holz mit Sanktionen belegt, um das Material vom europäischen Markt fernzuhalten. Recherchen des SWR zeigen jedoch, dass der Handel über China fortgesetzt wird. Handelsdaten belegen: Mit Kriegsbeginn sind die Holzimporte aus China, insbesondere nach Polen, massiv angestiegen.
Interne Unterlagen eines russischen Holzkonzerns offenbaren zudem, wie Holz in China umdeklariert wird, um anschließend ungehindert in die EU zu gelangen.
Polnischer Holzproduzent: Illegale Konkurrenz
In Polen warnen Branchenvertreter vor den Folgen. „Diese illegalen Holztransporte bedrohen die europäische Holzwirtschaft in ihrer Existenz“, so Marek Janke, Geschäftsführer des Unternehmens „Paged“, einem der größten Sperrholzproduzenten Europas. Die Praxis verstoße gegen EU-Sanktionen und die europäische Holzhandelsverordnung EUTR.
Der Holzexperte Jaroslaw Michniuk, der die illegalen Lieferketten mit aufgedeckt hat, bestätigt: „China wurde zum Hauptexporteur für Birken-Sperrholz. Doch der Rohstoff bleibt russisch – und ist damit illegal.“
Auch auf internationalen Fachmessen wird russisches Holz offen angeboten. Zusammen mit der Umweltorganisation Earthsight konnte der SWR mit versteckter Kamera dokumentieren, wie Händler Sperrholz mit „russian quality“ bewerben. Unter Händlern gilt das als Synonym für Holz aus Russland.
Handel mit russischem Holz
SWR-Reporter gaben sich auf internationalen Handelsplattformen als Händler aus und stießen auf zahlreiche Angebote für russisches Sperrholz. Dabei fiel auch die chinesische Tochterfirma eines deutsch-schweizerischen Spielzeugherstellers auf – das Unternehmen „Hape International“ im chinesischen Ningbo.
Laut vorliegenden Handelsdaten hat das Unternehmen in den letzten beiden Jahren mehrere tausend Tonnen russisches Holz nach China importiert. Das gleiche Unternehmen bot große Mengen dieses Holzes auf Handelsplattformen zum Verkauf an. Per Mail wurde die russische Herkunft bestätigt, zudem wurden Informationen zu den russischen Lieferanten übersandt.
Der Geschäftsführer von „Hape“ in Deutschland teilte auf Anfrage des Weltspiegel mit: „Für rechtlich selbstständige Schwesterunternehmen […] kann ich keine Stellungnahmen abgeben. Diese Unternehmen agieren unabhängig mit eigenen Einkaufs-, Vertriebs- und Compliance-Strukturen.“ Anfragen an den chinesischen Ableger blieben unbeantwortet. Einen Tag nach der Anfrage wurden sämtliche Verkaufsangebote von „Hape International“ für russisches Holz gelöscht.
Gegenüber dem SWR erklärt Tara Ganesh, Rechercheleiterin Holz bei der Umweltorganisation Earthsight, dass auch sie bei ihren grundlegenden Recherchen immer wieder auf geschmuggeltes russisches Holz gestoßen sei. „Eine Firma hat uns ganz offen ihre Lagerhäuser mit falsch-deklariertem, russischen Sperrholz gezeigt“, erklärt sie. Insgesamt sei der Schaden immens, sagt sie: „Jährlich gelangt sanktioniertes Holz im Wert von rund einer Milliarde Euro in die EU.“
EU-Abgeordnete fordern strenge Kontrollen
Die Abgeordnete Isabel Wiseler-Lima aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei kämpft seit Jahren für harte Russland-Sanktionen im Europa-Parlament. „Wir müssen einfach zusehen, dass sie eingehalten werden.“ Das sei mitunter schwierig, gesteht sie ein. „Wir wissen, dass oft versucht wird, sie zu umgehen und es auch immer wieder gelingt. Aber wir müssen eben so viele Maßnahmen wie möglich ergreifen, damit das nicht geschieht.“
Auch der grüne EU-Politiker Sven Giegold fordert, dass Sanktionen besser durchgesetzt werden müssten. Allerdings könne jede Veränderung nur einstimmig im Rat der Mitgliedsländer beschlossen werden. „Das erschwert z.B. gezielt gegen Firmen oder Einzelpersonen vorzugehen, die bei der Umgehung von Sanktionen aufgefallen sind.“
Polen stoppt russische Importe
Das Beispiel Polen zeigt, dass Gegenmaßnahmen wirken können. Durch gezielte Schulungen für Zollbeamte, unter anderem durch Mitarbeitende von „Paged“, konnten russische Lieferungen an der Grenze identifiziert und gestoppt werden. Seitdem seien die illegalen Importe aus China drastisch eingebrochen.
„Dieses Erfolgsmodell muss in ganz Europa Schule machen“, fordert Jaroslaw Michniuk, Vorstandsmitglied des Holzverbandes „European Panel Federation“. „Nur mit gemeinsamer Kontrolle und konsequenter Durchsetzung lassen sich illegale russische Geschäfte stoppen.“
Neue Tür nach Europa
Doch die Importe in die EU gehen offensichtlich weiter. Mit dem Einbruch chinesischer Lieferungen nach Polen haben sich die Importmengen über Spanien und Portugal seit Kriegsbeginn vervielfacht. Das zeigen Zolldaten, die dem SWR vorliegen.
Die EU-Abgeordnete Wiseler-Lima ist empört von den mangelnden Kontrollen in vielen EU-Staaten, von denen Russland profitiert: „Es kann nicht sein, dass wir Russland weiterhin Geld geben. Geld, das alles in diese Armee und in diesen Krieg in der Ukraine fließt.“









