Schweres Erbe „Geisterhäuser“ Was mit leer stehenden Gebäuden passiert
Stand: 30.11.2025 12:44 Uhr
Leer stehende, heruntergekommene Gebäude aus der Gründerzeit oder verwahrloste Mietskasernen sind nicht nur in Großstädten ein Problem. Auch auf dem Land sind sie eine Herausforderung für Kommunen.
Imposant steht es da: das denkmalgeschützte Schloss von Mühlberg/Elbe. Und es steht leer. Risse klaffen im Mauerwerk. Vor allem an der Westseite sei es besorgniserregend, erzählt der ehrenamtliche Bürgermeister, Maximilian Schöne. Die Statik müsse geprüft werden – möglicherweise seien die Holzpfähle, die die Anlage tragen, morsch.
Das Schloss blickt auf eine mehr als 750 Jahre Geschichte voller Umschwünge und wechselnder Schlossherren zurück. Zuletzt, 2018, kauften mexikanische Immobilienunternehmer die Anlage. Apartments sollten entstehen, Gastronomie für Touristen. Doch nun stocken die Pläne.
Das Schloss ist inzwischen gesperrt: Es besteht Einsturzgefahr. Bürgermeister Schöne setzt darauf, dass ein Gutachten zur Statik schnell kommt. Und dann will er die Mexikaner unterstützen, wo er kann, damit das Schloss Besucher in die Stadt lockt. Aus eigenen kommunalen Mitteln würde man eine Sanierung nicht stemmen können.
Leerstand, Demografie und Denkmalschutz
Das Schloss ist nicht die einzige historische Anlage in der Stadt, und auch nicht die einzige Immobilie, die in Mühlberg/Elbe leersteht. „Wer durch Mühlberg geht, könnte meinen, es gibt 60 Prozent Leerstand oder 50 Prozent“, erzählt Claudia Sieber, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Liebenwerda, zu der Mühlberg/Elbe gehört.
Weniger als 4.000 Einwohner zählt die Stadt heute noch. Nach der Wende waren es etwa 6.000. Viele junge Leute seien damals weggezogen. Anfang der 2000er habe dann noch eine Möbelfabrik geschlossen, vor ein paar Jahren die Zuckerfabrik im Stadtteil Brottewitz. Außerdem sei die Sterbequote in Mühlberg inzwischen höher als die der Geburten.
Der Leerstand betreffe aber vor allem die historische Altstadt; der Denkmalschutz sei hier eine zusätzliche Herausforderung. Das wollen Maximilian Schöne und Claudia Sieber ändern, Kompromisse mit den Denkmalschutzbehörden finden: „So, dass eben nicht die schwere Eichentür eingebaut werden muss, wenn man saniert, sondern dass die Optik beibehalten wird, aber dass es von den Baumaterialien vielleicht etwas günstiger wird“, sagt Sieber. Außerdem wolle man Investoren aus der Region gewinnen. Im Bereich Gastronomie sei das schon einmal gelungen. Und auch eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft aus der Verbandsgemeinde habe sich bereit erklärt, in Instandsetzung von Wohnraum zu investieren.
„Geisterhäuser“ durch strukturelle Umbrüche
Nicht nur im brandenburgischen Mühlberg haben sie mit Leerstand zu tun. „Geisterhäuser“ oder „Schrottimmobilien“ sind ein deutschlandweites Phänomen, zu finden vor allem dort, wo es zu „besonderen Strukturbrüchen“ und „Schrumpfungsphasen“ gekommen ist. Das hebt Mathias Metzmacher, Referatsleiter im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, hervor, und er nennt neben den „neuen Ländern“ das Ruhrgebiet als Beispiel oder Bremerhaven. Metzmacher gibt den „Leitfaden zum Umgang mit Problemimmobilien“ heraus.
Wie viele sogenannte Problemimmobilien es in Deutschland gibt, dazu würden keine Zahlen erhoben, so Metzmacher. Unklar ist danach auch, wie groß der volkswirtschaftliche Schaden ist. Denn das Phänomen sei extrem vielfältig: Es könne die leer stehende Fabrik sein oder das „winzig kleine Fachwerkhäuschen in irgendeiner Altstadt“. Auch das Gründerzeithaus genauso wie „die leer stehende 70er-Jahre Waschbetonplatte in Westdeutschland in Delmenhorst“ – oder das Schloss „sonst wo im ländlichen Raum“.
Für die Kommunen sei der Problemdruck deshalb unterschiedlich groß. Sie kämpfen gegen ein negatives „städtebauliches Erscheinungsbild“, wie es im Leitfaden heißt. Und sie kämpfen gegen soziale Folgen: Leerstand, aber auch Überbelegung, wenn etwa „kriminell agierende Vermieter oder Eigentümer“ „Schrottimmobilien“ an Familien aus Bulgarien oder Rumänien „matratzenweise“ vermieten.
Keine Erben, die übernehmen
Manchmal verwahrlost eine Immobilie auch einfach, weil die Erben fehlen. Oder aber es gibt Erben, doch die schlagen das Erbe aus, weil sie nicht wissen, in welchem Zustand die Immobilie ist – marode etwa oder überschuldet. Dann muss das Land einspringen, in Brandenburg zum Beispiel in Person von Sven Handreka. Seit fast 25 Jahren ist er im Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen, kurz BLB, zuständig für solche Fälle. Früher habe es lange nicht so viele solcher Erbschaften gegeben wie jetzt, sagt Handreka, „alle Länder stöhnen.“
Handreka muss versuchen, die „Fiskalerbschaft“, also die Immobilie, die das Land „geerbt“ hat, schnellstmöglich zu verkaufen. Allerdings: Bis es so weit kommt – bis das Land als Erbe festgestellt ist – seien solche Erbfälle oft jahrelang ungeklärt, sagt Handreka. Jahrelang sei niemand zuständig, die Immobilie stehe leer, verwahrlose, Vandalismus tue ein Übriges. „Man kann sie dann auch als ‚Schrottimmobilien‘ bezeichnen.“ Die meisten „Fiskalerbe“-Fälle habe man in Brandenburg in südlichen Kreisen, Oberspreewald-Lausitz etwa oder Elbe-Elster, wo auch Mühlberg/Elbe liegt.
Schloss steht wieder zum Verkauf
Auch beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung haben sie früher von „Schrottimmobilien“ gesprochen. Das hat sich inzwischen geändert. Denn „viele dieser Immobilien lassen sich ja wieder nutzen und in einen guten Zustand überführen, erzählt Mathias Metzmacher. Im „Leitfaden für den Umgang mit Problemimmobilien“ sind etliche solcher Fälle aufgeführt – aus Ost- wie Westdeutschland.
Auch Claudia Sieber und Maximilian Schöne wollen die historische Altstadt von Mühlberg/Elbe wiederbeleben. Sie hoffen auf Tourismus und auf Zuzug – und dafür auf eine noch stärkere finanzielle Unterstützung durch die Städtebauförderung von Bund und Ländern.
Das Schloss aber steht neuerdings im Internet wieder zum Verkauf. Offensichtlich will sich der mexikanische Eigentümer einen Ausweg offenhalten, wenn die Sanierung für ihn zu teuer würde. Die Stadt muss dann sehen, wie es mit dieser Immobilie weitergeht.









