analyse
BSW-Parteitag in Magdeburg Wagenknecht – mächtig, aber nicht mehr allmächtig
Stand: 07.12.2025 18:05 Uhr
Sahra Wagenknecht ist auf dem BSW-Parteitag in Magdeburg noch immer ein Magnet für ihre Anhänger. Aber die Parteigründerin muss auch Widerworte ertragen. Wohin steuert das BSW?
Als Sahra Wagenknecht am Samstagnachmittag die Bühne in Magdeburg betritt, wird sie empfangen wie ein Popstar. Minutenlange Standing Ovations der rund 660 Delegierten in der Halle, bis sie lachend sagt, sie müsse jetzt wirklich mal anfangen.
Ihre Rede ist der Höhepunkt des zweitägigen Parteitages, denn Wagenknecht weiß, wie sie ihre Anhänger mitreißt. Es ist mucksmäuschenstill in der Halle, wenn sie spricht. Es gibt tosenden Applaus, wenn sie zum Punkt kommt.
Sie holt aus zu einem Rundumschlag gegen die EU, große Tech-Konzerne, die Rüstungsindustrie, ihre alte Partei Die Linke. Aber ihr Lieblingsziel sind Friedrich Merz und die schwarz-rote Bundesregierung. Deutschland sei gestraft mit einem „Kanzler Gernegroß, der es nicht kann“. Weltpolitik werde deswegen nun ohne Deutschland gemacht.
Auch die Neuauszählung der Bundestagswahlergebnisse ist Thema. Erst am Donnerstag hatte der Wahlprüfungsausschuss in Berlin gegen eine Neuauszählung entschieden.
Wagenknecht ruft von der Bühne, die Bürger hätten diese Regierung nicht verdient, sie hätten sie wahrscheinlich gar nicht gewählt, „wenn endlich mal korrekt gezählt würde“. Das BSW werde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klagen.
Wagenknecht sieht BSW nicht in Regierungen
Sie räumt aber auch Fehler einer jungen Partei ein, beispielsweise bei der rigiden Mitgliederaufnahme. Ihre Anhänger schwört sie auf Opposition ein, Widerstand sei dafür wichtig, in einer Regierung sieht sie das BSW erst mal nicht. Wie eine Partei, die nicht regieren will, Stimmen sammeln soll, lässt sie offen.
Nach fast einer Stunde verabschiedet sie sich, aber es ist kein Abschied von der Partei. Ihr letzter Satz: „Auch mit mir in der Politik werden sie noch rechnen müssen.“
Konflikt mit Ostverbänden nicht beigelegt
Würde man nur diesen Teil des BSW-Parteitages betrachten, dann würde man eine Partei sehen, die geschlossen hinter ihrer alles überstrahlenden Gründerin steht. Aber Magdeburg erzählt auch andere Geschichten, zum Beispiel die der Landesverbände Brandenburg und Thüringen.
Beide Ostverbände sind auf mehr oder minder deutliche Distanz zur Parteispitze gegangen. In Magdeburg trägt der Landesverband Thüringen das auf die große Bühne, hier kriselt es seit Monaten. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob man sich in der Realpolitik eines Landtages auch von der reinen BSW-Lehre entfernen kann.
Der Landesverband mit der stellvertretenden Ministerpräsidentin Katja Wolf gilt als pragmatisch und sieht sich als einzige Chance vor Ort gegen den AfD-Extremisten Björn Höcke. Wagenknecht hingegen betont immer wieder, dass man nicht anders regieren könne, als es das Parteiprogramm vorgibt, für das man schließlich gewählt wurde.
Eine emotionale Rede dazu hält der Thüringer Digital- und Infrastrukturminister Steffen Schütz. Er bewirbt sich als stellvertretender Parteivorsitzender – und zwar nur, weil er dann Redezeit bekommt, die man ihm seiner Meinung nach ohne die Kandidatur nicht zugestanden hätte.
Am Ende seiner Rede zieht er seine Kandidatur zurück. Was er anbiete, sei ein Friedenssignal, weil der Streit zwischen dem Landesverband und dem Bund die Arbeit behindern würde. Er argumentiert: Eine gemeinsame Linie müsse man gemeinsam entwickeln.
Weiterhin kein Grundsatzprogramm
Damit spielt Schütz darauf an, dass das BSW bisher kein Grundsatzprogramm hat. Wagenknecht wird künftig eine eigens für sie geschaffene Grundwertekommission leiten, um dieses zu entwickeln, auch das ist ein Ergebnis dieses Parteitages. Schütz bietet seine Mitarbeit an.
Auch Mitglieder des Landesverbandes Brandenburg werden immer wieder damit konfrontiert, dass im Landtag gegen BSW-Parteiline entschieden wurde. Im letzten Monat hatten wegen innerparteilicher Auseinandersetzungen vier Brandenburger Abgeordnete das BSW verlassen, nicht aber die Fraktion. Einer ist kurz darauf wieder eingetreten.
Personalwechsel an der Spitze
Auch das neue Personaltableau wird gewählt, man will sich aufstellen für das herausfordernde Jahr 2026 mit fünf Landtags- und drei Kommunalwahlen. Zum neuen Generalsekretär wird ein Mann gewählt, den viele aus einem ganz anderen Kontext kennen: Oliver Ruhnert war bis vor kurzem Chef-Scout beim Erstligisten FC Union Berlin.
Amira Mohamed Ali wird als Co-Parteivorsitzende im Amt bestätigt, an die Stelle von Sahra Wagenknecht tritt Fabio De Masi. Er hat lange Die Linke geprägt und sitzt nun für das BSW im Europaparlament.
Am Sonntag hält auch De Masi eine umjubelte Rede, in der er den Fokus auf eine Aussöhnung mit Russland legt, „ohne das Morden und Brandschatzen zu rechtfertigen“, wie er betont. Aber man könne Russland signalisieren, dass Deutschland bereit sei, wieder russisches Gas zu beziehen, wenn man das einbette in einen Frieden für die Ukraine.
Außerdem spricht er über bessere Zukunftsaussichten für hart arbeitende Menschen und ein neues „Aufstiegsversprechen“. Von Deutschland zeichnet er ein düsteres Bild, vergleicht es immer wieder mit der Dystopie des Romans „1984“ von George Orwell.
Wagenknecht gibt weiter Richtung vor
Neben dem Spitzenpersonal werden auch neue stellvertretende Parteivorsitzende gewählt. Es ist eine von vielen Situationen in Magdeburg, anhand derer deutlich wird: Auch wenn Wagenknecht nicht mehr Parteichefin ist, sie gibt die Richtung vor.
Die sieben Vizes gelten allesamt als enge Vertraute der Gründerin, nur Friederike Benda kommt aus Ostdeutschland. Der einzige Kandidat aus einer anderen Ecke, Dirk Hoffmeister aus Thüringen, wird mit knapp 13 Prozent nicht gewählt.
Da macht es fast keinen Unterschied, dass das BSW künftig den Namen seiner Gründerin nicht mehr im Titel tragen wird. Der Parteitag hat beschlossen: Ab Oktober 2026 steht das Kürzel BSW für „Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“. Auf Sahras Wunsch hin.








