Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung Staat soll „vom Bremsklotz zum Ermöglicher“ werden
Stand: 04.12.2025 21:40 Uhr
Ein Auto online abmelden, den neuen Perso oder Kindergeld beantragen: In vielen Kommunen sind digitale Behördengänge schon möglich. Die Beteiligten sehen die Projekte als Teil einer Gesamtstrategie.
„Nahezu alle gängigen Zulassungsvorgänge können online beantragt werden“, sagt Heidrun Steinwartz, Leiterin Amt für Ordnung und Straßenverkehr des Kreises Viersen in Nordrhein-Westfalen. „Für eine Abmeldung des Autos fügt man ein paar Daten ein, zahlt online und hat mit dem Herunterladen des Abmeldebescheids das Fahrzeug abgemeldet.“
Mit der internetbasierten Fahrzeugzulassung (i-Kfz) können Bürgerinnen und Bürger im Kreis Viersen ihr Fahrzeug online um-, an- oder eben abmelden. Das spart Zeit und oft auch Geld. Beispiel: Eine Abmeldung kostet online im Kreis Viersen nur 2,70 Euro.
In der Zulassungsstelle zahlt man dafür 16,80 Euro. Im Oktober erfolgte etwa jede vierte Abmeldung im Kreis online. Bei einer Zulassung ist der Vorgang etwas umständlicher und wird folglich deutlich weniger genutzt. „Wir als Zulassungsstelle kommen gut mit dem System zurecht. Problematisch ist tatsächlich eher die mangelnde Verbreitung in der Bevölkerung und das etwas sperrige, aber leider notwendige System der Authentifizierung.“
Alles digital: Elterngeld, Wohnsitz, Mängelmelder
Auch andere Kreise und Kommunen nutzen in Deutschland die internetbasierte Fahrzeugzulassung. Das „Dashboard Digitale Verwaltung“ des Bundesdigitalministeriums zeigt, wie viele und welche Verwaltungsleistungen verfügbar sind. Die Stadt Augsburg bietet beispielsweise bereits heute viele digitale Behördengänge an und liegt damit bundesweit laut Dashboard auf Platz eins.
Egal ob Führerschein, Personalausweis oder Kindergeld beantragen: Kölner können ihren Wohnsitz einfach und sicher online an- oder ummelden. Die Stadtverwaltung Köln hat hierfür den Online-Dienst „Elektronische Wohnsitzanmeldung“ geschaffen.
Die Stadt Bonn hat ihren digitalen Mängelmelder neu aufgelegt. Unter anliegen.bonn.de können Bürgerinnen und Bürger seit September 2025 Schäden im öffentlichen Raum melden, auch mobil, intuitiv und KI‑unterstützt. Nettetal im Kreis Viersen hat entschieden, KI in eigener Hand zu entwickeln: Ein Open Source-basiertes KI-Portal läuft auf eigener Hardware, verknüpft interne Dokumente und liefert fachlich relevante Antworten, datenschutzkonform und unabhängig von Lizenzmodellen.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sagt, der Staat müsse „vom Bremsklotz zum Ermöglicher“ werden. Es brauche dafür einen echten Mentalitätswechsel. „Wir müssen wesentliche Schritte beim Bürokratieabbau gehen, etwa mit dem Ziel, einen erheblichen Teil der Berichtspflichten für Wirtschaft und Verwaltung abzuschaffen“, sagt er.
Die Verwaltung müsse dort effektiv sein, wo sie gebraucht werde. Er will sich in Berlin einsetzen bei der Ministerpräsidentenkonferenz „für schnellere Genehmigungen, weniger Berichtspflichten und eine digitalere Verwaltung.“
Zu viel Bürokratie in Deutschland
Julia Jäkel ist Mitgründerin der Initiative für einen handlungsfähigen Staat. Die Medienmanagerin kritisiert zu viel Bürokratie und unklare Zuständigkeiten in Deutschland. Sie sieht Handlungsbedarf in den Verwaltungen: „Unsere politischen Strukturen wurden über Dekaden nicht reformiert. Da müssen wir jetzt ran, wenn der Staat wieder als attraktiv und handlungsfähig wahrgenommen werden soll“, sagt sie.
„Das Beispiel schlankere Bürokratie: Da kommst du wirklich nur voran, wenn du dich dem Thema ganzheitlich widmest. Und die Frage stellst: Sind Gesetze praxisorientiert und digital gedacht?“ Verwaltungsprozesse sollen von Anfang an digital entwickelt und vom Nutzer her geplant werden.
Um die Umsetzung von Reformen in der Verwaltung möglichst zügig anzuschieben, empfiehlt die Initiative um Julia Jäkel die Einrichtung von Modellkommunen und Modellregionen, in denen Vorschläge für die Modernisierung der Verwaltung als Ganzes erprobt werden sollen.
Immer mehr E-Akten in Behörden
„Die Modernisierung der Verwaltung erfolgt nicht nur über einzelne Projekte, sondern ist Teil einer Gesamtstrategie“, ergänzt Landrat Bennet Gielen aus dem Kreis Viersen. Dort wird die digitale Verwaltung bereits im Alltag gelebt. „Dazu gehören Online-Anträge, digitale Terminvereinbarung und Online-Bezahlsysteme.“
Der Kreis Viersen stellt fortlaufend auf die E-Akte und digitale Vorgangsbearbeitung um. „Ein Beispiel ist unsere Ausländerbehörde mit elektronischer Aktenführung, digitalem Posteingang und integrierten Online-Anträgen. So können wir Anträge schneller, nachvollziehbarer und rechtssicher bearbeiten“, sagt Gielen.
Bund soll Standards vorgeben
Aktuell am stärksten würde der Kreis ausgebremst durch eine Kombination aus komplexem Recht und fehlenden einheitlichen IT-Standards. Mit Blick auf die Bundespolitik formuliert Gielen einen Wunsch: „Benötigt wird ein klarer und langfristiger Rahmen für die Verwaltungsdigitalisierung: Rechtlich, fachlich und finanziell. Bund und Länder sollten verpflichtende Standards und Schnittstellen vorgeben.“









