Stand: 13.11.2025 15:12 Uhr
Zehntausende Aktionäre von Wirecard haben jahrelang gehofft, ihr Geld im Insolvenzverfahren zurückzubekommen. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs stehen die Chancen dafür nun aber schlecht.
Von Egzona Hyseni, ARD-Rechtsredaktion
Der Zahlungsdienstleister Wirecard war ein Star an der deutschen Börse. Doch 2020 flog auf: Fast zwei Milliarden Euro in den Bilanzen waren erfunden. Das Unternehmen ging pleite, zehntausende Aktionäre verloren ihr Geld. Einer davon ist Wolfgang Zwick aus Herrenberg in Baden-Württemberg. Er hatte 60.000 Euro in Wirecard-Aktien investiert. Nach dem heutigen Urteil wird er sein Geld wohl nicht mehr wiedersehen.
„Das Geld war als Altersvorsorge gedacht“, erzählt Zwick. Seine Eltern seien in den 1990er-Jahren pflegebedürftig geworden. Damals seien 10.000 D-Mark pro Monat für die Pflege fällig geworden. Deshalb seien kleine Grundstücke verkauft worden. „Dem wollten wir entgehen. Es ist kein Spielgeld für uns gewesen nur aus Zockerei, um schnell Geld zu machen. Das war es absolut nicht“, so der Aktionär.
Nicht genügend Geld übrig
Er will Schadensersatz von Wirecard. Und sah seine Chance im Insolvenzverfahren. Denn im Insolvenzverfahren wird das übrig gebliebene Geld nach bestimmten Quoten verteilt.
Das Problem: Es gibt nach der Pleite von Wirecard nicht genügend Geld für alle, die Geld wollen. Insgesamt 650 Millionen Euro sind derzeit in der Insolvenzmasse. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger, einschließlich der Aktionäre, betragen insgesamt 15,4 Milliarden Euro.
Feste Rangfolge im Insolvenzverfahren
Das Gesetz sieht eine feste Reihenfolge vor, wer im Insolvenzverfahren zuerst zum Zug kommt. Zuerst bekommen etwa Banken ihr Geld zurück, die Kredite an das Unternehmen vergeben haben. Erst ganz am Ende stehen die Aktionäre eines Unternehmens. Der Gedanke dahinter: Aktionäre sind Miteigentümer des Unternehmens. Deshalb profitieren sie davon, wenn das Unternehmen Erfolg hat. Aber sie tragen eben auch das Risiko, alles zu verlieren, wenn es pleite geht.
Doch im Fall von Wirecard sehen das viele Aktionäre anders. Die Fondsgesellschaft Union Investment, die viele Aktien von Wirecard hielt, hat geklagt. Sie argumentiert: Wirecard war kein Fall wie jeder andere. Denn die Aktionäre seien über die Zahlen getäuscht worden. Hätten sie die Wahrheit gewusst, hätten sie die Aktien nie gekauft.
So geht es auch Wolfgang Zwick: „Wir haben gedacht, es ist ein DAX-Konzern. Da kann nicht viel passieren. Wir haben eine Bankenaufsicht, wir haben Finanzaufsichten, wir haben Prüfungsgesellschaften, die das alles streng überwachen, so war meine Meinung damals. Wie man gesehen hat, ist es nicht unbedingt zuverlässig gewesen.“
BGH: Aktionäre müssen sich hinten anstellen
Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden: Die Aktionäre sind nachrangig zu den anderen Insolvenzgläubigern. Das heißt, sie sind erst ganz zum Schluss dran. Heinrich Schoppmeyer, Vorsitzender des 9. Zivilsenats, sagte bei der Urteilsbegründung: „Die Gesellschafter stehen, weil sie sich an der Gesellschaft beteiligt haben, den unternehmerischen Risiken näher als irgendeiner der Fremdgläubiger.“ Für die Aktionäre bedeutet das Urteil, dass sie am Ende höchstwahrscheinlich leer ausgehen werden.
(Az. IX ZR 127/24)









