analyse
Stand: 13.12.2025 21:11 Uhr
Zuerst wird CSU-Chef Söder mit seinem schlechtesten Ergebnis wiedergewählt. Dann stiehlt ihm der Bundeskanzler die Show. Auf dem Parteitag tritt die Unzufriedenheit der CSU-Basis mit ihrem Vorsitzenden zutage.
Ja, Markus Söders Ergebnis bei der Wahl zum Parteivorsitzenden wurde mit Spannung erwartet. Und ja, es wurde auch gemunkelt, dass er die fast 97 Prozent Zustimmung vom letzten Mal wohl diesmal nicht schaffen würde. Aber es war dann schon ein ganz besonderer Moment, als das bisher schlechteste Ergebnis, das Söder je erhalten hat, auf dem Parteitag verkündet wurde. Da ging ein leises Raunen durch den Saal. Da wechselten Delegierte fast erschrockene Blicke, da zögerten einige, aufzustehen und zu klatschen. So, wie man das eigentlich macht bei der CSU.
Söder hat nach der Verkündung der 83,6 Prozent, die für ihn gestimmt haben, gar nicht versucht, seine Gesichtszüge im Griff zu haben. Dass der starke Mann der CSU „not amused“ war, war offensichtlich. Unter 85 Prozent – das ist für CSU-Verhältnisse ein Misstrauensvotum mit Samthandschuhen.
Kompromisse in Berlin
Mehr als Hundert Delegierte haben Söder nicht gewählt: Die, denen die Kompromisse „dort in Berlin“ nicht gefallen, die die Union machen muss, weil sie nicht alleine regiert. Weil Söder – ja, selbst er – auf die SPD im Rentenstreit zugegangen ist. Die, die sich einen schnellen, effektiven und puren Unionskurs im Bund gewünscht haben und sich auf die Worte des Kanzlers verlassen haben, dass man schon im Sommer Veränderungen in Deutschland merken würde.
Dass das nicht geklappt hat, bestreitet bei der CSU niemand mehr. Und deshalb hörte man gestern bei der Parteitagsparty Frust und Ungeduld von manchen Delegierten.
Die CSU-Jungen sind sowieso genervt, weil sie bei der Abstimmung zum Rentenpaket für die Kanzlermehrheit klein beigeben mussten, weil von den jungen Abgeordneten im Bundestag erwartet wurde, dass sie sich zumindest enthalten, damit die schwarz-rote Koalition nicht noch weiter schlingert. Überzeugt sind die Jungen aber nicht und die geheime Wahl beim Parteitag in München war eine gute Gelegenheit, diesen Unmut auch zu zeigen.
Standing Ovations für Merz
Söder hat hier keine seiner üblichen Bierzeltreden gehalten. Er hat die Regierungsarbeit in Berlin sogar gelobt und sich auch hinter Kanzler Friedrich Merz gestellt – wenn auch nur hinter dessen Außenpolitik. Er wählte einen ernsten, fast staatstragenden Ton, schimpfte nicht über die Grünen, appellierte an die historische Verantwortung von Demokraten gegen die AfD.
Doch genau mit diesem Bierzelt-Duktus und dem „Sich-über-Andere-lustig-machen“ hat Söder früher sehr viele Anhänger gewonnen. Schenkelklopfer kommen bei der CSU immer noch sehr gut an. Stattdessen gibt sich der fränkische Rebell zahm und staatstragend. Das fanden viele „lahm“.
Als dann am Samstag der Kanzler auf dem Parteitag erscheint und eine etwa einstündige Rede hält, da applaudieren die Delegierten minutenlang mit Standing Ovations. Die bayrische Schwesterpartei feiert den Kanzler, während Söder an der Seite steht. Merz tritt als staatstragender Sanierer auf, der außenpolitisch brilliert und Söder bleibt neben ihm die Rolle als mittel-beliebter Regionalfürst. Das Kräfteverhältnis kippt zugunsten des Kanzlers.
Kritik an Söders „One-Man-Show“
Dazu kommt, dass einigen in der CSU die One-Man-Show ihres Vorsitzenden auf die Nerven geht. Alles in der CSU dreht sich um Söder. Und so soll es auch bleiben, findet Söder. Im eigenen Kabinett sucht er sich die Termine aus, die ihm am besten gefallen und übernimmt sie.
Selbst schätzt er (wohlgemerkt nach der Denkzettel-Wahl) im ARD-Bericht vom Parteitag seine Rolle so ein: „Eine CSU, wie jede starke Partei, lebt schon auch von einer Attraktivität und Ausstrahlung des Führungspersonals. Und wenn Sie zum Beispiel Veranstaltungen machen und da schicken Sie jemand hin und dann sind 20, 30 Leute da, ist das gut. Aber wenn 500 oder 1.000 kommen, ist es besser. Also wir müssen schon als die Partei, die den Führungsanspruch hat, auch maximal auftreten.“ Und „maximal auftreten“, das wird klar, kann nach Söders Meinung, er selbst am besten.
Der CSU-Parteitag war ein Tritt vors Schienbein des Markus Söder, der gezeigt hat, dass es der CSU nicht reicht, dass ihr Vorsitzender die Mütterrente, die geringere Gastrosteuer, die Pendlerpauschale und den verbilligten Agrardiesel in Berlin durchgesetzt hat. Die CSU ist eine echte Volkspartei, in der Menschen mitgenommen werden wollen. Es ist vielleicht Söders größte Schwäche, dass er für Teamarbeit nicht begabt scheint.








