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Stand: 12.12.2025 18:42 Uhr
Geldspielautomaten unterliegen in Deutschland strengen Regeln. Dennoch hat sich die organisierte Kriminalität in diesem Geschäftsfeld eingenistet und bundesweit Zehntausende illegale Spielautomaten aufgestellt – Tendenz steigend.
Die Fahnder wissen, dass ihre Ankunft vermutlich nicht unbemerkt bleiben wird, weil die Straße mit Kameras überwacht wird. Sie müssen schnell sein. Ihr Ziel: ein Nagelstudio und ein ehemaliges Restaurant. In beiden Läden soll illegal gespielt werden.
Ins Nagelstudio kommen die Beamten bei ihrem Verbundeinsatz gegen illegales Glücksspiel erst mal nicht hinein. „Wegen Umbau geschlossen“, steht auf einem Schild an der massiven Holztür. Auch das Schaufenster ist mit einer Platte gesichert. „Wir öffnen bald wieder.“ Der Schlüsseldienst muss gerufen werden.
Ein paar Häuser weiter funktioniert der Zugriff. Dort bekommen die Beamten einen Fuß in die Tür. Überraschenderweise flüchten aus der Nachbarwohnung einige Menschen. Die stand überhaupt nicht auf der Liste, ist aber durchaus ein Volltreffer.
Beide Orte gehören augenscheinlich zusammen. Die Ermittler treffen auf mehrere Vietnamesen – auf dem Boden liegen Matratzen, Crackpfeifen, dazwischen spielt ein Kind. Offensichtlich leben hier Menschen. Weiter hinten finden sie dann das, was sie eigentlich suchen: Spielautomaten.
Komplexe Zuständigkeiten der Behörden
Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) hat den Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt, Glücksspielautomaten gehören da dazu. „Wir sehen, dass die organisierte Kriminalität sich dort einnistet, wo man mit relativ wenig Aufwand Geld verdienen kann“, sagt sie.
Um die Einsätze auch für die Ordnungsämter attraktiv zu machen, sollen anstatt niedriger Bußgelder mehr Einziehungsbescheide verhängt werden, um das gesamte illegal erworbene Geld einzukassieren. Soweit die Theorie.
Die Praxis ist deutlich komplexer. Ordnungswidrigkeiten – wie zum Beispiel Alkoholausschank im Spielcasino, nicht richtig angemeldete Automaten oder wenn der Betreiber die Ausweise der Spieler nicht bei der OASIS-Datenbank zum Spielerschutz prüft – ahndet der Bezirk.
Für Straftaten ist die Polizei zuständig, für Steuervergehen das Finanzamt, illegale Beschäftigung fällt in den Bereich des Zolls. Und wenn zum Beispiel Drogen oder Waffen gefunden werden, ist die Kriminalpolizei zuständig.
Verbundeinsatz gegen organisierte Kriminalität
Mit dabei in dieser Nacht sind unter anderem Mitarbeiter verschiedener Ordnungsämter, die für Gewerbedelikte zuständige Abteilung des Landeskriminalamtes, der Zoll, das Finanzamt, Polizisten einer Hundertschaft, Staatsanwälte. Es ist einer der so genannten Verbundeinsätze, mit denen in Berlin gegen illegales Glücksspiel vorgegangen wird.
Für die Ordnungsämter bleibt in dieser Nacht nicht viel übrig, weil sich fast alles im „Straftatbereich“ abspielt. Auch das ist ein Grund, warum in der Hauptstadt einige Bezirke bei ihren Gewerbekontrollen andere Prioritäten setzen, die für sie einfacher zu messbaren Erfolgen führen. Denn die Einziehungsbescheide erfordern teils langwierige Verfahren mit ungewissem Ausgang vor Gericht.
Verantwortlich? Niemand
Doch bis es dahin kommt, braucht man erst mal die Verantwortlichen. Und das, so zeigt es sich in dieser Nacht an fast allen besuchten Orten, gestaltet sich schwierig. Die Menschen, die Polizei und Ordnungsamt antreffen, sind nur zu Besuch, wollten Freunde treffen.
Wenn in einem der Lokale jemand zugibt, dass er dort arbeitet, dann den ersten Tag oder nur als Praktikant. So ist es auch im ehemaligen Restaurant und im Nagelstudio, dessen Tür geöffnet werden konnte.
Mehrere Schlafräume sind dort abgetrennt, zum Teil mit Etagenbetten, jeder einzelne nur wenige Quadratmeter groß. Wer dort wohnt, lässt sich nicht klären. Auch hier sind alle nur „zufällig“, sagen sie.
In einem Raum mit Einzelbett befindet sich die Überwachungszentrale – dort laufen die Videoaufnahmen auf einem Monitor. Möglicherweise passt ein Drogenabhängiger auf den Laden auf. Er habe beim Reintragen geholfen und dann einen Schlüssel bekommen. Von wem weiß er nicht, sagt er. Wirklich zu verstehen ist der Mann nicht, die Sprache verwaschen, die Aussagen wirr.
Ganz hinten stehen Automaten. Die beiden jungen Vietnamesen, die dort spielen, schauen nicht mal auf. Auch diese Geräte gehen am Ende ans Landeskriminalamt.
Allein in dieser Nacht sind es insgesamt 71 Automaten, die aus Imbissen, Spielcasinos und den beiden illegalen Spielhöllen abtransportiert und vom LKA irgendwo gelagert werden müssen. Damit haben die Ermittler nicht nur ein Zuständigkeits- sondern auch ein Lagerungsproblem. Die beschlagnahmten Geräte füllen ganze Hallen.
Nur der Anfang
Dort bleiben sie bis zu zwei Jahre, sagt Andrea Feistel, die stellvertretende Dezernatsleiterin des LKA 334. Ihre Abteilung ist unter anderem für illegale Geldspielautomaten zuständig.
In vielen Fällen ist nicht klar, wer am Ende kassiert. Es gibt kriminelle Strukturen, möglicherweise werden auch Strohmänner als Geschäftsführer eingesetzt. Die Drahtzieher bleiben meist im Dunkeln.
„Weil diejenigen, die als Strohleute fungieren, ja auch aussagen müssen“, erklärt Feistel. Doch gesprächig seien die im Regelfall nicht. Und um wirklich tief in dieses Geflecht eindringen zu können, fehlt an vielen Stellen das Personal.
Allein das Landeskriminalamt zieht im Jahr 500.000 Euro Automatengeld ein – also Münzen und Scheine, die noch im Gerät sind. Ein Teil der Lokale, die in dieser Nacht besucht wurden, kannten die Fahnder schon. Sie hatten vor Monaten schon einmal die illegalen Automaten mitgenommen. Der Unterschied diesmal ist, dass die Geräte älter sind.
Die Bilanz dieser einen Nacht: mehr als 70 beschlagnahmte Automaten, Drogen- und Waffenfunde, Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz. Dazu noch diverse Ordnungswidrigkeiten. Dabei haben die Ermittler nur einen Bruchteil der Adressen auf ihrer Liste geschafft.









