Englisch ist keine Stärke des Präsidenten Lee Jae-myung aus Südkorea, aber die Sprache der Schmeichelei beherrscht er. Das zeigte Lee am Montag bei seinem ersten Treffen mit dem US-Präsidenten Donald Trump in Washington. Der Liberale Lee, 61, führt erst seit Anfang Juni die Regierungsgeschäfte in Seoul. Bevor er die Präsidentschaftswahl gewann, versuchten seine konservativen Gegner ihn als linksextremen China-Freund darzustellen. Jetzt saß Lee neben Trump im Oval Office, lächelnd, aufrecht, ein bisschen steif, und lobte seinen Gastgeber, als wolle er sich für den Vorsitz eines rechten Fanclubs bewerben.
In seiner Ansprache würdigte Lee Trumps Verdienste um die Einrichtung des Oval Office, die US-Wirtschaft und den Weltfrieden. „Ich glaube Amerika wird wieder großartig“, übersetzte ein Dolmetscher, niemand habe so viel einende Kraft wie Trump. Lee erklärte den US-Präsidenten zum Hoffnungsträger im Konflikt mit der Parteidiktatur Nordkorea: „Treffen Sie sich wieder mit dem Vorsitzenden Kim Jong-un“, sagte er, „bauen Sie vielleicht sogar ein Trump-World-Resort dort, damit ich mit Ihnen Golf spielen kann.“
Lee will möglichst wenig Streit
Das geheimnisvolle Regime Nordkoreas ist immer ein interessantes Thema, viel interessanter als die Ziele der freien Marktwirtschaft Südkorea. So ist es zumindest für jenes Massenpublikum, dem die Tiefen der Diplomatie nicht spannend genug sind. Und weil Trump selbst ein Mann der Show ist, war es sicher ein schlauer Schachzug von Lee, die Aufmerksamkeit beim Pressetermin im Weißen Haus auf Nordkorea zu lenken.
Donald Trump ist stolz darauf, dass er der erste und bisher einzige US-Präsident ist, der einen nordkoreanischen Machthaber getroffen hat. Seine drei historischen, allerdings erfolglosen Treffen 2018 und 2019 mit Kim Jong-un sind für ihn der Beweis, dass nur er das Regime in Zaum halten kann. Auch Lees Vorlage nutzte er wieder für den Hinweis, dass er mit Kim Jong-un „gut zurecht“ komme. Und dass Nordkorea sein Atomwaffenarsenal nicht weiter aufgerüstet hätte, wenn er 2021 im Amt geblieben wäre. „Ich stimme Ihnen vollkommen zu“, sagte Lee Jae-myung dazu.
Schwer zu sagen, ob Lee das wirklich glaubt. Er pflegt eine zweckorientierte Außenpolitik. Er will möglichst wenig Streit, um seine Exportnation wirtschaftlich weiterzubringen. Offiziell ist er zum Beispiel nicht mehr so kritisch gegenüber Japan, wie er das noch als Oppositionsführer war. Am Wochenende traf er sich mit Japans Premierminister Shigeru Ishiba und bekannte sich mit diesem dazu, „als Partner“ zusammenzuarbeiten.
Und mit Trump braucht Lee erst recht ein gutes Verhältnis. Unter anderem wegen Nordkorea. Seine jüngsten Versuche der Annäherung kamen in Pjöngjang nicht gut an. Kim Yo-jong, Kim Jong-uns Schwester und Propaganda-Beauftragte, nannte sie „Wahn und Wunschtraum“. Das Verhältnis zu Trump hingegen hat sie als „nicht schlecht“ bezeichnet. Trump ist für Lee die leibhaftige Chance, wieder mit Nordkorea ins Gespräch zu kommen.
Den Grund, auf dem die US-Militärbasis in Südkorea steht, würde Trump gerne den USA einverleiben
Aber das ist nicht alles: Im Juli haben sich die USA und Südkorea auf ein Handelsabkommen geeinigt: Südkoreanische Unternehmen investieren demnach 350 Milliarden Dollar in die USA, unter anderem in den kriselnden Schiffbau. Dafür fallen Zölle auf koreanische Importe von Autos und andere Waren von 25 auf 15 Prozent. Aber über die genaue Umsetzung besteht Gesprächsbedarf.
Dazu kommt die Sicherheitsfrage. Trump will mehr Geld für die 28 500 US-Soldaten, die in Südkorea stationiert sind. Beim Pressetermin im Oval Office sagte er unvermittelt, dass er den Grund, „auf dem wir eine mächtige Militärbasis haben“, gerne nicht nur pachten, sondern besitzen würde. Anschließend stellte Südkoreas Sicherheitsberater Wi Sung-lac klar, dass Südkorea nach geltender Abmachung den US-Truppen Land zur Verfügung stelle. Eine Pacht sei nicht zu zahlen, das Land könne aber auch nicht in den Besitz der USA übergehen.
Außerdem wollen die USA ihre Truppen in Südkorea künftig für internationale Einsätze nutzen dürfen, vor allem gegen China. Am Sonntag sagte Lee dazu, das sei ein „Thema, dem wir nicht so einfach zustimmen können“. Südkorea wiederum würde gerne den bilateralen Atomenergie-Vertrag überarbeiten, um wie Japan Uran für eine bessere Energieversorgung anreichern und wiederaufbereiten zu dürfen. Washington fand die Idee bisher nicht gut, weil man in einer Anreicherungsanlage auch Material für Atombomben zurückbehalten könnte.
Die Partner haben also noch viel zu tun, um ihr Verhältnis zu modernisieren, das nicht unwichtig ist für die Sicherheit in der Indo-Pazifik-Region. Eine gemeinsame Erklärung sparten sie sich. Dass Trump und Lee sich im Oval Office anlächelten, sollte Beweis genug sein für die gute Stimmung. Zumal die beiden Staatsmänner einträchtig den nächsten Hit der Spektakel-Diplomatie bewarben. „Ich freue mich darauf, Kim Jong-un zu gegebener Zeit zu treffen“, sagte Donald Trump, möglichst noch in diesem Jahr. Was Nordkoreas Machthaber davon hält, konnte in Washington allerdings zunächst niemand mit Gewissheit sagen.