Interview Julia Klöckner „Wir haben im Bundestag eine Blockbildung wie nie zuvor“
Interview | Berlin · An ihrer Amtsführung gab es zuletzt auch Kritik. Doch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) verteidigt ihr rigides Vorgehen im Bundestag. Nun soll auch die Geschäftsordnung verschärft werden. Es gehe um mehr Klarheit und Verbindlichkeit, sagt Klöckner.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) will bei ihrem Kurs im Parlament bleiben. Es gebe eine Blockbildung wie nie zuvor, so die Präsidentin.
Foto: Michael Kappeler/dpa/Michael Kappeler
Frau Präsidentin, im Bundestag sollen mit doppelten Ordnungsgeldern die Daumenschrauben gegen pöbelnde Abgeordnete angezogen werden. Warum?
Klöckner Was wir angehen, ist die größte Reform der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags seit 1980. Die dringende Notwendigkeit dazu hatte ich bereits in meiner Antrittsrede adressiert. Demokratie ist nichts Statisches – sie verändert sich in der Art wie sie gelebt und ausgeführt wird. Gleichermaßen muss die Geschäftsordnung an neue Gegebenheiten angepasst werden. Es geht um mehr Klarheit, Verbindlichkeit und Effizienz, um das Parlament, seine Arbeitsfähigkeit und die parlamentarischen Abläufe zu stärken. Dazu gehört eine respektvolle Debatte, die wir auch durch strengere Regeln im parlamentarischen Ordnungsrecht besser gewährleisten wollen.
Inwiefern hat sich das Klima im Parlament denn zum Schlechteren verändert?
Klöckner Wir haben im Bundestag eine Blockbildung wie nie zuvor – zehn Prozent der Sitze entfallen auf den linken Rand, rund 25 Prozent auf den rechten. Beide Seiten schaukeln sich hoch, die Auseinandersetzungen werden schärfer – auch, um das eigene Klientel auf Social Media zu bedienen. Immer häufiger zielt Kritik dabei nicht auf die Position, sondern die Person. All das ist auch an den Zahlen der bisherigen Ordnungsmaßnahmen abzulesen.
Wie fällt die bisherige Bilanz bei den Ordnungsrufen aus?
Klöckner In der vergangenen Wahlperiode wurden im Bundestag 135 Ordnungsrufe erteilt. In dieser Wahlperiode kommen wir in lediglich fünf Sitzungswochen bereits auf 13 – zwölf davon gingen an die AfD. Zum Vergleich: In der gesamten Legislaturperiode von 2009 bis 2013 gab es einen einzigen Ordnungsruf. Das verdeutlicht den Handlungsbedarf.
Ist die geplante Geschäftsordnung dann eine Lex AfD und Lex Linke?
Klöckner Für alle Abgeordneten ist die Einhaltung der Regeln und die Wahrung der Würde des Parlaments hoffentlich eine Selbstverständlichkeit. Wir Abgeordnete sollten verbal wie nonverbal Vorbild sein. Im Parlament darf hart debattiert, argumentiert und gestritten werden – in der Sache. Das muss jeder aushalten. Meinungsfreiheit umfasst nicht nur die eigene Meinung. Aber persönliche Herabwürdigungen und politische Demonstrationen etwa mit gewissen Kleidungsstücken oder Plakaten haben nichts im Plenarsaal verloren.
Klöckner Wir schaffen lebendigere Debatten, etwa durch Zwischenfragen in Aktuellen Stunden und sorgen für mehr Präsenz im Parlament sowie klarere Abläufe bei Wahlen. Neben der angesprochenen Ausweitung des parlamentarischen Ordnungsrechts sind das die großen Linien. Aber auch kleinere Änderungen sind bedeutsam, wie die Anpassung der Regeln für namentliche Abstimmungen, um Missbrauch zu vermeiden. Bei der Regierungsbefragung sorgt die Reform dafür, dass Ausschussarbeit und Plenarbetrieb besser ineinandergreifen.
Sie stehen ja auch in Kritik wegen Ihres rigiden Vorgehens. Was sagen Sie dazu?
Klöckner Viele Abgeordnete und Bürger begrüßen die klare Linie, die wir als Bundestagspräsidium verfolgen. Zahlreiche Zuschriften unterstreichen den Wunsch, dass es im Parlament anständiger zugehen soll. Jeder Abgeordnete soll wissen, woran er ist. Wir sind konsequent, aber fair, ungeachtet der Fraktion. Gerade zu Beginn der Legislatur sollte hier kein Spalt in der Tür sein. Grundsätzlich: Die Debatten im Bundestag werden nur mit dem Wort geführt. Wir sind ein Parlament der Sprache, nicht der politischen Symbole. Das ist seit jeher so. In dieser Wahlperiode mit den erstärkten Rändern ist es umso bedeutsamer, das durchzusetzen. Die Meinungsfreiheit ist bei uns verfassungsrechtlich garantiert. Gerade Abgeordnete sollten nicht den Anschein erwecken, es brauche politische Demonstrationen im Plenum des Bundestags, um ihrer politischen Haltung Ausdruck zu verleihen. Sie sollten auf ihr Wort und das gute Argument vertrauen.
Sind Sie überparteilich genug? Robert Habeck hat Ihnen das abgesprochen.
Klöckner Insbesondere, wenn es Versuche der Vereinnahmung von mehreren Seiten gibt, muss man stabil stehen – und nach klaren Regeln handeln. Es ist ja offensichtlich, dass diejenigen, die gemaßregelt werden, sich beschweren, aber in gleicher Sache beim anderen eine Maßregelung erwarten. Der Ruf nach Neutralität und Überparteilichkeit wird erkennbar meist dann laut, wenn er den eigenen Vorstellungen und politischen Positionen dient. Überparteilichkeit und Neutralität sind aber keine Rosinenpickerei – sie sind Prinzip, unabhängig der Situation, der Person und der eigenen Haltung.
Wollen Sie trotzdem etwas ändern in Ihrer Amtsführung?
Klöckner Im Präsidium tauschen wir uns laufend aus, wie wir mit bestimmten Situationen umgehen, was gut läuft in der Sitzungsleitung und wo wir Bedarf sehen, nachzusteuern. Aber die grundsätzliche Linie steht. Wir sind streng, klar, aber fair. Da nehme ich es auch mit einiger Gelassenheit in Kauf, wenn der ein oder andere das als zu rigide empfindet. Wir müssen so agieren und verlässlich sein, um das Ansehen des Parlaments und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institution und Politik insgesamt wieder zu stärken.
Interview Julia Klöckner „Wir haben im Bundestag eine Blockbildung wie nie zuvor“
Interview | Berlin · An ihrer Amtsführung gab es zuletzt auch Kritik. Doch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) verteidigt ihr rigides Vorgehen im Bundestag. Nun soll auch die Geschäftsordnung verschärft werden. Es gehe um mehr Klarheit und Verbindlichkeit, sagt Klöckner.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) will bei ihrem Kurs im Parlament bleiben. Es gebe eine Blockbildung wie nie zuvor, so die Präsidentin.
Foto: Michael Kappeler/dpa/Michael Kappeler
Frau Präsidentin, im Bundestag sollen mit doppelten Ordnungsgeldern die Daumenschrauben gegen pöbelnde Abgeordnete angezogen werden. Warum?
Klöckner Was wir angehen, ist die größte Reform der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags seit 1980. Die dringende Notwendigkeit dazu hatte ich bereits in meiner Antrittsrede adressiert. Demokratie ist nichts Statisches – sie verändert sich in der Art wie sie gelebt und ausgeführt wird. Gleichermaßen muss die Geschäftsordnung an neue Gegebenheiten angepasst werden. Es geht um mehr Klarheit, Verbindlichkeit und Effizienz, um das Parlament, seine Arbeitsfähigkeit und die parlamentarischen Abläufe zu stärken. Dazu gehört eine respektvolle Debatte, die wir auch durch strengere Regeln im parlamentarischen Ordnungsrecht besser gewährleisten wollen.
Inwiefern hat sich das Klima im Parlament denn zum Schlechteren verändert?
Klöckner Wir haben im Bundestag eine Blockbildung wie nie zuvor – zehn Prozent der Sitze entfallen auf den linken Rand, rund 25 Prozent auf den rechten. Beide Seiten schaukeln sich hoch, die Auseinandersetzungen werden schärfer – auch, um das eigene Klientel auf Social Media zu bedienen. Immer häufiger zielt Kritik dabei nicht auf die Position, sondern die Person. All das ist auch an den Zahlen der bisherigen Ordnungsmaßnahmen abzulesen.
Wie fällt die bisherige Bilanz bei den Ordnungsrufen aus?
Klöckner In der vergangenen Wahlperiode wurden im Bundestag 135 Ordnungsrufe erteilt. In dieser Wahlperiode kommen wir in lediglich fünf Sitzungswochen bereits auf 13 – zwölf davon gingen an die AfD. Zum Vergleich: In der gesamten Legislaturperiode von 2009 bis 2013 gab es einen einzigen Ordnungsruf. Das verdeutlicht den Handlungsbedarf.
Ist die geplante Geschäftsordnung dann eine Lex AfD und Lex Linke?
Klöckner Für alle Abgeordneten ist die Einhaltung der Regeln und die Wahrung der Würde des Parlaments hoffentlich eine Selbstverständlichkeit. Wir Abgeordnete sollten verbal wie nonverbal Vorbild sein. Im Parlament darf hart debattiert, argumentiert und gestritten werden – in der Sache. Das muss jeder aushalten. Meinungsfreiheit umfasst nicht nur die eigene Meinung. Aber persönliche Herabwürdigungen und politische Demonstrationen etwa mit gewissen Kleidungsstücken oder Plakaten haben nichts im Plenarsaal verloren.
Klöckner Wir schaffen lebendigere Debatten, etwa durch Zwischenfragen in Aktuellen Stunden und sorgen für mehr Präsenz im Parlament sowie klarere Abläufe bei Wahlen. Neben der angesprochenen Ausweitung des parlamentarischen Ordnungsrechts sind das die großen Linien. Aber auch kleinere Änderungen sind bedeutsam, wie die Anpassung der Regeln für namentliche Abstimmungen, um Missbrauch zu vermeiden. Bei der Regierungsbefragung sorgt die Reform dafür, dass Ausschussarbeit und Plenarbetrieb besser ineinandergreifen.
Sie stehen ja auch in Kritik wegen Ihres rigiden Vorgehens. Was sagen Sie dazu?
Klöckner Viele Abgeordnete und Bürger begrüßen die klare Linie, die wir als Bundestagspräsidium verfolgen. Zahlreiche Zuschriften unterstreichen den Wunsch, dass es im Parlament anständiger zugehen soll. Jeder Abgeordnete soll wissen, woran er ist. Wir sind konsequent, aber fair, ungeachtet der Fraktion. Gerade zu Beginn der Legislatur sollte hier kein Spalt in der Tür sein. Grundsätzlich: Die Debatten im Bundestag werden nur mit dem Wort geführt. Wir sind ein Parlament der Sprache, nicht der politischen Symbole. Das ist seit jeher so. In dieser Wahlperiode mit den erstärkten Rändern ist es umso bedeutsamer, das durchzusetzen. Die Meinungsfreiheit ist bei uns verfassungsrechtlich garantiert. Gerade Abgeordnete sollten nicht den Anschein erwecken, es brauche politische Demonstrationen im Plenum des Bundestags, um ihrer politischen Haltung Ausdruck zu verleihen. Sie sollten auf ihr Wort und das gute Argument vertrauen.
Sind Sie überparteilich genug? Robert Habeck hat Ihnen das abgesprochen.
Klöckner Insbesondere, wenn es Versuche der Vereinnahmung von mehreren Seiten gibt, muss man stabil stehen – und nach klaren Regeln handeln. Es ist ja offensichtlich, dass diejenigen, die gemaßregelt werden, sich beschweren, aber in gleicher Sache beim anderen eine Maßregelung erwarten. Der Ruf nach Neutralität und Überparteilichkeit wird erkennbar meist dann laut, wenn er den eigenen Vorstellungen und politischen Positionen dient. Überparteilichkeit und Neutralität sind aber keine Rosinenpickerei – sie sind Prinzip, unabhängig der Situation, der Person und der eigenen Haltung.
Wollen Sie trotzdem etwas ändern in Ihrer Amtsführung?
Klöckner Im Präsidium tauschen wir uns laufend aus, wie wir mit bestimmten Situationen umgehen, was gut läuft in der Sitzungsleitung und wo wir Bedarf sehen, nachzusteuern. Aber die grundsätzliche Linie steht. Wir sind streng, klar, aber fair. Da nehme ich es auch mit einiger Gelassenheit in Kauf, wenn der ein oder andere das als zu rigide empfindet. Wir müssen so agieren und verlässlich sein, um das Ansehen des Parlaments und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institution und Politik insgesamt wieder zu stärken.