Total digital: Was lineares Fernsehen mit Bratkartoffeln zu tun hat

Total digital Was lineares Fernsehen mit Bratkartoffeln zu tun hat

Kolumne · Streaming hat klassisches Fernsehen in Deutschland offiziell überholt. Das bedeutet: Abschiednehmen von einer Fernsehwelt, die sich einst rund um den „Tatort“ um 20:15 Uhr sortierte

Wie wär’s mit einer Folge „Wednesday“ um 11 Uhr morgens? Die Zeiten, in denen sich die Fernsehgewohnheiten nach dem TV-Programm richten mussten, sind vorbei. (im Bild: Jenna Ortega als Wednesday Addams)

Wie wär’s mit einer Folge „Wednesday“ um 11 Uhr morgens? Die Zeiten, in denen sich die Fernsehgewohnheiten nach dem TV-Programm richten mussten, sind vorbei. (im Bild: Jenna Ortega als Wednesday Addams)

Foto: dpa/-

Wer glaubt, das lineare Fernsehen ist noch aktuell, klammert sich an eine Vergangenheit, die längst verblasst. Natürlich läuft es noch – wie ein Aquarium in der Arztpraxis: bewegt sich irgendwie, ist beruhigend, aber niemand schaut wirklich hin. Die Zahlen sind eindeutig: Streaming hat klassisches Fernsehen in Deutschland nun offiziell überholt. Statistisch noch winzig, gesellschaftlich aber gewaltig. So kippen Systeme: nicht mit einem Donnerschlag, sondern mit kleinen Verschiebungen, die plötzlich unumkehrbar wirken. Und das Schönste: Ausgelöst wurde dieser Wandel nicht durch eine große technologische Revolution oder einen brillanten Serienhit. Nein – der entscheidende Stoß kam letztes Jahr durch ein Verwaltungsdetail. Seit Mitte 2024 darf der Kabelanschluss nicht mehr automatisch über die Nebenkosten abgerechnet werden. Eine stille Gesetzesänderung. Millionen Haushalte stellten plötzlich fest, dass man für denselben Betrag auch Netflix, Disney+ oder waipu.tv bekommt – flexibler, bequemer, zeitgemäßer. Eine Randnotiz im Gesetzestext, die mehr verändert hat als mancher milliardenschwere Innovationsfonds.

Seitdem ist es, als würde das Fernsehzeitalter langsam ausgeknipst. Das Ritual „Tatort um 20:15 Uhr“ wirkt inzwischen wie eine nostalgische Folkloreveranstaltung – irgendwo zwischen ARD-Krimi und Gesellschaftstherapie. Man schaut noch, aber man weiß: Das ist mehr Gewohnheit als Begeisterung. Wie Bratkartoffeln in der Kantine – verlässlich, aber fade.

Das lineare Fernsehen hat nicht nur Zuschauer verloren, sondern Relevanz. Die Generation TikTok kennt keine Sendezeiten mehr – nur Content. Die Generation 50+ zieht nach, auch wenn sie sich noch manchmal über das Netflix-Menü aufregt. Aber mal ehrlich: Warum sollte ich auf eine Sendezeit warten, wenn ich die längst selbst bestimmen kann? Warum der „heute“-Nachrichten harren, wenn das Smartphone längst gepusht hat, was wichtig ist?

Wir tun noch so, als sei das ein Übergang. In Wahrheit ist es ein Abschied. Leise, aber endgültig. Und während ich die nächste Folge von „Wednesday“ starte, frage ich mich: Was läuft eigentlich heute im Fernsehen? Und dann denke ich: Ach ja, wahrscheinlich wieder „Das perfekte Dinner“. Nur: diesmal ohne mich.

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Foto: dpa/-

Wer glaubt, das lineare Fernsehen ist noch aktuell, klammert sich an eine Vergangenheit, die längst verblasst. Natürlich läuft es noch – wie ein Aquarium in der Arztpraxis: bewegt sich irgendwie, ist beruhigend, aber niemand schaut wirklich hin. Die Zahlen sind eindeutig: Streaming hat klassisches Fernsehen in Deutschland nun offiziell überholt. Statistisch noch winzig, gesellschaftlich aber gewaltig. So kippen Systeme: nicht mit einem Donnerschlag, sondern mit kleinen Verschiebungen, die plötzlich unumkehrbar wirken. Und das Schönste: Ausgelöst wurde dieser Wandel nicht durch eine große technologische Revolution oder einen brillanten Serienhit. Nein – der entscheidende Stoß kam letztes Jahr durch ein Verwaltungsdetail. Seit Mitte 2024 darf der Kabelanschluss nicht mehr automatisch über die Nebenkosten abgerechnet werden. Eine stille Gesetzesänderung. Millionen Haushalte stellten plötzlich fest, dass man für denselben Betrag auch Netflix, Disney+ oder waipu.tv bekommt – flexibler, bequemer, zeitgemäßer. Eine Randnotiz im Gesetzestext, die mehr verändert hat als mancher milliardenschwere Innovationsfonds.

Seitdem ist es, als würde das Fernsehzeitalter langsam ausgeknipst. Das Ritual „Tatort um 20:15 Uhr“ wirkt inzwischen wie eine nostalgische Folkloreveranstaltung – irgendwo zwischen ARD-Krimi und Gesellschaftstherapie. Man schaut noch, aber man weiß: Das ist mehr Gewohnheit als Begeisterung. Wie Bratkartoffeln in der Kantine – verlässlich, aber fade.

Das lineare Fernsehen hat nicht nur Zuschauer verloren, sondern Relevanz. Die Generation TikTok kennt keine Sendezeiten mehr – nur Content. Die Generation 50+ zieht nach, auch wenn sie sich noch manchmal über das Netflix-Menü aufregt. Aber mal ehrlich: Warum sollte ich auf eine Sendezeit warten, wenn ich die längst selbst bestimmen kann? Warum der „heute“-Nachrichten harren, wenn das Smartphone längst gepusht hat, was wichtig ist?

Wir tun noch so, als sei das ein Übergang. In Wahrheit ist es ein Abschied. Leise, aber endgültig. Und während ich die nächste Folge von „Wednesday“ starte, frage ich mich: Was läuft eigentlich heute im Fernsehen? Und dann denke ich: Ach ja, wahrscheinlich wieder „Das perfekte Dinner“. Nur: diesmal ohne mich.

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