Stand: 05.11.2025 05:41 Uhr
Seit Jahren hat die Bundeswehr Probleme, das Heer mit digitalen Funkgeräten auszustatten. Jetzt will sich das Verteidigungsministerium noch mal externe Leistungen für mehr als 150 Millionen Euro genehmigen lassen.
Von Uli Hauck und Christian Schweppe
Die Bundeswehr ist gut darin, Dinge abzukürzen. Und so ist nicht verwunderlich, dass sich kaum jemand etwas unter D-LBO vorstellen kann. Hinter einem Bindestrich und vier Buchstaben verbirgt sich eines der wichtigsten Projekte der Bundeswehr, die „Digitalisierung landbasierter Operationen“: ein 20-Milliarden-Euro-Projekt, unter dem die Planer aus dem Bendlerblock die digitale Vernetzung von Soldaten, Fahrzeugen und Waffensystemen verstehen.
Was sperrig klingt, ist ein zentrales Projekt der „Zeitenwende“. Denn ohne Datenaustausch und digitale Kommunikation kann die Truppe im Ernstfall auf dem Schlachtfeld nicht bestehen. Und hier beginnen die Probleme.
Bereits im September 2023 erreichen Verteidigungsminister Pistorius auf einer Dienstreise im Baltikum schlechte Nachrichten. Pistorius muss zugeben, dass der Einbau von digitalen Funkgeräten in Militärfahrzeuge und Panzer nicht nach Plan verläuft: „Ja, es gibt eine Verspätung“, sagt er damals bei einer Pressekonferenz. Er kündigt an, interne Abläufe zu ändern. Beim umstrittenen Bundeswehr-Beschaffungsamt in Koblenz richtet er eine Koordinierungsstelle für das Projekt ein. Der Eindruck, der entsteht: Pistorius macht den Digitalfunk zur Chefsache.
Grundprobleme bleiben
Aber auch nach zwei Jahren sind die Grundprobleme nicht gelöst. Denn der Einbau der Digitalfunkgeräte des deutschen Herstellers Rhode & Schwarz in rund 200 verschiedene Fahrzeugtypen der Bundeswehr ist kompliziert. Fehlende Kabelschächte oder zu kleine Lichtmaschinen – jeder Fahrzeugtyp ist anders, was schon die sogenannte Musterintegration schwierig macht. Haushaltspolitiker berichten, dass allein der Einbau eines Funkgeräts in einen aktuellen Leopard-Panzer zwei Techniker rund 400 Stunden lang beschäftigt. Das heißt Manufaktur- und nicht Fließbandarbeit.
Die Bundeswehr schraubt dabei nicht selbst, sondern hat den Auftrag an die Rüstungsindustrie vergeben. Eine Arbeitsgemeinschaft aus Rheinmetall und KNDS soll einen Großteil des Jobs machen, eine Mammutaufgabe. Bis weit in die 2030er-Jahre sollen mehr als 16.000 Fahrzeuge an bundesweit insgesamt 30 Bundeswehrstandorten umgerüstet werden. Doch davon ist man im Herbst 2025 immer noch weit entfernt.
Software ebenfalls problematisch
Neben dem länger bekannten, komplizierten Einbauverfahren gibt es mindestens seit dem Frühsommer auch Probleme mit der nötigen Software. Verantwortlich für die Entwicklung und Integration der IT-Systeme in Tausenden Fahrzeugen ist neben Rohde & Schwarz auch die bayerische Firma Blackned, seit Januar eine Rheinmetall-Tochter.
„Es wird bis KW 47/2025 eine technische Lösung geben!“, wird Bundestagsabgeordneten in einem internen Papier aus dem Verteidigungsministerium versprochen – zumindest eine Zwischenlösung, die aktuelle Software-Probleme vorerst überbrücken soll. Doch die Zweifel der Abgeordneten wachsen, dass im November der Durchbruch kommt. „Es funktioniert einfach nicht“, sagt der Haushaltspolitiker der Grünen, Sebastian Schäfer.
Und statt die Truppe komplett digital auszurüsten will man ein Provisorium schaffen, einen „Mischbetrieb“: „Interoperabilität D-LBO mit der Altwelt“ heißt das im Bundeswehr-Deutsch. Übersetzt ist es das Eingeständnis, dass man den milliardenteuren, flächendeckenden Einbau des Digitalfunks nicht planmäßig umsetzen kann. Und so sollen die alten, analogen und leicht ortbaren Funkgeräte vorerst auch weiterbetrieben werden.
Negative Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit
In internen Dokumenten, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegen, wird der Zeitplan für den Testeinbau des Digitalfunks in die Bundeswehr-Fahrzeuge schon Anfang Juli infrage gestellt. Die sogenannte Division 2025, die die Bundeswehr der NATO als einsatzbereite Kampftruppe stellen will, wird voraussichtlich bis Ende 2027 „nicht vollständig umgerüstet“ sein, stellen die Militärs fest. Wörtlich heißt es in einem Papier: „Die Lage hat sich (…) verschärft.“
Und: Der Beginn der seriellen Umrüstung Tausender Fahrzeuge ab Januar 2026 sei „fraglich“ – schon damals also. Entgegen der derzeitigen Darstellung des Verteidigungsministeriums, wonach immer noch alles nach Plan läuft.
Zunehmend fragt man sich im Bundestag, was der verantwortliche Minister Boris Pistorius wann wusste? Denn wie bereits die Welt am Sonntag berichtete, hatte beispielsweise der zuständige General bereits im Verteidigungsausschuss darüber berichtet, dass das entscheidende Software-Update für die Digitalfunkgeräte erst im März 2026 vorliegen wird.
Der Grünen-Haushaltspolitiker Schäfer sieht den Verteidigungsminister in der Pflicht: „Der da am meisten Verantwortung trägt, ist der Inhaber der Befehls – und Kommandogewalt und das ist Herr Minister Pistorius.“
Berater sollen Digitalprobleme lösen – Kosten 156 Millionen Euro zusätzlich
Um die Digitalprobleme in den Griff zu bekommen, will das Verteidigungsministerium jetzt externe Unterstützung einkaufen. Nach internen Unterlagen des Ministeriums soll die Inhouse-Gesellschaft BWI GmbH einen Vertrag über technische und logistische Unterstützungsleistungen abschließen – mit einem Gesamtvolumen von rund 156,7 Millionen Euro.
Vorgesehen sind privatwirtschaftliche Unterauftragnehmer, die aufhorchen lassen: die Capgemini Deutschland GmbH, die PricewaterhouseCoopers GmbH sowie die msg systems AG, also externe Beraterfirmen. Auf schriftliche Nachfrage wollten sich die Unternehmen nicht zu ihren Aufgaben und dem Auftragswert äußern. Auch das Ministerium hielt sich auf Anfrage bedeckt. Die Tagessätze pro Berater sollen aber bei 1200 Euro und mehr liegen, heißt es aus dem Haushaltsausschuss.
Das zentrale Digitalprojekt der Bundeswehr könnte sich also nicht nur weiter verzögern, es könnte auch immer teurer werden. Für den beliebten Verteidigungsminister Boris Pistorius könnte das zunehmend zum politischen Problem werden.









