Debatte über Syrien-Abschiebungen Wadephul bemüht sich um Deeskalation
Stand: 04.11.2025 15:54 Uhr
Zuletzt hatte sich Außenminister Wadephul in der Debatte über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge Kritik in der Union eingehandelt. Nun betont er die Gemeinsamkeit mit dem Kanzler. Menschenrechtler warnen vor Abschiebungen.
In der Debatte über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge sieht sich Bundesaußenminister Johann Wadephul im Einklang mit Bundeskanzler Friedrich Merz (beide CDU). Wadephul sagte bei einem Treffen in Berlin, die Bundesregierung verfolge insgesamt das Ziel, die Zahl der Rückführungen zu erhöhen – auch die Zahl der Rückführungen nach Syrien.
Es gehe dabei vorrangig um eine „überschaubare Zahl“ von Straftätern und Gefährdern, fügte Wadephul hinzu. Bisher seien Rückführungen nach Syrien nicht gelungen. „Aber daran arbeiten wir“, betonte der Minister. Verantwortlich sei das Innenministerium, während das Auswärtige Amt „konstruktiv“ unterstütze.
Der CDU-Politiker hatte bei einem Besuch im von vielen Jahren Bürgerkrieg gezeichneten Syrien angezweifelt, dass angesichts der massiven Zerstörung kurzfristig eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig dorthin zurückkehren werde. „Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben“, hatte der Minister bei einem Besuch in Harasta gesagt, einer schwer verwüsteten Vorstadt von Damaskus. Wegen dieser Äußerungen hatte Wadephul Kritik aus der eigenen Partei einstecken müssen.
„Vollständig gleiches Verständnis“
Nun erklärte Wadephul, er hoffe darauf, dass es „recht bald“ erste Abschiebungen geben werde. Darüber hinaus arbeite die Bundesregierung mit Hochdruck daran, eine größere Zahl von Syrerinnen und Syrern zu einer freiwilligen Rückkehr in ihr Heimatland zu bewegen. Die Menschen würden in Syrien für den Wiederaufbau benötigt, betonte der Minister. Genau das habe der Bundeskanzler gesagt. Der Kanzler und er hätten also „das vollständig gleiche Verständnis“.
Merz sieht keinen Asylgrund mehr
Bundeskanzler Merz hatte zuvor klargestellt, er befürworte eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat. „Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet. Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland, und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen“, sagte Merz.
Er setze allerdings darauf, dass ein großer Teil der Flüchtlinge von sich aus nach Syrien zurückkehren und dort am Wiederaufbau teilnehmen werde, erklärte Merz. Ohne diese Menschen sei der Wiederaufbau Syriens nicht möglich.
Direkte Gespräche mit syrischem Übergangspräsident
Merz sagte, dass es sicherlich viele Syrer geben werde, die von sich aus Deutschland verlassen würden. „Wir wissen ja, dass ein ganz großer Teil der Syrer zurückkehren will. Das werden wir fördern, und wir werden auch dem Land helfen, es schnell wieder aufzubauen.“
„Diejenigen, die sich dann in Deutschland weigern, in das Land zurückzukehren, die können wir selbstverständlich auch in Zukunft abschieben“, fügte der CDU-Politiker hinzu. Er habe den syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa eingeladen, um mit ihm über die Abschiebung von syrischen Straftätern zu sprechen.
Merz will Asyl- und Arbeitsverfahren trennen
Auf die Frage, warum immer wieder auch gut integrierte Menschen aus Deutschland abgeschoben würden, sagte der Kanzler, dass man künftig Asylverfahren und Arbeitszuwanderung voneinander trennen wolle. „Ich bin sehr unglücklich darüber, dass wir immer noch diejenigen, die wir eigentlich in den Arbeitsmarkt integrieren könnten oder zum Teil schon in den Arbeitsmarkt integriert haben, immer noch im Asylverfahren haben“, sagte er.
„Unser Vorschlag ist, dass wir das durch ein komplett getrenntes Verfahren zwischen Asyl und Integration in den Arbeitsmarkt administrativ in Zukunft besser machen und dazu dient diese sogenannte Work-and-Stay-Agentur. Und übersetzt heißt das: Ja, arbeiten und bleiben“, sagte Merz.
„Syrien ist weiterhin kein sicheres Herkunftsland“
Juso-Chef Philipp Türmer warf Merz und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) vor, die Lage vor Ort zu missachten. „Syrien ist weiterhin kein sicheres Herkunftsland“, sagte Türmer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die grüne Innenexpertin Lamya Kaddor kritisierte, der Bundesinnenminister rede leichtfertig über Abschiebungen von Syrern, ohne das Land zu kennen. „Ich empfehle dem deutschen Innenminister sehr, selber einmal nach Syrien zu reisen. Dann kann er sich ein Bild von der Lage machen“, sagte Kaddor dem Spiegel.
Kaddor hatte Wadephul auf dessen Reise nach Syrien begleitet und teilt dessen Skepsis gegenüber Abschiebungen in das Bürgerkriegsland. „In Syrien sind viele Gegenden zerstört und kaum bewohnbar“, sagt die Grünen-Politikerin. „Zu glauben, man könnte jetzt massenhaft abschieben, verkennt die Realität vor Ort.“ Nur in bestimmte Regionen in Syrien wie in einige Viertel von Damaskus oder Idlib könne man zurückkehren, so Kaddor.
Steinmeier gegen sofortige Rückführung
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich. Er sei als Außenminister oft in Krisen- und Katastrophenregionen unterwegs gewesen und kenne die Situation – und er sei dagegen, die Geflüchteten sofort in ihre zerstörte Heimat zurückzuschicken. „Jemand, der vor den Trümmern eines Krieges steht, sein Erschrecken äußert und sich selbst laut fragt, kann man darin wohnen – diesem Erschrecken kann man auch mal eine Weile Raum lassen“, sagte Steinmeier während eines Besuches in Ghana. Die Bundesregierung müsse nun ihre Konsequenzen ziehen und werde das auch tun.
SPD betont Bedingungen für Abschiebungen
Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler knüpfte die Abschiebung syrischer Geflüchteter an Bedingungen. Für Syrer ohne Aufenthaltsrecht, auch für Straftäter, gelte dasselbe Recht wie für Ausreisepflichtige aus anderen Ländern, sagte er dem Handelsblatt. In jedem einzelnen Fall müsse geprüft werden, ob eine Rückkehr gefahrlos möglich sei. Abgesehen davon seien viele Syrerinnen und Syrer eingebürgert und hervorragend integriert.
Kritik von Menschenrechtlern
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte die geplanten Abschiebungen nach Syrien. Mehr als 16 Millionen Menschen bräuchten humanitäre Hilfe und in vielen Landesteilen sei die medizinische Versorgung zusammengebrochen. Millionen Kinder etwa litten unter Hunger und Krankheiten. Hinzu kämen die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten und eine massiv geschwächte Landwirtschaft. Wer syrische Menschen zur Ausreise drängen oder abschieben wolle, verkenne die menschenrechtlichen und völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands.
Auch das UN-Kinderhilfswerk UNICEF in Deutschland verwies auf die harte Lage von Kindern und Familien in dem Land. Geschäftsführer Christian Schneider sagte, der Krieg sei zu Ende, ein Ende der humanitären Krise aber weit entfernt. „Für Millionen Kinder in Syrien hat ein Ausnahmezustand den nächsten abgelöst“. In Homs, Aleppo und weiteren Städten seien ganze Viertel weitgehend zerstört.










