Stand: 08.11.2025 08:43 Uhr
Die deutsche Bundesregierung will bald schon mit regelmäßigen Abschiebeflügen nach Afghanistan starten – trotz der Taliban-Herrschaft. Damit trifft sie auch Menschen, die sich hier schon gut integriert haben.
Letzte Woche noch hatte Mohammad einen Plan für sein Leben. Maler wollte er werden, seit zwei Monaten absolviert er eine Ausbildung in der Nähe von Stuttgart. Jetzt steht er vor dem Nichts: Sein Asylantrag aus dem Jahr 2022, abgelehnt. Der Brief vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge war ein Schock.
Mehr als eine Arbeit
Mit ausdruckslosem Gesicht und nur wenigen Worten streicht er auf einer Baustelle seines Malerbetriebes eine frisch verputzte Wand. „Mir geht’s scheiße“, erzählt der 24-Jährige tagesschau.de. „Ich habe nur vier Wochen Zeit, um Deutschland zu verlassen.“ Aus Angst, dass sein Gespräch mit der tagesschau ihm Probleme mit den Behörden einbringt, möchte er seinen Nachnamen nicht öffentlich machen.
2018 sei er aus Afghanistan geflohen, bedroht von den Taliban, so Mohammad, die auch seinen Vater ermordet hätten. Über Griechenland ist er vor drei Jahren nach Deutschland gekommen. Nach mehreren Praktika hat er in dem Malerbetrieb mehr als nur eine Arbeitsstelle gefunden. Das Team hat ihn aufgenommen und hilft ihm auch bei privaten Problemen.
Die Herrschaft der Taliban
Die Nachricht der Abschiebung hat vor allem Maler Kamal Jolo getroffen, der Mohammed eng betreut: „Wenn man ihm sagt, mach das bitte, dann macht er genau das“, sagt Jolo. Anders als die vorherigen Azubis sei Mohammad immer pünktlich, neugierig und habe Spaß an der Arbeit. „Er ist hochintelligent und lernt gut. Es wäre schade, wenn Mohammad zurück muss.“
Zurück in ein Land, in dem die Taliban regieren. Die radikalen Islamisten haben vor vier Jahren erneut die Macht in Afghanistan übernommen. Seitdem unterdrücken sie Andersgläubige, beschneiden die Rechte von Frauen, schränken den Internetzugang massiv ein und üben Rache an vielen, die mit der vorherigen Regierung zusammengearbeitet haben.
Amnesty International warnt vor Abschiebungen
Auf der Baustelle in der Nähe von Stuttgart macht sich Mohammad deshalb Sorgen. „Ich habe Angst um mein Leben“, sagt er tagesschau.de. Doch das Bundesamt für Migration sieht keine Gründe, warum der Afghane Asyl in Deutschland bekommen sollte. Nur weil sein Vater ermordet worden sei, heiße das nicht, dass Mohammad das gleiche Schicksal drohe.
Mohammads Fall reiht sich in einen größeren Trend ein: Seit Anfang des Jahres lehnt das Bundesamt für Migration immer mehr Asylanträge von Afghanen ab. Offenbar im Einklang mit der deutschen Bundesregierung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, mehr Menschen mit afghanischem und syrischem Pass abzuschieben. Menschenrechtler sehen das kritisch.
Bundesregierung verhandelt mit Taliban
„Menschen, die aus Deutschland abgeschoben werden nach Afghanistan, sind in Afghanistan bedroht von Folter, von Ausgrenzung“, sagt Christian Mihr von Amnesty International im Interview. „Wenn Menschen nach Afghanistan ausgeliefert werden, liefert man sie in die Hände der Taliban, in die Hände von Folterern.“
Doch die Bundesregierung verhandelt bereits mit den Taliban über Abschiebungen, obwohl sie die afghanische Regierung nicht anerkennt. Im Sommer wurden erstmals afghanische Straftäter in ihre Heimat abgeschoben. Jetzt sollen aber auch Menschen folgen, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen. Vor kurzem war eine Delegation des Innenministeriums in der afghanischen Hauptstadt Kabul, um Details auszuloten.
Es fehlen Arbeitskräfte
Auf Anfrage erklärt das Innenministerium: „Die Bundesregierung arbeitet intensiv daran, den Ländern in Umsetzung des Koalitionsvertrages weitere Rückführungen nach Afghanistan zu ermöglichen. Weitere Rückführungen werden stattfinden, sobald die Voraussetzungen hierfür geschaffen wurden.“
Für Mohammad und den Betrieb von Malermeister Michael Bräuninger heißt das: Unsicherheit. „Wenn jemand hier schon arbeitet, wieso kann man dem nicht eine Chance geben, dass er hierbleibt? Wir brauchen solche Leute“, erklärt Michael Bräuninger. Ohne migrantische Menschen könne er seinen Betrieb direkt dicht machen. „Wir haben generell viel zu wenig Fachkräfte. Offenbar fehlen gerade 250.000 Arbeitskräfte im Handwerk.“
Mohammad hat noch Hoffnung
Mohammad hofft noch darauf, eine Duldung zu bekommen und zumindest für die Zeit seiner Ausbildung in Deutschland bleiben zu können. Doch die Uhr tickt: Inzwischen sind es nur noch drei Wochen, bis er ausreisen muss. „Ich versuche alles, um hier bleiben zu können“, sagt er. „Ich würde gerne hier eine Ausbildung machen und weiterarbeiten, mein eigenes Geld verdienen und meine Familie unterstützen.“
Bald schon könnten die ersten regelmäßigen Abschiebeflüge nach Afghanistan starten – Mohammad könnte einer der ersten Passagiere sein.









