EU zu angeblichem US-Friedensplan „Die Ukrainer und Europäer müssen an Bord sein“
Stand: 20.11.2025 11:02 Uhr
Der angeblich zwischen den USA und Russland ausgehandelte Friedensplan für die Ukraine sorgt für Irritation bei den Europäern. Die EU-Außenbeauftragte Kallas stellt klar: Verhandelt werden könne nur gemeinsam.
Angesichts eines angeblichen neuen US-Friedensplans für die Ukraine hat die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas die Beteiligung Kiews und Brüssels angemahnt. „Damit jedweder Friedensplan funktioniert, müssen die Ukrainer und die Europäer an Bord sein“, sagte Kallas vor einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel zu Journalisten. Die Europäer begrüßten „jede Bemühung“ für einen „langfristigen Frieden“, betonte sie. In dem Konflikt gebe es „einen Angreifer und ein Opfer“, sagte Kallas mit Blick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine.
Auch der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski forderte, Europa müsse bei Friedensbemühungen konsultiert werden. „Ich hoffe, dass nicht dem Opfer Beschränkungen seiner Verteidigungsfähigkeit auferlegt werden, sondern dem Aggressor“, sagte er.
„Die Ukrainer wollen keinerlei Kapitulation“
Russlands Präsident Wladimir Putin stehe dem Frieden in der Ukraine im Wege, sagte der französische Außenminister Jean-Noël Barrot bei seiner Ankunft in Brüssel. „Die Ukrainer wollen keinerlei Kapitulation“, fügte er hinzu. Der spanische Außenminister José Manuel Albares äußerte sich ähnlich. Ein Friedensplan für die Ukraine sei ohne die Ukraine und die Europäische Union nicht möglich, erklärte er. Ein solcher Plan müsse zudem die Existenz eines souveränen und demokratischen ukrainischen Staates garantieren, so Albares.
Auch Bundesaußenminister Johann Wadephul erklärte, Voraussetzung für Friedensgespräche sei die Einbeziehung Kiews und Europas – und eine Waffenruhe. Es könne nur miteinander verhandelt werden, wenn Putin „seinen aggressiven Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet, dass es zu einem Waffenstillstand kommt, ohne jede Vorbedingung“, so Wadephul.
Kanzleramtschef Thorsten Frei zeigte sich irritiert über den angeblichen neuen US-Vorstoß. „Die ersten Nachrichten, die man dazu sieht, die sind durchaus verstörend“, sagte der CDU-Politiker bei RTL und ntv. „Es mutet etwas an, als ob Putin damit Kriegsziele erreichen könnte, die er auf dem Schlachtfeld nicht erreicht hat. Und das wäre sicherlich ein Ergebnis, das nicht akzeptabel wäre“, sagte Frei.
Berichte über Geheimgespräche
Hintergrund sind Medienberichte über angebliche Geheimgespräche zwischen Moskau und Washington über einen möglichen Ukraine-Friedensplan. Dieser verlange von der Ukraine große Zugeständnisse, berichtete die Financial Times unter Berufung auf am Gesprächsprozess beteiligte Personen. Er sieht demnach vor, dass die Ukraine die umkämpften Gebiete Donezk und Luhansk vollständig räumen und seine Armee halbieren soll. Darunter sollen auch Teile der Gebiete fallen, die Russland bislang militärisch nicht erobern konnte. Die Frontlinie im Süden solle weitgehend eingefroren werden. Der Ukraine droht demnach auch Begrenzungen der Reichweite ihrer Waffen. Im Gegenzug würde es US-Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Europa gegen künftige russische Aggressionen geben.
Dem Bericht zufolge wird ebenfalls gefordert, dass Russisch als Staatssprache anerkannt und die frühere moskautreue orthodoxe Kirche wieder zugelassen werde. Die Kiewer Führung versucht, diese Kirche als Sicherheitsrisiko zu verbieten.
Das Nachrichtenportal Axios berichtete, der Plan sei Ende Oktober vom US-Sondergesandten Steve Witkoff und dem Kreml-Vertreter Kirill Dmitrijew ausgehandelt worden. Den Angaben nach soll Witkoff die Überlegungen dem Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Rustem Umjerow, zur Kenntnis gegeben haben.
Moskau: Keine neuen Vorschläge
In Moskau sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, es gebe zwischen Russland und den USA keine neuen Vorschläge für ein Kriegsende. Es gelte weiter, was von Putin und Trump bei ihrem Gipfel in Alaska im August besprochen worden sei. Der neue Plan entspricht nach Einschätzung der Financial Times weitgehend bekannten russischen Forderungen an Kiew.
Über einen militärischen Rückzug der Ukrainer hatte Trump schon früher gesprochen und es Gebietsaustausch genannt. In den letzten Wochen zeigte er sich öffentlich allerdings zunehmend enttäuscht wegen Putins mangelnder Verhandlungsbereitschaft. Trump sagte einen zweiten Gipfel in Budapest vorerst ab und verhängte schmerzhafte Sanktionen gegen die großen russischen Ölexporteure Rosneft und Lukoil.
Ukraine doppelt in Schwierigkeiten
Die angebliche Wiederannäherung zwischen Washington und Moskau trifft die Ukraine in einem doppelt ungünstigen Moment. An der Front im Osten rechnen viele Beobachter mit dem Fall der lange umkämpften Stadt Pokrowsk. Auch weiter südlich hat die ukrainische Armee Stellungen räumen müssen.
Innenpolitisch steht Präsident Wolodymyr Selenskyj wegen eines Korruptionsskandals unter Druck, der bis in sein Umfeld reicht. Zwei Minister mussten bislang zurücktreten. Nach Selenskyjs Rückkehr von einer Auslandsreise werden für heute weitere Gespräche in Parlament und Regierung über personelle Konsequenzen erwartet. In Kiew wird auch über eine Entlassung von Andrij Jermak diskutiert, den einflussreichen Leiter des Präsidentenbüros.
Europäer bislang außen vor
Eine direkte Reaktion der Ukraine auf die Berichte über den amerikanisch-russischen Plan gibt es bisher nicht. Selenskyj beschwor jedoch Trump, sich für einen gerechten Frieden einzusetzen. „Nur Präsident Trump und die USA haben genügend Kraft, dass dieser Krieg zu einem Ende kommt“, schrieb er in sozialen Netzwerken.
In den europäischen Hauptstädten war zu dem Plan wenig bekannt. Aus EU-Kreisen in Brüssel hieß es, dass es Gespräche der USA mit beiden Kriegsparteien gebe, den neuen Plan habe man aber noch nicht gesehen. Aktuell scheine eher Russlands ein Interesse an der Verbreitung solcher Nachrichten zu haben. Es sei eine Art Ablenkungsmanöver, denn der Druck durch die US-Sanktionen gegen die russische Ölindustrie sei gewachsen.
Die Außenministerinnen und Außenminister der EU diskutieren heute in Brüssel über die weitere Unterstützung der Ukraine. Dabei geht es unter anderem um das weitere Vorgehen gegen die sogenannte russische Schattenflotte, mit deren Hilfe Moskau Sanktionen umgeht, insbesondere das Öl-Embargo.









