Eine Expertenkommission soll neue Regeln fürs Mietrecht erarbeiten. Das ist richtig, denn es gibt zu wenig Transparenz und zu viele Schlupflöcher. Doch es steht zu befürchten, dass nur Vermieter ins Visier genommen werden – und die eigentliche Ursache für nötige Marktregulierung außer Acht gelassen wird.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) will härtere Strafen für Vermieter durchsetzen, die gegen die Regeln der Mietpreisbremse verstoßen oder Wucherpreise verlangen. In dieser Woche nahm eine Expertenkommission ihre Arbeit auf, die bis Ende 2026 konkrete Vorschläge für neue Mietregeln machen soll.
Was nach einer rabiaten Abstrafung für Vermieter aussieht, ist bei näherem Hinsehen durchaus gerechtfertigt. Die Mietpreisbremse wird nachweislich von vielen Vermietern nicht eingehalten. Wer den Markt etwas genauer beobachtet, weiß, dass es meistens Privatvermieter oder kleine und mittelgroße Unternehmen in überlasteten Märkten sind, die absichtlich über das Ziel hinausschießen. Das ist keine exklusiv links-grüne Sichtweise. Im Gegenteil.
Mehrere auch unionsregierte Bundesländer (darunter Bayern) haben bereits im Bundesrat Gesetze vorgelegt, mit denen die Mietpreisbremse funktionstüchtig gemacht werden soll. Kommunale Spitzenverbände, Bürgermeister, Stadträte, Geschäftsführer von Wohnungsunternehmen und vermutlich ein großer Teil der 44 Millionen Mieter in Deutschland wünschen sich eine Mietpreisbremse, die tatsächlich greift, und einen fairen Interessenausgleich zwischen den Marktteilnehmern.
Trotz hoher Preise wenig neues Angebot
In Regionen, in denen nach klassischer Definition der Mikroökonomie ein mindestens teilweises Marktversagen vorliegt, weil sich Marktteilnehmer die Knappheit des Gutes Wohnraum zunutze machen können, gelingt dieser Ausgleich nicht über den Preis. Das Preissignal ist längst gegeben, Wohnraum ist teuer, doch das Angebot wächst trotzdem nicht, oder nicht schnell genug – fatalerweise oft aus politischen und hausgemachten Gründen vor Ort.
Die Mietpreisbremse wird nicht eingehalten, weil es sich für Vermieter bisher in jedem Fall lohnt. Sie müssen allenfalls befürchten, dass sie nach einem verlorenen zivilrechtlichen Verfahren, vor dem die meisten Mieter ohnehin zurückschrecken, zu viel verlangte Miete zurückzahlen müssen.
Selbst Vonovia-Chef Rolf Buch, der einer sozialistischen Grundhaltung unverdächtig sein dürfte, hat schon den Vergleich mit der Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn angestellt: Wer niemals fürchten muss, geblitzt und mit Strafzahlung belegt zu werden, wird schneller fahren als erlaubt. Der Dax-CEO ist gegen eine Abschaffung der Mietpreisbremse, wie er im aktuellen WELT-AM-SONNTAG-Interview sagt.
In der Mietrechtskommission ist auch die Vermieterseite vertreten. Wissenschaftler und Marktexperten sind ebenfalls Teil des Gremiums. Deshalb ist zu hoffen, dass einige der falschen Narrative rund um die Preisbremse gar nicht erst diskutiert werden müssen.
Neubau wird nicht gebremst
Die Experten dürften wissen: Die Preisbremse bremst den Neubau nicht, denn sie gilt nicht für Häuser ab Baufertigstellung Oktober 2014. In Städten mit Mietpreisbremse gab es auch nach deren Einführung einen Bauboom – im Gegensatz zu anderen Regionen mit weniger Nachfrage und ohne Mietpreisbremse. Die Zahl der Baugenehmigungen ist auch nach Einführung der Mietpreisbremse gestiegen, und dann wieder gefallen – wegen hoher Zinsen, Baukosten und immer weniger Bauland.
Die Regelung verstärkt auch nicht den Lock-in-Effekt, bei dem Mieter in ihren Wohnungen hängen bleiben, weil nach einem Umzug in eine neue Wohnung die Miete viel höher wäre als bisher. Die Preisbremse sollte im Gegenteil für einen geringen Preisabstand zwischen Bestandsmiete und Neuvertragsmiete sorgen – also eben dafür, dass sich Umziehen lohnt.
Das klappt aber nicht, siehe oben. Und das liegt auch schlicht daran, dass keine Preistransparenz herrscht: Welche Miete wäre zulässig, ist der Preisspiegel rechtssicher, welche Ausnahme gilt tatsächlich, etwa für möblierte Wohnungen?
Mietpreisregulierung ist keine willkürliche politische Maßnahme, sondern wurde bereits mehrfach vom Bundesverfassungsgericht als angemessener Markteingriff bestätigt. Eine häufige Begründung der Verfassungsrichter: Es geht hier nicht um Aktien, Autos oder Flugreisen, sondern um den Lebensmittelpunkt von Menschen. Das Begründungsschema leiten die Richter aus dem Grundgesetz ab, man kann aber auch Bezüge zu christlich-konservativen Wertemaßstäben herstellen.
Es geht um zivilrechtliche Regeln im Bürgerlichen Gesetzbuch, in dem auch Eigentumsrechte geregelt sind, also nicht um ein Kavaliersdelikt. Das gilt auch für den Wuchermietenparagraf 5 im Wirtschaftsstrafgesetzbuch, den die Mieten-Kommission ebenfalls scharf schalten soll. Im Laufe der Rechtsprechung ist die Beweislast dafür, dass jemand die Marktlage ausnutzt und eine laut Gesetz zu hohe Miete verlangt, auf die Mieter übergegangen.
Wenn Mieter in einer Großstadt wie Berlin den Eindruck haben, dass der Markt außer Rand und Band gerät, ist das für alle schlecht, denn das stärkt die politischen Ränder, die im Zweifel mit nur noch radikaleren Ideen in die nächste Wahl gehen.
Aber: Mit einer eventuellen Sanktionierung von Mietpreisbremse-Verstößen sollte der Gesetzgeber generell für mehr Klarheit am Markt sorgen, Transparenz schaffen, öffentlich einsehbare Mietpreiskataster von den Gemeinden fordern, sowie rechtssichere Mietspiegel – was übrigens auch Unionsabgeordnete fordern.
Zweitens müssen Bund, Länder und Gemeinden endlich die Ursache dafür beseitigen, dass eine Marktbremse überhaupt nötig ist. Das ist seit 2015 nicht geschehen, und das ist verheerend.
Ein Baugebot für Gemeinden
Justizministerin Hubig sollte weitere künftige Mietrechtsverschärfungen erst dann auf den Weg bringen dürfen, wenn ihre Kabinettskollegin Verena Hubertz (SPD) im Bau-Ressort die nächste Reform erarbeitet hat, mit einfacheren Baustandards, idealerweise mit bundesweit geltenden Mindestanforderungen und einem Effizienzstandard 70, damit endlich die Kosten sinken.
Für Gemeinden, die die Mietpreisbremse ziehen, aber nicht innerhalb bestimmter Fristen nachweislich für mehr Neubau sorgen, sollte ein Baugebot eingeführt werden. Wenn künftig der Bau-Turbo gilt, haben sie keine Ausrede mehr, neues Bauland nicht freizugeben. Wer sich nicht an ein solches Baugebot hält, sollte sanktioniert werden. So wie gesetzesuntreue Vermieter.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Michael Fabricius beschäftigt sich mit Immobilienthemen und schreibt für WELT über alles, was Eigentümer, Mieter und Investoren betrifft. Gemeinsam mit Michael Höfling ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ verantwortlich. Sie können ihn hier abonnieren.