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Mehr Befugnisse Spionage, Sabotage – brisanter Entwurf zum BND-Gesetz
Stand: 18.12.2025 17:09 Uhr
Der Bundesnachrichtendienst soll ein neues Gesetz bekommen. Der Entwurf, der WDR, NDR und SZ vorliegt, zeigt: Es geht künftig um mehr als nur Spionage. Der Geheimdienst soll auch Sabotage verüben dürfen.
Martin Jäger, neuer Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), lachte, als ihn ein Abgeordneter kürzlich im Bundestag fragte, wie denn der neue Kurs seiner Behörde aussehen solle. Ob es im BND bald eine „Doppel-Null-Abteilung mit der Lizenz zum Töten“ geben werde?
Die James-Bond-Filme seien für seine britischen Kollegen hilfreich bei der Personalgewinnung, sagte Jäger. Ihn selbst interessierten zwar Ergebnisse mehr als Prozesse, aber: „Das heißt nicht, dass wir Bonanza spielen oder jetzt zu James Bond werden, keine Sorge.“
Tatsächlich könnte dem BND künftig dann aber doch etwas mehr James-Bond-Manier erlaubt sein: So zumindest liest sich der Entwurf des neuen BND-Gesetzes aus dem Kanzleramt, der WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung vorliegt. Nach Jahren der Diskussion will die Regierung dem Auslandsnachrichtendienst bald schon ein neues Regelwerk verpassen.
Etliche neue Befugnise und Regelungen
Insgesamt 139 Paragraphen umfasst der Gesetzentwurf – bislang kam der BND mit 69 Paragraphen aus. Dazu kommen jetzt mehrere hundert Seiten Gesetzesbegründung. Dabei versucht das Kanzleramt, die strengen Vorgaben umzusetzen, die etwa vom Bundesverfassungsgericht zur Datenübermittlung gemacht wurden. Und trotzdem geht das Papier in die Offensive: Es enthält etliche neue Befugnisse und Regelungen, die für Diskussionen im politischen Raum sorgen dürften.
Bislang darf der BND nur Informationen gewinnen und auswerten. Das soll sich ändern. Die Spione sollen künftig auch operativ tätig werden dürfen. Das heißt: Sie dürfen auch aktive Handlungen zum Schutz der Bundesrepublik durchführen. Zum Beispiel Sabotage, um gegnerische Streitkräfte zu schwächen oder Cyberoperationen, um Waffensysteme unschädlich zu machen.
„Gegnerische Angriffsfähigkeiten schwächen“
Das Bundeskanzleramt möchte dem BND erlauben, zur Landes- und Bündnisverteidigung durchaus hemdsärmeliger tätig zu werden, mit „operativen Anschlussmaßnahmen“, wie es im Gesetzesentwurf heißt. Gemeint sind damit laut Entwurf „insbesondere solche, die die gegnerischen Angriffsfähigkeiten schwächen“. Demnach können „zum Beispiel heimliche Sabotagehandlungen im Ausland erforderlich sein, um eine Bedrohung durch gegnerische Streitkräfte oder durch sonstige Handlungen eines anderen Staates (…) zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren.“
Nach Vorstellung des Kanzleramtes soll der BND solche Aktionen durchführen dürfen, wenn der Nationale Sicherheitsrat eine besondere Sicherheitslage ausruft, die als „Nachrichtendienstliche Sonderlage“ mit einer „systematischen Gefährdung“ bezeichnet wird. Dann solle auch das Parlament einbezogen werden: Das Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) müsste der Bewertung der Lage mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen, so das Papier.
Novelle noch in frühem Stadium
Im Entwurf heißt es: „Im Rahmen der nationalen Sonderlage darf der Bundesnachrichtendienst operative Anschlussbefugnisse durchführen, wenn geeignete polizeiliche oder militärische Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann oder die Maßnahme im Hoheitsgebiet eines fremden Staates durchgeführt werden soll.“
Ein Regierungssprecher sagte auf Anfrage, die Gesetzes-Novelle für den BND sei in einem „frühen Stadium“, man wollte jedoch umfassend reformieren, auch um „um mit der Leistungsfähigkeit relevanter europäischer Partnerdienste wieder Schritt zu halten“.
Mehr Handhabe bei Cyberangriffen
Die Wunschliste des Kanzleramtes geht tatsächlich weit: Bei Cyberangriffen soll es dem BND erlaubt werden, aktiv zurückzuschlagen, etwa Datenströme umzuleiten und sogar IT-Infrastruktur anzugreifen, die für solche Attacken genutzt wird. Der BND soll selbst verdächtige Drohnen über seinen Liegenschaften mit „geeigneten Mitteln“ abwehren dürfen. Künftig soll der Dienst auch Daten über Fahrzeuge, etwa Standortdaten oder gefahrene Routen, von Herstellern oder Werkstätten anfordern dürfen. Auch der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware soll erlaubt werden.
Um Spionagesoftware auf Computern von Zielpersonen installieren zu können, soll dem BND außerdem erlaubt werden, heimlich in Wohnungen einzudringen. Den BND-Spionen soll zudem gestattet werden, an gegnerischen Geräten oder Waffensystemen Technik zur Nachverfolgung anzubringen – oder diese so zu manipulieren, dass sie nicht mehr funktionsfähig sind. Dies könnte zum Beispiel Raketentechnik oder Zentrifugen betreffen, die in den Iran geliefert werden sollen.
Erforderliche Straftaten und Datenspeicherung
Neu ist außerdem: Menschlichen Quellen, Nachrichtendienstliche Verbindungen (NDV) genannt, soll es erlaubt werden, im Ausland auch bestimmte Straftaten zu begehen, wenn dies für ihre Quellentätigkeit erforderlich ist. In der Begründung heißt es, es könnte notwendig sein, dass ein deutscher Söldner auf Seiten Russlands, der insgeheim für den BND arbeitet, in ein Auto einbricht, um Unterlagen zu entwenden. In Ausnahmefällen sollen zudem sogar Personen ab 16 Jahren als Quellen geworben werden dürfen.
Bei Datenspeicherungen soll der BND ebenfalls mehrere Ausnahmeregelungen erhalten. Die Speicherfristen bestimmter Daten sollen von zehn auf fünfzehn Jahre verlängert werden. Dies, so heißt es, sei beispielsweise notwendig, um russische Spione besser aufspüren zu können, die teilweise nach mehreren Jahren wieder ältere Tarnidentitäten verwenden.
Daten von Minderjährigen sollen nach Wunsch des Kanzleramtes nicht zwingend automatisiert gelöscht werden: Bei Recherchen beispielsweise zu russischen Oligarchen oder Terroristen würde der BND in sozialen Medien oftmals auf Fotos stoßen, auf denen auch Kinder zu sehen seien. Es sei für die weitere Aufklärung hinderlich, wenn diese sofort gelöscht werden müssten. Gleichzeitig soll dem BND erlaubt werden, große Datenmengen künftig auch mit Künstlicher Intelligenz zu analysieren.
BND als militärischer Auslandsnachrichtendienst?
Eine geplante Änderung könnte für die größte Kontroverse sorgen. Sie findet sich gleich im ersten Paragraph des Entwurfs. Dort heißt es: „Der Bundesnachrichtendienst ist der zivile Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland. Er nimmt im Auftrag zentrale Aufgaben eines militärischen Nachrichtendienstes war.“
Das klingt banal. Damit würde jedoch erstmals gesetzlich definiert, dass der BND der deutsche militärische Auslandsnachrichtendienst ist. Dies dürfte im Verteidigungsministerium als Frontalangriff gewertet werden. Denn in der Konsequenz würden wohl umfangreiche militärische Aufklärungsmittel, die derzeit zur Bundeswehr gehören, zum BND wandern. Das zivile und das militärische Lagebild würden dann von einer obersten Bundesbehörde bestimmt, die einzig dem Kanzleramt unterstellt ist – und im Kriegsfall nicht in die Strukturen der Streitkräfte eingebunden ist.
Ob das finale BND-Gesetz schließlich die Wünsche des Kanzleramtes erfüllen wird, ist unklar. Noch haben die üblichen Ressortberatungen nicht stattgefunden; sowohl Justiz- als auch Verteidigungsministerium sollen nun Stellung nehmen. Aus der Bundesregierung heißt es, man wolle das Gesetz im kommenden Jahr schnell über die Bühne bekommen. Die Zeit dränge.









