Zentrale Klausel gekippt BGH stärkt Verbraucherrechte bei Riester-Rente
Stand: 10.12.2025 18:07 Uhr
Versicherer dürfen den Rentenfaktor bei fondsbasierten Riester-Renten nicht einseitig senken. Das hat der BGH entschieden und eine entsprechende Klausel gekippt. Das Urteil dürfte eine Signalwirkung haben.
Seit mehr als 20 Jahren schon gibt es die Riester-Rente. Dabei zahlt der Versicherte regelmäßig Geld ein und der Staat gibt noch etwas dazu. Damit können sich Sparer eine zusätzliche monatliche Rente sichern.
Auch Hilmar Wolman aus der Nähe von Meersburg am Bodensee wollte fürs Alter vorsorgen. Deshalb schloss er eine Riester-Renten-Versicherung bei der Allianz ab. „Meine Motivation war es, die Rentenlücke, die damals schon durch unsere Bevölkerungsstruktur absehbar war, abzufedern. Und der Staat hat ja Anreize geboten und mit der Allianz hat man ja eigentlich ein gutes Gefühl gehabt als der Branchenprimus.“
Rentenfaktor im Fokus
Wolman hat einen „fondsbasierten“ Riester-Renten-Vertrag abgeschlossen. Dabei legt die Allianz einen Teil der gezahlten Beiträge in Investmentfonds an. Beim Vertragsschluss legt die Versicherung keinen festen Euro-Betrag für die spätere Rente fest, sondern einen sogenannten Rentenfaktor. Dieser beeinflusst, wie viel Rente der Versicherte später für das angesparte Geld bekommt.
Genau hier liegt der rechtliche Knackpunkt. Denn eine Klausel in den Riester-Verträgen erlaubte es der Allianz, den Rentenfaktor zu senken, nachdem der Vertrag abgeschlossen wurde. Das heißt konkret: die Rente der Versicherten zu reduzieren. Zum Beispiel, wenn die Erträge aus den Fonds zurückgehen oder die Versicherten länger leben als erwartet. Die Allianz nutzte die Klausel, um den Rentenfaktor – mehrfach – bei vielen Versicherten zu senken.
Für Hilmar Wolman ist das eine Enttäuschung: Wenn sein jetziger Rentenfaktor bestehen bliebe, hätte man ihm ein Viertel der Rendite abgenommen, sagt er. „Ich müsste knapp 100 Jahre alt werden, um mein Eingezahltes wieder rauszubekommen“, so Wolman.
Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg
Franz Billinger, Sprecher der Allianz-Versicherung, verteidigt die Anpassung des Rentenfaktors. Die Allianz habe deswegen die Rentenfaktoren angepasst, um höhere Renditechancen zu erhalten und eine höhere Chance auf eine attraktive Rente zu sichern.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hält die Klausel für rechtlich nicht zulässig. Sie sei aus Sicht der Verbraucher unfair, sagt Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Wenn der Versicherer meint, er muss die Rente wegen schlechter Zinslage kürzen, muss er sich auch verpflichten, die Rente auch wieder zu erhöhen, wenn die Zinslage besser geworden ist“, so Nauhauser.
BGH kippt Klausel
Deshalb hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Allianz geklagt, der Fall landete vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH hat der Verbraucherzentrale jetzt Recht gegeben und die Klausel gekippt. Sie belaste einseitig den Verbraucher und berücksichtige nur die Interessen der Versicherung. Denn für die Verbraucher gebe es keine Möglichkeit, dass der Rentenfaktor wieder erhöht wird, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder bessern, so der BGH.
Christoph Karczewski, der Vorsitzende des vierten Zivilsenats, wies bei der Urteilsbegründung auf das sogenannte Symmetriegebot hin, das hier gelte. Dieses verpflichte den Versicherer, der den Rentenfaktor aufgrund von Verschlechterungen der Umstände herabgesetzt hat, spätere Verbesserungen in vergleichbarer Weise an die Versicherungsnehmer weiterzugeben.
Die Allianz-Versicherung darf sich jetzt nicht mehr auf die Klausel berufen, um den Rentenfaktor in den Riester-Verträgen herabzusenken. Zwar betrifft das BGH-Urteil unmittelbar nur die Allianz, doch auch andere Versicherer verwenden ähnliche Klauseln. Deshalb dürfte das Urteil eine Ausstrahlungswirkung für die gesamte Versicherungsbranche haben.
AZ: IV ZR 23/25









