Währungsumstellung Bulgarien bekommt den Euro – trotz Regierungskrise
Stand: 30.12.2025 06:26 Uhr
Bulgarien führt zum Jahreswechsel den Euro ein – unter komplizierten Umständen. Die Regierung ist nach Massenprotesten zurückgetreten und das Land das ärmste der EU. Doch es erfüllt die Euro-Beitrittskriterien.
Kroatien war vor drei Jahren das letzte Land, das der Eurozone beigetreten ist. Polen, Tschechien, Rumänien und Ungarn arbeiten noch daran – mehr oder weniger intensiv. Doch jetzt ist Bulgarien an der Reihe, am 1. Januar 2026 wird es das 21. Euro-Land.
Um den Umstieg etwas zu erleichtern, wurden alle Tage der ersten Januarwoche in Bulgarien zu Feier-, Brücken- und Wochenendtagen erklärt. Der erste offizielle Geschäftstag mit dem Euro wird Montag, der 5. Januar sein.
Ruslan Stefanov geht fest davon aus, dass das glatt über die Bühne gehen wird, trotz aller politischen Krisen im Land. Stefanov ist ein unabhängiger Wirtschaftsexperte am Zentrum für Demokratiestudien in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. „Bulgarien war in den letzten 20 Jahren wirtschaftlich robust und finanziell ziemlich erfolgreich. Bulgarien gehörte da zu den Top fünf Ländern in Europa, was das verantwortungsvolle Haushalten mit niedriger Verschuldung angeht“, sagt Stefanov.
Justizsystem weitgehend korrumpiert
Der Ökonom erwähnt die globale Finanzkrise im Jahr 2008, die Bulgarien ohne externe finanzielle Hilfen bewältigt habe, anders als zum Beispiel der Euro-Aspirant Rumänien. Ebenso habe Bulgarien die Corona-Pandemie ausschließlich mit eigenen Hilfsfonds überstanden. Stefanov spricht von „finanziellen Schocks“, die alle Länder betroffen haben und zählt dabei noch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf.
Hinzu käme bei Bulgarien noch die instabile politische Lage, mit ständigen Regierungsrücktritten und sieben Parlamentswahlen innerhalb der letzten viereinhalb Jahre. Voraussichtlich kommt es schon bald zur achten Wahl. Außerdem sei das bulgarische Justizsystem ein Problem, denn es gilt als politisch beeinflusst und weitgehend korrumpiert.
„Nichtsdestotrotz muss man sagen, dass sich Bulgarien wirtschaftlich gut geschlagen hat und ich habe keinen Zweifel daran, dass Bulgarien bereit ist, der Eurozone beizutreten,“ so Stefanov. Er geht auch davon aus, dass Bulgarien die Eurozone nicht in außergewöhnlichem Maße belasten wird. „Die baltischen Staaten standen nicht besser da, als sie vor mehr als zehn Jahren der Eurozone beigetreten sind“, sagt der Ökonom.
Keine Euro-Begeisterung in Bulgarien
Bulgarien ist das ärmste EU-Land, mit einem Brutto-Durchschnittslohn von 1.300 Euro pro Monat. Laut Transparency International ist es zudem das zweitkorrupteste EU-Land, nach Ungarn. Doch das war für den Euro-Beitritt nicht entscheidend. Hier zählen die sogenannten Maastrichter Konvergenzkriterien. Die Inflation im Land, die Staatsverschuldung und das Haushaltsdefizit dürfen nicht zu hoch sein. Die Zinsen und der Kurs der alten Landeswährung müssen langfristig stabil sein.
Das alles hat Bulgarien, nach Ansicht der EU-Kommission, des ECOFIN-Rats und des Europäischen Parlaments, in ausreichendem Maße erfüllt, und so haben alle Gremien dem bulgarischen Euro-Beitritt zugestimmt.
Die bulgarische Bevölkerung war nie in großer Euro-Begeisterung und ist bis zuletzt skeptisch geblieben. Umfragen zeigen meistens, dass etwas mehr als die Hälfte der Bulgarinnen und Bulgaren die Einführung des Euro ablehnen. Die negative Stimmung gegenüber dem Euro wird auf Marktplätzen in Bulgarien schnell spürbar.
„Wir sind nicht bereit für den Euro“
Der 67-jährige Taran Ismailov verkauft Gemüse auf dem Zhenski Pazar, einem Markt in der Innenstadt von Sofia. Er erzählt von irrwitzigen Preissteigerungen kurz vor dem Währungsumstieg. „Ich kann hier auf dem Markt bald nicht mehr verkaufen. Denn meine beiden Marktstände kosteten mich bislang 900 Leva Miete pro Monat, und das soll jetzt um mehr als das Doppelte erhöht werden, auf 1.920 Leva, also auf rund 1.000 Euro. Wie soll ich das denn bezahlen“, fragt der Markthändler mit deutlichem Frust in der Stimme.
Ismailov findet, dass Bulgarien zu arm für den Euro sei und deshalb lieber die Finger davon lassen sollte. „In Bulgarien herrscht Hunger, Elend und Arbeitslosigkeit. Ich muss hier auf dem Markt verkaufen, weil ich nur 660 Leva (330 Euro) Rente bekomme“, sagt Ismailov. „Wer ist so idiotisch, dass er davon leben und Miete, Strom, Wasser und Medikamente kaufen kann. Wir sind nicht bereit für den Euro.“
Vor den großen Anti-Korruptionsprotesten in Bulgarien, die am 11. Dezember zum Rücktritt der Regierung führten, gab es auch einige Anti-Euro-Demonstrationen im Land. Allerdings waren sie deutlich kleiner und sie wurden nicht von den Reformparteien organisiert, sondern von der rechtsradikalen pro-russischen Partei Vazrazhdane („Wiedergeburt“). Der Vizevorsitzende der Partei, Petar Petrov, stellt den Euro als den großen Preistreiber für Bulgarien dar.
Starke Preiserhöhungen
„Seit einem Jahr sehen wir große Preissteigerungen, aber keine Lohnsteigerungen. Unsere Partei fordert daher, den Lew zu behalten und eine unabhängige Währungspolitik zu machen. Wir werden am 5. Januar, dem ersten Geschäftstag mit dem Euro, eine schlimme Situation im Land haben“, sagt Petrov.
Euro ist gleich Teuro – diese Diskussion gab es in nahezu jedem Land, in dem der Euro eingeführt wurde, auch in Deutschland. Dabei sollte in Bulgarien die Währungsumstellung allein nicht zu Preissteigerungen führen, denn der bulgarische Lew war ab 1997 fix an den Kurs der D-Mark gekoppelt und seit 1999 an den Euro. Zwei Leva sind ziemlich genau ein Euro.
Doch wie überall nutzen Geschäftemacher die Währungsumstellung für saftige Preiserhöhungen aus, und so hat der Euro auch in Bulgarien zu seiner Einführung ein Imageproblem. Der bulgarische Wirtschaftsexperte Stefanov kann die Bedenken verstehen, wobei für ihn das Positive bei der Euro-Einführung überwiegt.
„Es geht um eine langfristige Wirkung. Wir bekommen eine stabile Währung. Wir treten einem großen Markt bei. Wir können unsere Vermögenswerte frei verkaufen und die Preise leichter vergleichen. Aber das kann man den Menschen natürlich nicht so leicht schmackhaft machen. Das ist etwas, was die Menschen nicht sofort spüren“, sagt Stefanov.









