George Clooney geht es nicht gut. Die Nachricht versetzte in den vergangenen Tagen das Filmfest von Venedig mehr in Aufruhr als die Verlobung von Taylor Swift die Popwelt. Denn Italien liebt Clooney. Nicht erst seit er vor mehr als zehn Jahren seine Hochzeit mit der Menschenrechtsanwältin Amal in der Lagunenstadt feierte – und dabei zeigte, dass man ein solches Event auch glamourös und respektvoll gestalten kann –, ist der Hollywoodstar hier ein gern gesehener Gast. In diesem Jahr erwartete man ihn am Lido zur Premiere seines neuen Films „Jay Kelly“.
Die ersten Fans campten schon Tage vor der Filmpremiere am roten Teppich, trotzten knallender Sonne und heftigen Regenschauern, um sich den besten Platz für die Autogrammjagd zu sichern. Am Mittwochmittag, Stunden bevor das älteste Filmfest der Welt offiziell eröffnet werden sollte, entdeckten Paparazzi die Clooneys in einem Wassertaxi bei der Ankunft in Venedig. Die Anwältin spazierte in einem eng anliegenden buttergelben Balmain-Kleid vom Boot, am Arm ihren Ehemann, der in Wildlederslippern und hellen Hosen daran erinnerte, dass einstmals Hollywoodstars wie Cary Grant oder Marcello Mastroianni Eleganz einer vom Marketingteam gesteuerten Modekampagne zur Filmbewerbung vorzogen. Clooney ist einer der letzten, der sich im Anzug so frei bewegt, als trüge er Jogginghosen.
Ironischerweise ist genau diese Eleganz aber dann doch der Stil, den seine Filmfigur in Noah Baumbachs Wettbewerbsbeitrag „Jay Kelly“ trägt. Clooney spielt darin einen alternden Hollywoodstar, der seiner Tochter auf ihrer Europareise vor dem Collegeantritt hinterherreist, um verpasste Vater-Kind-Zeit nachzuholen. Die Garderobe der fiktiven Figur besteht aus makellosen weißen Leinenanzügen. Zur Beerdigung eines Weggefährten trägt der fiktive Star einen dunkelblauen Anzug zur farblich passenden Sonnenbrille. Ob Clooney sich nach Drehschluss im Kleiderdepartment am Filmset bedient hat oder gleich seine eigenen Anzüge mitbrachte, bleibt ein Rätsel. Als er am Mittwochnachmittag allerdings auf der schmalen Lidoinsel vom Boot hüpft, versteckt er seine Augen hinter dunkelblauen Sonnenbrillengläsern wie im Film. Hätte man da schon ahnen können, dass es ihm nicht gut geht?
Kommt er zur Premiere wieder auf die Beine?
Interviews sagt sein Presseteam wenig später ab. Auch der Eröffnungsfeier am Mittwochabend und der Pressekonferenz seines Regisseurs bleibt er fern. „Auch Filmstars werden mal krank“, entschuldigt Baumbach seinen Hauptdarsteller. Seine Filmkollegen loben die Arbeit mit Clooney derweil in höchsten Tönen. Auch Journalisten, die ihn schon einmal getroffen haben, sind sich einig: Das sei kein divenhaftes Verhalten eines Schauspielers; Clooney ist vielmehr dafür bekannt, seine Presseverpflichtungen gewissenhaft wahrzunehmen, ja dabei sogar immer charmant und humorvoll zu bleiben. Er weiß, dass dies Teil seines Jobs ist. Man war sich also einig: Wenn er alles absagt, geht es dem 64 Jahre alten Schauspieler wirklich nicht gut. Es blieb die Frage: Wird er bis zur Filmpremiere am Donnerstagabend wieder auf den Beinen sein?
Während ein Teil der Filmbubble auf Social Media also über Clooneys Gesundheitszustand spekulierte, staunte ein anderer über einen neuen Instagram-Account. Werner Herzog hat zu Wochenbeginn begonnen, auf der Plattform Persönliches zu teilen. Am Montag veröffentlichte er dort ein Video, in dem er in Sandalen im Garten vor einem Grill steht. Ein Steak zischt überm Feuer. In seiner gewohnt sonoren Tonlage, die er sonst nutzt, um seine Dokumentarfilme zu kommentieren, erklärt er auf Englisch die Absicht, von nun an auch auf Social Media Einblicke in sein Schaffen zu geben. Stoff hatte er in den vergangenen Tagen reichlich, reiste er doch nach Venedig, um hier den Ehrenlöwen für sein Lebenswerk entgegenzunehmen.
Die Laudatio am Eröffnungsabend hielt Herzogs alter Freund Francis Ford Coppola. Der amerikanische Regisseur lobte seinen deutschen Kollegen: „Sein umfassendes Schaffen kann nicht nur die Seiten einer Enzyklopädie füllen, er ist selbst ein wandelndes Lexikon.“ Besonders Herzogs Abenteuerfilme aus den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren wie „Aguirre – Der Zorn Gottes“ und „Fitzcarraldo“ hob Coppola hervor; etwas Ähnliches habe er zuvor noch nie im Kino gesehen. In beiden Filmen spielte Klaus Kinski die Hauptrolle; in „Fitzcarraldo“ versucht er, im Dschungel ein Opernhaus zu errichten, und lässt dafür ein Schiff über einen Hügel ziehen – ein Mann, der zur Verwirklichung seines Traums jedes Hindernis zu überwinden bereit ist.
„Verdiene ich überhaupt einen Löwen?“
Vor solchen stand auch Herzog, als er die Idee für den Film mit sich herumtrug, wie er in seiner Dankesrede verriet. Ohne Coppolas Hilfe, betonte er, würde es „Fitzcarraldo“ gar nicht geben. „Ich kenne Francis seit einem halben Jahrhundert. Er hat mich in seinem Haus übernachten lassen, als ich nicht mal das Geld für ein Hotel in L.A. hatte. Ich schrieb dort das Drehbuch für ‚Fitzcarraldo‘“, sagte Herzog. Und er fügte hinzu, dass er dem Amerikaner auch sein privates Glück verdanke. Coppola habe ihm bei einer kleinen Party in seinem Haus vor fast 30 Jahren seine heutige Ehefrau Lena vorgestellt.

Die russischamerikanische Künstlerin und Fotografin begleitete ihren Mann auch für die Ehrung nach Venedig – und es würde nicht überraschen, wenn die Kurzvideos, die auf Herzogs Instagram-Kanal von der Verleihung des geflügelten Goldlöwen geladen wurden, mit ruhiger Hand von ihr aufgenommen worden sind.
Mit der Auszeichnung habe er gar nicht gerechnet. „Verdiene ich überhaupt einen geflügelten Löwen, wo ich doch immer mehr der Elefant im Raum bei Filmfestspielen war?“, fragte Herzog das Publikum. Ein Wortspiel, das schon auf Herzogs neuesten Film Bezug nahm, denn der 82 Jahre alte gebürtige Münchner kam nicht mit leeren Händen nach Venedig. Im Rahmen des Festivals feierte sein neuer Dokumentarfilm „Ghost Elephants“ Premiere, in dem er einem Elefantenforscher in die angolanische Hochebene folgt, auf der Suche nach den Nachfahren des größten lebenden Landsäugetiers. Gibt es die riesige Elefanten-Subspezies, von deren Sichtung der Forscher träumt, wirklich? Oder jagt der Wissenschaftler seiner persönlichen Version von „Moby Dick“ hinterher? Und was erzählen uns das afrikanische Hochland und seine Bewohner über die Ursprünge der Menschheit? All diese Fragen erforscht Herzog in distinguiertem Akzent – allein für diesen lohnt es sich, ihm auf Instagram zu folgen. Innerhalb weniger Tage taten das bereits 300.000 Filmfans.

Ebenso begeistert zeigten die sich, als George Clooney dann doch noch zur „Jay Kelly“-Premiere auftauchte. Als wolle er die Absagen wieder gutmachen, nahm er sich enorm viel Zeit für Selfies und Autogramme, schüttelte Hände, sprach mit seinen Fans. Als einer ihn fragte, ob es ihm besser gehe, schüttelte er nur den Kopf. Vom Presseteam hatte die Welt zuvor erfahren, woran der Filmstar erkrankt war: starke Sinusitis. Nasennebenhöhlenentzündung also. Auch Filmstars werden eben mal krank.