Stand: 01.12.2025 04:27 Uhr
Der Optimismus war groß, die Ernüchterung ist umso größer: Denn die deutsch-polnischen Beziehungen stecken fest. Ob die bevorstehenden Regierungskonsultationen neuen Schwung bringen, ist unklar.
Von Von Martha Wilczynski, ARD-Studio Warschau
Von einer Chance, die deutsch-polnischen Beziehungen zu stärken, sprach Polens Premierminister Donald Tusk beim Antrittsbesuch des damals frischgebackenen Bundeskanzlers Friedrich Merz in Warschau – so, dass sie Deutschland, Polen und Europa bestmöglich dienen. Er sei überzeugt, Merz‘ Ansichten und seine Haltung zum deutsch-polnischen Verhältnis, zu Polen und zu Europa sehr gut zu kennen, so Tusk damals. „Ich weiß genug, um heute optimistisch in die Zukunft unserer Beziehungen zu blicken.“
Aufschwung bleibt aus
Das war Anfang Mai, vor mehr als einem halben Jahr – inzwischen aber ist klar: Der von Tusk beschworene „neue Schwung“ in den bilateralen Beziehungen ist ausgeblieben. Mehr noch: Das Verhältnis der Polen zu den Deutschen ist so schlecht wie seit 20 Jahren nicht. Das zeigen die erst kürzlich veröffentlichten Zahlen des Polen-Deutschland Barometers, einer alljährlichen Befragung, die das Verhältnis beider Länder zueinander seit 25 Jahren untersucht.
Nur noch ein Drittel der Polinnen und Polen empfindet demnach Sympathie für die Deutschen, bei jedem Vierten ist es sogar Abneigung. Auch bei den Passanten im Zentrum Warschaus ist das Stimmungsbild durchwachsen. „Das Schlimmste ist, dass wir Polen kaum etwas zu sagen haben. Und ich habe den Eindruck, dass auch unsere polnische Identität verschwindet. Die Deutschen sind da keine große Hilfe“, sagt etwa die 40-jährige Malgorzata.
PiS nutzt Abneigung gegen Deutschland
Mit dem Gefühl vieler Polinnen und Polen, von ihren deutschen Nachbarn nicht gesehen zu werden, machen vor allem die Nationalpopulisten in Polen seit Jahren Politik – indem sie Deutschland zu einem aggressiven Hegemonialstaat erklären, gegen den es sich zu wehren gilt.
Erst kürzlich erklärte Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der PiS-Partei, in einer Rede wieder einmal, Deutschland wolle den Polen ihren Staat wegnehmen. Entsprechend konfliktgeladen waren die Beziehungen zur Zeit der PiS-Regierung. Auch die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen lagen damals auf Eis – insgesamt acht Jahre lang. Erst nach dem Regierungswechsel wurde das Format wieder aufgenommen.
„Deutsche sehen Polen gar nicht“
Und dennoch haben es beide Seiten verpasst, sich wieder einander anzunähern, kritisieren Beobachter. Schuld daran sei aber nicht nur die politische Polarisierung in Polen, sondern auch eine gewisse Ignoranz der Deutschen gegenüber ihren östlichen Nachbarn, sagt Professor Karolina Wigura, Soziologin an der Universität Warschau.
„Die Deutschen sehen Polen gar nicht“, so Wigura. „Man muss nur in ein beliebiges historisches Museum gehen, um zu erkennen, dass die Deutschen zwar Frankreich sehen, aber nicht Polen. Und das ist etwas, worauf unsere Diplomatie und unsere Maßnahmen erst einmal eingehen sollten.“
Für einen Durchbruch in den aktuellen deutsch-polnischen Beziehungen wäre eine ehrliche und starke Geste Deutschlands vonnöten – zur Wiedergutmachung und Anerkennung polnischer Kriegsopfer, meint Piotr Buras, Leiter des Warschauer Büros des European Council for Foreign Relations. Und – erst an zweiter Stelle – ein neues gemeinsames politisches Projekt.








