Historischer Grenzkonflikt Kämpfe zwischen Kambodscha und Thailand eskalieren
Stand: 09.12.2025 17:19 Uhr
Im Oktober vereinbarten Thailand und Kambodscha noch ein Waffenruheabkommen, jetzt wird an der Grenze zwischen den beiden Ländern wieder heftig gekämpft. Beide Seiten berichten von Toten und zahlreichen Vertriebenen.
Nur rund sechs Wochen nach Unterzeichnung eines Waffenruheabkommens zwischen Thailand und Kambodscha ist die Gewalt an der gemeinsamen Grenze vollends eskaliert. Vielerorts entlang der 800 Kilometer langen Grenze der südostasiatischen Länder tobten heute heftige Gefechte. Zehntausende Bewohner des Grenzgebiets beider Seiten mussten in Schutzunterkünfte oder sicherere Landesteile flüchten.
Beide Länder gingen mit Soldaten am Boden und teils unter Einsatz schwerer Geschütze gegeneinander vor. Die thailändische Luftwaffe flog nach Angaben loakler Medien weitere Angriffe auf mutmaßliche kambodschanische Armeestellungen. Ziel sei, das Militär des Nachbarstaats langfristig zu dezimieren, zitierte die Zeitung Bangkok Post den Generalstabschef des Militärs, Chaiyaphreuk Duangpraphat. Damit solle die Sicherheit der künftigen Generationen in Thailand gewährleistet werden.
Kambodschas Senatspräsident Hun Sen erklärte, man habe zunächst Zurückhaltung gewahrt, um den am 26. Oktober vereinbarten Waffenstillstand zu respektieren. Doch inzwischen werde gekämpft, um sich zu verteidigen, und zwar mit „Schützengräben und Waffen aller Art“.
Experte sieht ungleichen Kampf
Die aktuelle Rhetorik aus Bangkok lasse eine weitere Eskalation der Lage vermuten, sagte der Leiter der Forschungsgruppe Asien von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Felix Heiduk, der Nachrichtenagentur dpa. Der Kampf sei allerdings ein ungleicher: „Kambodschas Armee hat nur ein Drittel der Größe der Armee Thailands, das Militärbudget ist weitaus geringer und das Land hat überhaupt keine Luftwaffe“, so Heiduk.
Ob Thailand seine militärische Überlegenheit nutzen werde, um zum Beispiel Gebiete zu annektieren, sei allerdings reine Spekulation. Öffentliche Aussagen dazu gebe es bisher nicht. Hauptleidtragende des Konflikts sei in jedem Fall die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten.
Evakuierte, die nach Zusammenstößen zwischen thailändischen und kambodschanischen Truppen geflohen sind, ruhen sich in einem Evakuierungszentrum in Thailand aus.
Auch der grenzüberschreitende Handel und die für beide Länder wichtige Arbeitsmigration aus Kambodscha nach Thailand seien gestört, so Heiduk. „Aus wirtschaftlicher Sicht macht dieser Konflikt für keines der beiden Länder irgendwie Sinn.“ Politisch berge die Eskalation allerdings eine Chance für Thailands Übergangs-Premierminister Anutin Charnvirakul. Der dürfte Heiduk zufolge noch im Dezember Neuwahlen für Anfang 2026 ausrufen.
„In Umfragen liegt er, der aus dem konservativen, militärnahen Lager stammt, gegenüber linken, progressiven Kräften zurück“, sagte Heiduk. Er könnte also den Grenzkonflikt für die eigene Darstellung als Verteidiger der thailändischen Souveränität innenpolitisch nutzen.
Tote und Evakuierungen auf beiden Seiten
Kambodscha und Thailand beschuldigen sich seit Sonntag, eine zuletzt geltende Waffenruhe im Grenzgebiet zuerst verletzt zu haben. In Kambodscha kamen nach Angaben des Verteidigungsministeriums seit Montag mindestens sieben Zivilisten ums Leben, mindestens 20 wurden verletzt.
Thailändische Medien meldeten unter Berufung auf das Militär den Tod von vier Soldaten. Das thailändische Nachrichtenportal Khaosod berichtete unter Berufung auf das Militär von heftigen kambodschanischen Angriffen auf thailändisches Hoheitsgebiet, unter anderem mit Mörsern und Artillerie. Der Bangkok Post zufolge wurde auch die thailändische Marine eingesetzt, um in der Provinz Trat kambodschanische Soldaten aus dem von ihnen besetzten Grenzgebiet zu verdrängen.
Nach Angaben der thailändischen Armee wurden in vier Grenzprovinzen fast 500 Notunterkünfte eingerichtet, in denen mehr als 125.000 Menschen untergebracht sind. Der kambodschanische Informationsminister Neth Pheaktra sagte, fast 55.000 Menschen seien evakuiert worden und die Zahl der Evakuierten steige weiter.
Weg Richtung Frieden vorerst am Ende?
Die Nachbarländer hatten nach schweren Kämpfen im Juli Ende Oktober in Anwesenheit von US-Präsident Donald Trump auf dem Asean-Gipfel in Malaysia eine Erklärung für einen Weg Richtung Frieden unterzeichnet. Doch bereits im November wurde die vereinbarte Feuerpause nach einem neuerlichen Vorfall an der Grenze ausgesetzt.
Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in das unmittelbare Grenzgebiet und rät auch von Reisen in Provinzen in Grenznähe ab. Touristen wird geraten, sich in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts einzutragen.










