Krieg im Gazastreifen Hamas schürt Angst vor Verschwinden der Geiseln
Stand: 20.09.2025 17:22 Uhr
Israel hat seine Offensive in Gaza-Stadt mit schweren Bombardierungen fortgesetzt. Die Hamas reagiert mit einer Fotomontage. Sie wird in Israel als Drohung verstanden, dass die verbliebenen Geiseln für immer verschwinden könnten.
Trotz weltweiter Kritik führt Israel seine militärische Offensive in der Stadt Gaza mit großer Härte fort. Es gebe schwere Bombardierungen und einen „Ring aus Feuer“ in mehreren Teilen der größten Stadt des Küstenstreifens, berichtete das israelische Nachrichtenportal „ynet“ unter Berufung auf palästinensische Quellen.
Nach Angaben aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen wurden mindestens 56 Palästinenser getötet, davon mindestens 31 in der Stadt Gaza. Zudem seien rund 80 Schwerverletzte gezählt worden. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Informationen nicht.
Die israelische Armee zerstörte nach eigenen Angaben in Gaza-Stadt und anderen Teilen des Küstengebiets Tunnel, Sprengfallen und von Hamas-Terroristen genutzte Gebäude sowie Scharfschützenstellungen. Eine ungenannte Zahl von Gegnern sei getötet worden. Insgesamt seien mehr als 100 „Terrorziele“ attackiert worden. Auch diese Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar.
Hamas mit Anspielung auf verschollenen Soldaten
Die Hamas reagierte auf die heftigen Angriffe mit einer verklausulierten Drohung, dass die verbliebenen Geiseln für immer verschollen bleiben könnten. Die islamistische Terrororganisation veröffentlichte ein Bild mit Fotos von 47 Geiseln. Unter jedem der Fotos steht derselbe Name „Ron Arad“. Der israelische Soldat Arad war 1986 in einem Kampfflugzeug im Libanon abgestürzt. Er wurde damals gefangen genommen, doch trotz intensiver jahrzehntelanger Bemühungen Israels wurde er nie freigelassen. Sein ungeklärtes Schicksal bewegt die israelische Öffentlichkeit bis heute.
Überschrieben ist die Fotomontage auf Arabisch und Hebräisch mit einer eindeutigen Warnung: „Aufgrund der Weigerung Netanjahus und Zamirs Unterwerfung ein Abschiedsfoto zum Beginn der Operation Gaza.“ Der Text beschuldigt damit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu offensichtlich, eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln verweigert zu haben. Zugleich wirft der Text Generalstabschef Ejal Zamir vor, er führe den Befehl zur Eroberung der Stadt Gaza aus, obwohl er Berichten zufolge dagegen war.
Beerdigung wichtig für Israelis
Die Hamas hatte schon vor Tagen gewarnt, der Beginn der israelischen Offensive in der Stadt bedeute, dass keiner der Entführten je nach Israel zurückkehren werde. Demzufolge holte die Hamas die aus Israel entführten Geiseln aus Tunneln und verteilte sie auf mehrere Viertel der Stadt Gaza, um so die israelische Armee von Angriffen abzuhalten. Eine würdige Beerdigung ist für Israelis aus religiösen, menschlichen und gesellschaftlichen Gründen von größter Bedeutung. Das gilt insbesondere auch für gefallene Soldaten. Die Armee hat einen Kodex, der vorsieht, dass Soldaten „nicht zurückgelassen“ werden – weder lebend noch tot.
Israel hatte in der Nacht zu Dienstag die höchst umstrittene Bodenoffensive Gaza-Stadt begonnen, in der noch Hunderttausende Palästinenser leben. Die Armee erklärte, dass sie dabei „beispiellose Gewalt“ anwende. Nach israelischen Angaben von gestern sollen bereits rund 480.000 Palästinenser die Stadt in dem abgeriegelten Küstengebiet verlassen haben. Sie versuchen sich in Richtung der sogenannten humanitären Zone Al-Mawasi im Südwesten des Gazastreifens durchzuschlagen. Vor dem Beginn der Militäroffensive Israels in der Stadt lebten dort rund eine Million Menschen.
Debatte über Gaza-Krieg bei UN-Vollversammlung
Die Offensive Israels dürfte in der kommenden Woche eines der Hauptthemen der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York sein. UN-Generalsekretär António Guterres prangerte vorab erneut die Lage im Gazastreifen an, nannte sie „entsetzlich“. Dies sei „die schlimmste Stufe von Tod und Zerstörung“, die er in seiner Zeit als Generalsekretär und wahrscheinlich in seinem Leben gesehen habe, sagte er am Freitag der Nachrichtenagentur AFP.
Guterres sagte weiter, das Leiden der palästinensischen Bevölkerung könne nicht beschrieben werden, „Hungersnot, völliger Mangel an wirksamer Gesundheitsversorgung, Menschen, die ohne angemessene Unterkünfte in riesigen Ballungsgebieten leben“.
Schon vor Beginn der Offensive hatten mehrere Staaten die Anerkennung eines palästinensischen Staats angekündigt. Es wird erwartet, dass Frankreich und neun andere Länder das am Montag in New York umsetzen werden. Israel hat Berichten zufolge mit der Annexion des Westjordanlands gedroht, sollten westliche Staaten ihre Pläne für die Anerkennung eines palästinensischen Staats umsetzen.