Seine Kompressoren liefert Neuman & Esser in die ganze Welt. Mittlerweile baut das Familienunternehmen mit Sitz in Übach-Palenberg auch Elektrolyseure. Sie dienen der Erzeugung von Wasserstoff, der eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft spielen soll
In stabilen Sicherheitsschuhen führt Alexander Peters durch die Produktionshallen von Neuman & Esser. Im vorderen Bereich lagern riesige Komponenten aus Gusseisen, die später mit großen Dreh- und Fräsmaschinen individuell für die Abnehmer bearbeitet werden. „Bei uns bekommt jeder Kunde eine Maschine wie einen Maßanzug, der ganz auf seine speziellen Bedürfnisse hin gefertigt wird“, erläutert der geschäftsführende Gesellschafter des Familienunternehmens mit Sitz in Übach-Palenberg bei Aachen.
Neuman & Esser kann auf eine lange Geschichte zurückblicken: 1830 als Maschinenfabrik und Kupferschlägerei in Aachen gegründet, bestimmt seit 1891 die Unternehmerfamilie Peters die Geschicke. Seit Jahrzehnten sind Kompressoren das wichtigste Produkt. Diese Anlagen spielen in vielen Industrien zur Verdichtung von Gasen eine wichtige Rolle. Seit 1900 baut die Firma Gaskompressoren. Größtes Produkt ist ein achtkurbeliger Kolbenkompressor zur Verdichtung von Wasserstoffmischgasen, eine riesige Anlage, die an einen Konzern in den USA verkauft wurde. Dort sitzt auch ein Mitbewerber in diesem Segment, der Konzern Baker Hughes, in Europa ist Siemens Energy einer der großen Konkurrenten. Bei Neuman & Esser sieht man sich gegenüber solchen „Tankern“ als „Schnellboot“, wie es Alexander Peters beschreibt. Seit 2007 leitet der 53-jährige Wirtschaftsingenieur mit Abschluss an der Universität Siegen das Unternehmen in vierter Generation. „Wir können hier sehr schnell reagieren und Entscheidungen treffen.“
Viele Kunden auch in Nordrhein-Westfalen
Anwendungen finden die hergestellten Verdichter vor allem in der öl- und gasverarbeitenden Industrie, etwa bei Evonik, Covestro und BASF. Auch in den beiden NRW-Raffinerien in Köln-Wesseling und Gelsenkirchen-Scholven findet man zahlreiche Produkte von Neuman & Esser, ebenso bei großen Gasherstellern wie Linde und Air Liquide.
Bislang stehen Kompressoren für etwa 85 Prozent des Umsatzes. Der stieg von 1965, als der heutige Senior Klaus Peters mit seinem Bruder Hans Joachim die Leitung des Unternehmens übernahm, von sechs Millionen D-Mark auf zuletzt 460 Millionen Euro. Diese Verkaufserlöse werden zu 88 Prozent außerhalb Deutschlands und zu 70 Prozent außerhalb Europas erzielt. Aktuell sind bei Neuman & Esser in drei Holdings und 88 operativen Firmen weltweit etwa 1900 Mitarbeiter beschäftigt, davon 1333 in Deutschland, etwa 700 in Übach-Palenberg. Dorthin war der Sitz 1972 wegen Platzmangels am früheren Standort in Aachen verlegt worden.
Und hier gibt es bereits konkrete Vorhaben, auch in NRW. So entsteht in einem Heinsberger Industriegebiet seit 2023 eines der größten Wasserstoff-Projekte der Region, für das Neuman & Esser die Anlagentechnik inklusive eines Elektrolyseurs aus eigener Fertigung liefert; beteiligt sind auch weitere Partner aus der Region. Der Bau des zwei Megawatt starken Elektrolyseurs – in der Anlage wird destilliertes Wasser durch elektrischen Strom in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten – samt einer Wasserstofftankstelle wird vom Land NRW mit 1,8 Millionen Euro unterstützt. Ende des Jahres soll die Tankstelle mit vor Ort erzeugtem grünem Wasserstoff in Betrieb gehen, bis zu zwölf Brennstoffzellenbusse könnten so betrieben und rund 1000 Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart werden.
Für ein wirtschaftliches Betreiben der Anlage sei auch der Strompreis essenziell, der in Deutschland nach unten müsse. Derzeit kostet die Kilowattstunde für Industriestrom um die 16 Cent. Für die Wasserstoff-Erzeugung sollte er aber möglichst bei fünf bis zehn Cent liegen, sonst wird der Wasserstoff zu teuer, so Stefanie Peters. Derzeit sei die Wasserstoff-Euphorie leider etwas zum Erliegen gekommen. Man brauche nun möglichst schnell das versprochene Kernnetz für Wasserstoff, das bis 2032 stehen sollte. Das Heinsberger Projekt zeige aber auch, dass man auch ohne Kernnetz und große Infrastruktur Wasserstoff-Projekte an den Markt bringen könne. Und das am schnellsten mit dezentralen Clustern, die die Erzeugung und Anwendung an einem Ort realisieren und somit aufwendige Transporte vermieden werden können. „Wir brauchen jetzt Anwendungsfälle im industriellen Maßstab, denn wir wollen die Technologien ja hier bei uns weiterhin produzieren und auch anwenden“, sagt Stefanie Peters.
Wasserstoff könne zur Dekarbonisierung alle Sektoren dienen, erläutert Alexander Peters. Zunächst den Verkehrs- und Mobilitätssektor, dann die Industrie, etwa in der Chemie. Dazu müsse man aber auch die regulatorischen Rahmenbedingungen schaffen und gezielter öffentlich fördern. „Wir sind wasserstoff-ready.“ Bei Neuman & Esser hofft man – wie in vielen anderen deutschen Unternehmen – auf Impulse der neuen Bundesregierung und die zügige Umsetzung des Koalitionsvertrages. „Und das Ganze muss man natürlich europäisch denken“, betont Alexander Peters.
Dass Neuman & Esser mittlerweile selbst Elektrolyseure für die Energiewende baut, liegt auch an der Übernahme einer Firma in Brasilien vor wenigen Jahren. Dort habe man einen Spezialisten für Elektrochemie gekauft, den sechs Uni-Absolventen gegründet hatten, wie Alexander Peters berichtet. „Und das Schöne ist, dass hinter jedem Elektrolyseur auch Kompressoren stehen.“ Beide Bereiche ergänzten sich also perfekt. Mit Kompressoren sind die Rheinländer auch bei einem der größten Wasserstoff-Projekte in Niedersachsen beteiligt: Dort baut der Energiekonzern EWE in der Wesermarsch eine neue Salzkaverne für die Speicherung von Wasserstoff. Im Rahmen des Großprojektes „Clean Hydrogen Coastline“ wird Neuman & Esser zwei vierkurbelige Kolbenverdichter an EWE liefern. Zudem hat EWE die Verdichter-Technik für einen der größten Elektrolyseure Deutschlands in Emden an das Unternehmen aus NRW vergeben. Die Wasserstofferzeugungsanlage mit einer Leistung von 320 Megawatt soll ab 2027 grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab produzieren. Die nun beauftragten drei Verdichter gehören EWE zufolge zur „essenziellen Peripherie der Anlage und gewährleisten eine effiziente Weiterverarbeitung des erzeugten Wasserstoffs“. Ziel von EWE sei es, „Wasserstoff aus erneuerbaren Energien dort zu erzeugen, wo es systemdienlich und wirtschaftlich sinnvoll ist“, sagt Vorstandschef Stefan Dohler. Emden biete mit der bestehenden Netzinfrastruktur und einem hohen Anteil an abgeregeltem Windstrom die idealen Voraussetzungen. „Gemeinsam mit starken Partnern wie Neuman & Esser treiben wir die Dekarbonisierung des Energiesystems voran“, so Dohler weiter.
Einer Akquisition vor zehn Jahren in NRW ist zu verdanken, dass Neuman & Esser mittlerweile auch verstärkt im Bereich Wasserstoff erfolgreich ist. Damals hatte das Unternehmen die Firma Andreas Hofer Hochdrucktechnik aus Mülheim an der Ruhr übernommen. Hofer brachte bereits Anfang der 2000er-Jahre Verdichter für Wasserstofftankstellen auf den Markt. Diese Übernahme sei für ihre Firma der Einstieg in die Hochdrucktechnik und den Wasserstoffbereich gewesen, berichten die beiden geschäftsführenden Gesellschafter.
Die Elektrolyseure von Neuman & Esser werden am Stammsitz in Übach-Palenberg und auch in Brasilien in einem eigenen Werk produziert, von dort soll der vielversprechende Markt Südamerika beliefert werden. Später sollten vielleicht auch asiatische Länder folgen – oder dort gleich eigene Produktionsanlagen aufgebaut werden. Denn Wasserstoff ist speicherbar, weshalb es ohne ihn keine Energiewende geben dürfte.
Starke Internationalisierung seit den 90er-Jahren
Bereits seit mehr als 30 Jahren ist das Unternehmen verstärkt auf ausländischen Märkten aktiv. Auslöser war nach der Wiedervereinigung die Übernahme eines großen Kompressor-Herstellers in Wurzen bei Leipzig im Jahr 1991. „Wir haben damals dadurch unsere Produktionskapazitäten deutlich erweitert und suchten deshalb nach neuen Absatzmärkten“, berichtet Alexander Peters. Der Vater habe damals das Motto „Folge den Märkten“ ausgegeben. So wurden bereits 1992 in Italien und in den USA Niederlassungen gegründet; weitere folgten, etwa in Ägypten, China und Dubai.
Während das Unternehmen seine Internationalisierung weiter vorantreibt – gerade erst durch die Eröffnung eines Büros im australischen Melbourne –, wird auch in Übach-Palenberg weiter investiert, in den kommenden Jahren etwa fünfzig Millionen Euro. Geplant sind neue Gebäude und Anlagen, unter anderem ein neues Testzentrum für Mahlanlagen und ein weiteres Verwaltungsgebäude mit begrüntem Dach, das von oben betrachtet, wie ein riesiges Molekül aussehen soll. „Wir sind hier verwurzelt“, betont Stefanie Peters. „Und wir glauben an den Produktionsstandort Deutschland.“
Glücklicherweise gebe es bislang keinen Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Das sei auch den guten Verbindungen zu Fachhochschule und RWTH Aachen zu verdanken, in Mülheim/Ruhr zu Hochschulen und Wissenschaftsinstituten im Ruhrgebiet, ebenso im sächsischen Wurzen und anderen Regionen. „Wir haben derzeit 90 junge Frauen und Männer in Ausbildung, hier bei uns in der Region Aachen, in Sachsen, in Sachsen-Anhalt und im Ruhrgebiet“, berichtet die 52-jährige Unternehmerin. Es gebe auch wenig Fluktuation, manche Mitarbeiter seien bereits in zweiter oder dritter Generation bei Neuman & Esser tätig. „Wir wollen auch noch in hundert Jahren ein erfolgreiches Familienunternehmen sein.“ Doch ist das bei rund 1900 Mitarbeitern überhaupt noch möglich? Über diese Frage muss Stefanie Peters nicht lange überlegen: „Aber natürlich!“ Die Nähe zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe man schon als Kinder vermittelt kommen, als der Vater sie regelmäßig mit in die Firma nahm. „Das Schöne ist, dass wir in Generationen denken dürfen, und nicht auf Quartalszahlen schauen müssen.“