40 Jahre Schwules Museum in Berlin Für die Vielfalt queerer Lebensentwürfe
Stand: 08.12.2025 18:21 Uhr
Weltweit einzigartig: Vor 40 Jahren wurde in Berlin das Schwule Museum gegründet. Es richtet sich an alle, die etwas über Sexualität und Identität lernen wollen. Eine Ausstellung widmet sich nun den Anfängen.
Von Tomas Fitzel, rbb radio3
Andreas Sternweiler, einer der sechs Museumsgründer, schaut stolz und zufrieden auf die vergangenen 40 Jahre des Schwulen Museums zurück, auch wenn das Museum in dieser Zeit viele Hürden und auch heftige interne Konflikte überwinden musste: „Wir sind alle stolz darauf, dass es so groß geworden ist, so wie wir es uns immer geträumt haben“, so Sternweiler. Aus Anlass des Jubiläums wird jetzt unter dem Titel „… und damit fingen dann die Probleme an“ eine kleine Ausstellung über die Gründung gezeigt.
Alles begann 1984 mit einem Studentenjob als Aufsicht im Westberliner Stadtmuseum. AIDS beherrschte damals die Titelgeschichten unter anderem des Spiegel, der über AIDS als die „Schwulenseuche“ schrieb: „Bricht sie endgültig aus dem Ghetto der Homosexuellen, Drogenfixer und Bluter aus?“ Gemeinsam mit Andreas Sternweiler arbeiteten viele andere Studenten im Museum. „Das war wie ein Schneeballsystem. Einer hat den Nächsten reingeholt“, so Sternweiler.
Ein Drittel der studentischen Mitarbeiter war wie er schwul. Gemeinsam konnten sie den damaligen Museumsdirektor Rolf Bothe überzeugen, dem bedeutenden Berliner Arzt und Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld sowie der Geschichte der Berliner Schwulen- und Lesbenbewegung eine Ausstellung zu widmen. Da die Studenten aber fürchteten, Rolf Bothe könnte in letzter Minute kalte Füße bekommen, gaben sie eine Presserklärung heraus, verbunden mit dem Aufruf, dass sie für die geplante Ausstellung Exponate suchen würden, denn die fehlten ihnen noch. Der Skandal war da.
Internationale Presse stürzte sich auf erste Ausstellung
„Demnächst machen wir noch Ausstellungen über Prostituierte und Brillenträger“, habe es damals geheißen, erzählt Andreas Sternweiler. Der Berliner Senat verweigerte zudem zusätzliche Mittel. Doch Museumsdirektor Rolf Bothe entschied: „Jetzt erst recht!“ Und die Ausstellung „Eldorado – Geschichte, Alltag und Kultur homosexueller Frauen und Männer 1850-1950“ wurde zu einer der erfolgreichsten überhaupt, obwohl sie nur kurze sechs Wochen gezeigt werden konnte.
Der Katalog sei ihnen aus den Händen gerissen worden, so Sternweiler. „Eldorado“ bediente den Mythos der verruchten, goldenen Zwanziger in Berlin, wie er auch in Filmen von „Cabaret“ bis „Babylon Berlin“ immer wieder gern gezeigt wird. Vor allem die internationale Presse kam aus der ganzen Welt angereist, „denn dies war die allererste Ausstellung weltweit in einer staatlichen Institution über schwule und lesbische Geschichte“, erzählt der Museumsgründer. Damit war diese aus dem Ghetto herausgetreten.
„Sammeln aus Leidenschaft“: Das trifft vor allem auf Museumsgründer Andreas Sternweiler zu.
Der Erfolg war der Startschuss für den Aufbau eines eigenen Museums. Sechs Männer, darunter Andreas Sternweiler gründeten den „Verein der Freunde des Schwulen Museums in Berlin“. Damit waren die lesbischen Frauen, die zuvor noch an der Ausstellung „Eldorado“ beteiligt waren, außen vor. Sie seien an Ausstellungen nicht so interessiert gewesen, nicht so exhibitionistisch wie wir Schwulen, erinnert sich Andreas Sternweiler.
Es war jedoch eine Zeit der harten politischen Auseinandersetzungen. „Feuer und Flamme dem Patriarchat“ lautete der Slogan militanter Feministinnen in den 80er-Jahren. Auch ihnen widmet das Schwule Museum aktuell eine Ausstellung. Damals prallten die unterschiedlichen politischen Haltungen noch unversöhnlich aufeinander. Eine neue junge Generation brachte später neue Begrifflichkeiten und Konzepte mit.
Ist der Name noch zeitgemäß?
Ein Konflikt, der in der Vergangenheit immer wieder aufbrach: Wen repräsentiert das Museum? Nur die schwulen Männer? Oder die Vielfalt queerer, das heißt schwuler, lesbischer, bisexueller und trans*identifizierter Lebensentwürfe, so wie es heute für das Museum selbstverständlich ist? Immer wieder wurde daher die Frage nach dem Namen des Museums gestellt, ob dieser noch zeitgemäß sei.
Über diese Debatten erfährt man etwas in Videointerviews mit den sechs Gründern, die in der Ausstellung zu sehen sind. Sie halten an dem Namen fest, weil er auch Teil ihrer Emanzipationsgeschichte ist.
Gerahmte Eintrittskarten für das Schwule Museum Berlin.
„Solange schwul noch als Schimpfwort benutzt wird, finde ich es wichtig, das Kämpferische, Selbstbewusste, Aktivistische daran im Namen zu erhalten. Und ich so als schwules Mädchen finde das auch ganz schön“, meint Birga Meyer, seit zwei Jahren die Geschäftsführerin des Museums. Ein Hauptproblem des Museums war und ist erneut das Geld. Im vergangenen Jahr musste auch das Schwule Museum starke Kürzungen in der Förderung durch den Berliner Senat verkraften.
An einer der Wände, die alle in leuchtendem Rot gehalten sind, hängen hinter Glas zwei Eintrittskarten aus der Anfangszeit. Die Ausstellung zeigt auch einen Brief an die Mitglieder des Museums, das als Verein geführt wurde, in dem die Mietschulden thematisiert wurden.
Museum füllt einen blinden Fleck in Museumslandschaft
279 Einzelausstellungen hat das Schwule Museum bis heute gezeigt. Eine enorme Anstrengung. Lange füllte es damit einen blinden Fleck in der Museumslandschaft. Besucht man heute zum Beispiel das Johann-Joachim-Winkelmann-Museum in Stendal, wird dort zwar nicht verschwiegen, dass dieser bedeutende Kunsttheoretiker des 18. Jahrhunderts homosexuell war, aber welche Rolle dies in der Entwicklung seiner Ästhetik spielte und wie relativ offen er schon zu seiner Zeit damit umging, erfuhr man eben erst aus einer Ausstellung im Schwulen Museum im Jahr 2019.
Die Wahl der Themen der Ausstellungen blieb stets kreativ: „Wir konnten uns eigentlich keinen Flop erlauben“, erfährt man aus den Videointerview mit Wolfgang Theis, einem der weiteren Gründer. „Und wenn wir einen Flop hatten, dann mussten wir irgendwas Pornografisches machen, was Schweinisches. Dann stimmte die Kasse wieder.“
Das Schwule Museum Berlin bewahrt queere Nachlässe
Das Archiv platzt inzwischen längst aus allen Nähten. – vor allem wegen der Nachlässe. Deswegen versucht das Museum, externe Depoträume anzumieten. Nachlässe abzulehnen – wie andere Museen – das möchte das Schwule Museum vermeiden, so Birga Meyer. Es sei immer noch so, dass queere Geschichte, schwule, lesbische, trans oder inter Geschichten in den öffentlichen Archiven nicht gesammelt würden.
„Wenn wir jetzt sagen, nein, wir nehmen das nicht, dann verschwindet das. Das wollen wir nicht riskieren“, sagt Meyer weiter. Ein wichtiger Aspekt sei dabei das Vertrauen: „Wem möchte man seine eigene Geschichte anvertrauen? Dafür braucht es auch das Vertrauen, dass die nehmende Institution damit vernünftig umgeht“, so Meyer. Und dies leistet seit 40 Jahren eben das Schwule Museum in Berlin.
Trotz der finanziellen Engpässe macht sich Birga Meyer keine Sorgen um die Zukunft des Museums, da es ein sehr junges Publikum habe. Jedes andere Museum würde sich danach sehnen. „Besucher jünger als 30 Jahre sind bei uns eher Standard“, sagt Meyer. Und trotz der etwas versteckten Lage in Berlin Schöneberg finden offenbar auch viele Touristen den Weg in das Museum.
Was sie sich allerdings noch für die Zukunft wünscht: mehr allgemeines Publikum. „Heteros sind herzlich eingeladen, einfach weil wir ein Ort sind, an dem man etwas lernen kann über Identitäten und Sexualitäten.“









