Stand: 08.12.2025 19:49 Uhr
In London haben europäische Regierungschefs über den US-Friedensplan für die Ukraine beraten. Es ging auch um die Frage: Wie lässt sich das Land weiter unterstützen, ohne die Amerikaner zu verprellen?
Bei den Journalistinnen und Journalisten, die sich im Pressepulk vor dem Regierungssitz 10 Downing Street tummeln, ist es gute Tradition, dem Premierminister oder Politikern, die er vor der ikonischen schwarzen Tür in Empfang nimmt, Fragen entgegenzubrüllen: „Können Sie garantieren, dass die Ukraine nicht in einen unfairen Friedensdeal gezwungen wird?“ und „Zeigen Sie Haltung, oder folgen Sie Washingtons Führung?“
Solche Fragen werden in dieser Situation natürlich nie beantwortet. Aber es waren die einzigen Fragen, die Journalisten in London heute stellen konnten, weil eine Pressekonferenz nicht vorgesehen war.
Dabei sind es genau die Fragen, die allen auf den Nägeln brennen, wenn es um den möglichen Friedensplan für die Ukraine geht. Den hatten die USA vor drei Wochen auf den Weg gebracht, er war aber aus Sicht der Ukraine und der Europäer als „russische Wunschliste“ kritisiert worden. Zuletzt war in Florida drei Tage über eine neue Fassung verhandelt worden. Wie die aussieht, ist bisher öffentlich nicht bekannt.
Mehr als eine weitere Solidaritätsaktion
Großbritanniens Premierminister Keir Starmer, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der französische Präsident Emmanuel Macron und der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz gaben in der Downing Street ein kurzes Pressestatement ab, bevor sie sich zu Beratungen zurückzogen, an denen später per Videoschalte auch andere Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter der EU und NATO teilnehmen sollten.
Starmer, Merz und Macron wollten den Eindruck vermeiden, dass dieses Treffen mit Selenskyj nur eine weitere Solidaritätsaktion mit der Ukraine ist. Der Zeitdruck ist groß, Fragen nach Gebietsaufteilungen und Sicherheitsgarantien sind offen und die Geduld der USA ist endlich. Selenskyj sprach am deutlichsten aus, dass es eben Dinge gebe, die man ohne die Amerikaner nicht bewältigen könne.
Der französische Präsident Macron erklärte mit einem Seitenhieb in Richtung US-Regierung, Europa halte „viele Trümpfe in der Hand“ – das klang eher verzweifelt denn als Appell an die USA, den Europäern endlich wieder auf Augenhöhe zu begegnen. Zuversichtlich zeigte sich Macron, dass die jüngsten Sanktionen die russische Wirtschaft treffen würden.
Merz: Skepsis gegenüber Details in US-Dokumenten
Bundeskanzler Merz sprach von entscheidenden Tagen in der Ukraine-Krise: „Wir alle wissen, dass das Schicksal der Ukraine das Schicksal Europas sein wird. Keiner sollte unsere Unterstützung für die Ukraine anzweifeln. Ich bin sehr skeptisch gegenüber einigen Details in den Dokumenten von US-Seite, wir sind hier, um darüber zu beraten.“
Die Europäer stecken in der Zwickmühle, weiter Druck auf die USA ausüben zu müssen, um einen Ausverkauf der Ukraine zu verhindern. Andererseits dürfen sie es sich mit dem wankelmütigen US-Präsidenten Donald Trump nicht verscherzen, um die Ukraine nicht in eine noch schlechtere Position zu bringen, meint Jana Puglierin, vom European Council of Foreign Relations: „Wenn die Amerikaner aufhören, die Ukraine mit Geheimdienstinformationen zu beliefern, hätte das weitreichende Folgen für die Fähigkeit der Ukraine, Russland militärisch Schmerzen zuzufügen“, so die Expertin. Die Ukraine brauche die US-Amerikaner an Bord, und die Europäern hätten sich in eine Position manövriert, „wo sie nicht am Tisch sitzen, sondern nur am Seitenrand stehen“.
Noch sind nicht alle Möglichkeiten ausgereizt
Dabei hätten die Europäer aber durchaus auch noch ein paar eigene Möglichkeiten, die bisher nicht ausgereizt sind, wie sie der Ukraine unter die Arme greifen könnten. Denn seit Monaten diskutieren die EU-Mitgliedstaaten darüber, nach der russischen Invasion vor knapp vier Jahren eingefrorene russische Vermögenswerte im Wert von mehr als 200 Milliarden Euro freizugeben – als Reparationsdarlehen an die Ukraine. Belgien verweigert bisher seine Zustimmung, weil es rechtliche Konsequenzen und russische Vergeltung fürchtet.
„Die Ukraine ist ab April bankrott“, meint Puglierin. Wolle man das abwenden, brauchen man dieses Geld. Eine weitere Möglichkeit der Europäer sieht sie im Vorgehen gegen die russische Schattenflotte und bei der Lieferung weitreichender Waffensystemen. „Aber ganz grundsätzlich muss ich die Ukraine eben fragen, ob sie mit dieser Hilfe in sechs Monaten besser dasteht als heute.“ Das sei nicht ausgemacht. „Gerade wenn sich die Amerikaner weiter gegen die Ukraine wenden.“








