Nach dem Luftschlag auf Doha Ein Angriff mit Konsequenzen
Tel Aviv/Doha · Mit seinem Luftangriff auf die katarische Hauptstadt Doha geht Israel ein großes Risiko ein. Die Hamas könnte an den verbliebenen Geiseln Vergeltung üben.
Das hat es in der turbulenten Geschichte des Nahen Ostens noch nicht gegeben: ein israelischer Luftschlag auf Hamas-Führer in der katarischen Hauptstadt Doha. Ob Israels Luftwaffe die Zielpersonen getroffen hat, stand bis Redaktionsschluss nicht fest. Eines aber scheint klar: Der Schlag ins Herz des reichsten Golfstaates dürfte weitreichende Konsequenzen haben – für Israel, Gaza und die Region.
Am Dienstagnachmittag bombardierten israelische Kampfjets ein Gebäude in West Bay Lagoon, einem wohlhabenden Viertel im Norden Dohas. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich dort israelischen Medien zufolge eine Delegation führender Hamas-Männer versammelt, um über den jüngsten US-Vorschlag für eine Waffenruhe in Gaza zu beraten. Im Visier der israelischen Luftwaffe stand unter anderem offenbar Khalil al-Hayya, der bisher die Verhandlungen für die Hamas geleitet hatte. Ob er den Angriff überlebt hat, war zunächst unklar. Die Hamas ließ verlauten, fünf ihrer Männer seien bei dem Angriff ums Leben gekommen, darunter Al-Hayyas Sohn, aber keines der Delegationsmitglieder.
Israelischen Medien zufolge hatte Israels Armee, die IDF, den Angriff gemeinsam mit dem Inlandsgeheimdienst Shin Bet über Monate hinweg geplant. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu begründete den Zeitpunkt des Angriffs mit dem Terroranschlag, bei dem Montag zwei Palästinenser sechs israelische Zivilisten in Jerusalem erschossen hatten. „Die Tage, an denen Terroranführer an irgendeinem Ort der Welt Immunität genossen haben, sind vorbei“, sagte er.
Berichten zufolge hatte Israel den US-Präsidenten Donald Trump im Vorfeld über den Plan informiert. Dieser soll anschließend seinen Nahost-Sondergesandten Steve Witkoff angewiesen haben, Katar zu warnen. Ein Sprecher des katarischen Außenministeriums wies diese Darstellung zurück: Ein US-Vertreter habe erst in Katar angerufen, als die Explosionen bereits durch Doha hallten.
Unklar ist, wie es nun weitergeht mit den Verhandlungen um eine Waffenruhe in Gaza und die Befreiung der israelischen Geiseln. Zusammen mit Ägypten und den USA hatte Katar sich als Mittler zwischen Israel und der Hamas engagiert. Diese Rolle werde Katar nun bis auf Weiteres aufgeben, hieß es in israelischen Medien unter Berufung auf Diplomaten.
„Diese Operation wird den Verhandlungen um einen Geiseldeal großen Schaden zufügen“, sagte Guy Aviad, Militärhistoriker und Hamas-Experte, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Es zeigt sich erneut, dass Israels zwei Kriegsziele – die Vernichtung der Hamas und die Befreiung der Geiseln – miteinander im Widerspruch stehen.“ Der Luftschlag habe nicht nur einen der Mittlerstaaten verärgert, sondern könnte auch die Geiseln gefährden: „Es ist denkbar, dass die Hamas zur Vergeltung einen der Entführten vor laufender Kamera hinrichtet.“
Zudem sorgt er sich um Israels diplomatische Beziehungen. Selbst US-Präsident Trump hatte nach dem Luftschlag erklärt, er sei „nicht begeistert“ von der Aktion. Trotz ideologischer Differenzen unterhalten die USA und Katar enge Beziehungen: So beherbergt der kleine Golfstaat die wichtigste US-Militärbasis im Nahen Osten, und der damalige US-Präsident Joe Biden hatte das Land 2022 zum „Major Non-NATO Ally“ erklärt, ein Status, der enge militärische Zusammenarbeit verspricht.
Vor allem aber Israels Beziehungen zu den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain, mit denen es 2020 im Rahmen der Abraham-Abkommen diplomatische Beziehungen aufgenommen hat, sieht Aviad bedroht. „Die Golfstaaten sehen Israel als Staat, der andere schikaniert.“ Derweil dürfte Netanjahus Vision, Israels Beziehungen zu Saudi-Arabien zu normalisieren, in noch weitere Ferne rücken.
Der Experte geht davon aus, dass Katar Vergeltung üben wird. Zwar kann es sich militärisch nicht mit Israel messen. Doch wirtschaftlich ist das Land trotz seiner geringen Fläche eine bedeutende Größe, unterhält etwa im Persischen Golf die größte Flüssiggas-Exportanlage der Welt. „Viele Länder im Westen und in Asien sind darauf angewiesen“, sagt Aviad. Darüber könnte Katar hinter den Kulissen Druck auf Israels Verbündete aufbauen, etwa, um sie von Geschäften mit Israel abzuhalten
Israel hat also viel zu verlieren – und auf der anderen Seite womöglich nicht viel gewonnen. Selbst wenn Israel die Führung der Hamas im Exil getroffen haben sollte, hält Aviad die Wirkung des Luftschlags begrenzt. „Mit solchen Aktionen löscht man die Hamas nicht aus“, erklärt er, „das ist eine weit verstreute, sehr durchdacht strukturierte Organisation mit verschiedenen Machtzentren. Es gibt Dutzende Kandidaten, die nicht weniger erfahren sind als die, die jetzt vielleicht umgekommen sind.“ Seine Bilanz fällt denn auch negativ aus: „Unabhängig davon, was die Operation erreicht hat – ich fürchte, das Resultat wird für Israel am Ende nachteilig sein.“
Nach dem Luftschlag auf Doha Ein Angriff mit Konsequenzen
Tel Aviv/Doha · Mit seinem Luftangriff auf die katarische Hauptstadt Doha geht Israel ein großes Risiko ein. Die Hamas könnte an den verbliebenen Geiseln Vergeltung üben.
Das hat es in der turbulenten Geschichte des Nahen Ostens noch nicht gegeben: ein israelischer Luftschlag auf Hamas-Führer in der katarischen Hauptstadt Doha. Ob Israels Luftwaffe die Zielpersonen getroffen hat, stand bis Redaktionsschluss nicht fest. Eines aber scheint klar: Der Schlag ins Herz des reichsten Golfstaates dürfte weitreichende Konsequenzen haben – für Israel, Gaza und die Region.
Am Dienstagnachmittag bombardierten israelische Kampfjets ein Gebäude in West Bay Lagoon, einem wohlhabenden Viertel im Norden Dohas. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich dort israelischen Medien zufolge eine Delegation führender Hamas-Männer versammelt, um über den jüngsten US-Vorschlag für eine Waffenruhe in Gaza zu beraten. Im Visier der israelischen Luftwaffe stand unter anderem offenbar Khalil al-Hayya, der bisher die Verhandlungen für die Hamas geleitet hatte. Ob er den Angriff überlebt hat, war zunächst unklar. Die Hamas ließ verlauten, fünf ihrer Männer seien bei dem Angriff ums Leben gekommen, darunter Al-Hayyas Sohn, aber keines der Delegationsmitglieder.
Israelischen Medien zufolge hatte Israels Armee, die IDF, den Angriff gemeinsam mit dem Inlandsgeheimdienst Shin Bet über Monate hinweg geplant. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu begründete den Zeitpunkt des Angriffs mit dem Terroranschlag, bei dem Montag zwei Palästinenser sechs israelische Zivilisten in Jerusalem erschossen hatten. „Die Tage, an denen Terroranführer an irgendeinem Ort der Welt Immunität genossen haben, sind vorbei“, sagte er.
Berichten zufolge hatte Israel den US-Präsidenten Donald Trump im Vorfeld über den Plan informiert. Dieser soll anschließend seinen Nahost-Sondergesandten Steve Witkoff angewiesen haben, Katar zu warnen. Ein Sprecher des katarischen Außenministeriums wies diese Darstellung zurück: Ein US-Vertreter habe erst in Katar angerufen, als die Explosionen bereits durch Doha hallten.
Unklar ist, wie es nun weitergeht mit den Verhandlungen um eine Waffenruhe in Gaza und die Befreiung der israelischen Geiseln. Zusammen mit Ägypten und den USA hatte Katar sich als Mittler zwischen Israel und der Hamas engagiert. Diese Rolle werde Katar nun bis auf Weiteres aufgeben, hieß es in israelischen Medien unter Berufung auf Diplomaten.
„Diese Operation wird den Verhandlungen um einen Geiseldeal großen Schaden zufügen“, sagte Guy Aviad, Militärhistoriker und Hamas-Experte, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Es zeigt sich erneut, dass Israels zwei Kriegsziele – die Vernichtung der Hamas und die Befreiung der Geiseln – miteinander im Widerspruch stehen.“ Der Luftschlag habe nicht nur einen der Mittlerstaaten verärgert, sondern könnte auch die Geiseln gefährden: „Es ist denkbar, dass die Hamas zur Vergeltung einen der Entführten vor laufender Kamera hinrichtet.“
Zudem sorgt er sich um Israels diplomatische Beziehungen. Selbst US-Präsident Trump hatte nach dem Luftschlag erklärt, er sei „nicht begeistert“ von der Aktion. Trotz ideologischer Differenzen unterhalten die USA und Katar enge Beziehungen: So beherbergt der kleine Golfstaat die wichtigste US-Militärbasis im Nahen Osten, und der damalige US-Präsident Joe Biden hatte das Land 2022 zum „Major Non-NATO Ally“ erklärt, ein Status, der enge militärische Zusammenarbeit verspricht.
Vor allem aber Israels Beziehungen zu den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain, mit denen es 2020 im Rahmen der Abraham-Abkommen diplomatische Beziehungen aufgenommen hat, sieht Aviad bedroht. „Die Golfstaaten sehen Israel als Staat, der andere schikaniert.“ Derweil dürfte Netanjahus Vision, Israels Beziehungen zu Saudi-Arabien zu normalisieren, in noch weitere Ferne rücken.
Der Experte geht davon aus, dass Katar Vergeltung üben wird. Zwar kann es sich militärisch nicht mit Israel messen. Doch wirtschaftlich ist das Land trotz seiner geringen Fläche eine bedeutende Größe, unterhält etwa im Persischen Golf die größte Flüssiggas-Exportanlage der Welt. „Viele Länder im Westen und in Asien sind darauf angewiesen“, sagt Aviad. Darüber könnte Katar hinter den Kulissen Druck auf Israels Verbündete aufbauen, etwa, um sie von Geschäften mit Israel abzuhalten
Israel hat also viel zu verlieren – und auf der anderen Seite womöglich nicht viel gewonnen. Selbst wenn Israel die Führung der Hamas im Exil getroffen haben sollte, hält Aviad die Wirkung des Luftschlags begrenzt. „Mit solchen Aktionen löscht man die Hamas nicht aus“, erklärt er, „das ist eine weit verstreute, sehr durchdacht strukturierte Organisation mit verschiedenen Machtzentren. Es gibt Dutzende Kandidaten, die nicht weniger erfahren sind als die, die jetzt vielleicht umgekommen sind.“ Seine Bilanz fällt denn auch negativ aus: „Unabhängig davon, was die Operation erreicht hat – ich fürchte, das Resultat wird für Israel am Ende nachteilig sein.“