NSU-Morde
Töchter von Mordopfern: Kein Aussteigerprogramm für Zschäpe – „Hat immer noch Kontakt zu Rechten“
Stand: 05:29 UhrLesedauer: 2 Minuten
25 Jahre nach dem ersten NSU-Mord fordern Töchter von Opfern, die verurteilte Rechtsterroristin Beate Zschäpe aus einem Neonazi-Aussteigerprogramm herauszunehmen. „Sie hat immer noch Kontakt
Semiya Şimşek, Tochter von NSU-Opfer Enver Şimşek, hat gemeinsam mit den Töchtern von zwei weiteren Opfern eine Petition gegen die Aufnahme von Beate Zschäpes in ein Aussteigerprogramm gestartet. „Sie hatte genügend Zeit, aufzuklären, zu sprechen“, sagte Şimşek in Nürnberg. „Sie hat immer noch Kontakt zu Rechten. Da kann mir niemand erzählen, dass sie aussteigen will.“
Vielmehr sei dies noch einmal ein Schlag ins Gesicht für die Opferfamilien gewesen, so Şimşek. Diese hatten lange auf die Aufklärung der Taten warten müssen und gerieten dabei zum Teil selbst ins Visier der Ermittler. Vollständig aufklärt sei der NSU-Komplex bis heute nicht, sagte Şimşek.
Ihr Vater war das erste Mordopfer des rechtsextremen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), der über Jahre unentdeckt zehn Menschen umbrachte – darunter neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. Außerdem wird der NSU für mehrere Bombenanschläge verantwortlich gemacht.
Die Terrorzelle bestand aus den drei Hauptmitgliedern Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, die aus Thüringen stammten und jahrelang in Sachsen im Untergrund lebten. Mundlos und Böhnhardt hatten sich 2011 getötet, um einer Festnahme zu entgehen. Zschäpe wurde 2018 als Mittäterin zu lebenslanger Haft bei besonderer Schwere der Schuld verurteilt.
Am 9. September werden Semiya und ihr Bruder Abdulkerim Şimşek am Tatort in Nürnberg an ihren Vater erinnern. An dem Tag vor 25 Jahren feuerten Mundlos und Böhnhardt acht Schüsse auf den türkischen Blumenhändler. Der 38-Jährige starb zwei Tage später im Krankenhaus.
„Ich kann mir vorstellen, dass das wieder passieren könnte“
„Die Namen der Opfer und die Taten dürfen nicht vergessen werden“, sagte Semiya Şimşek. Der Rechtsruck in Deutschland bereite ihr Sorgen. Eine ähnliche Mordserie halte sie künftig nicht für ausgeschlossen. „Wegen der Kontinuität von rechter Gewalt nach den NSU-Morden – Hanau, Halle, Walter Lübcke – kann ich mir schon vorstellen, dass das wieder passieren könnte.“
Zusammen mit Gamze Kubaşık, Tochter des NSU-Opfers Mehmet Kubaşık, hat sie ein Buch über ihre Geschichte geschrieben, dass sich an junge Menschen richtet. „Viele sind mit dem NSU-Komplex nicht vertraut“, sagte Şimşek. „Wir wollten eine Grundlage schaffen für die Schulen, für die Jugendlichen, damit sie sich mit der Geschichte und dem schwierigen Thema Rassismus auseinandersetzen können.“
dpa/fro