
Stand: 15.10.2025 15:17 Uhr
Unionspolitiker haben eine Abkehr von der Brandmauer zur AfD gefordert – und ernten Widerspruch: Schleswig-Holsteins Landeschef Günther wirft ihnen vor, nicht zu verstehen, was bürgerlich heißt. Auch die CSU-Spitze lehnt eine Lockerung der Brandmauer ab.
Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther und die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien haben sich gegen Überlegungen in der Union zu einem veränderten Umgang mit der AfD gestellt. „Wir haben eine klare Haltung gegenüber der AfD, an der wird sich nichts ändern“, sagte Günther dem Magazin Stern. „Wer CDU und AfD in einem Atemzug nennt, hat nicht verstanden, was bürgerlich heißt.“
Prien, die auch Bundesbildungsministerin ist und wie Günther dem liberaleren Unionsflügel zugerechnet wird, äußerte sich ähnlich. „Die AfD als Partei ist das genaue Gegenteil von bürgerlich“, sagte sie dem Stern. „Sie ist zumindest in Teilen – und zwar zunehmend – rechtsextremistisch.“ Sogenannte bürgerliche Mehrheiten in den Parlamenten gebe es mit der AfD nicht.
Prien warb allerdings um eine Differenzierung zwischen Parteifunktionären und Wählern. „Unter denen, die AfD wählen gibt es sicher Bürgerliche, die sich von den demokratischen Parteien abwenden.“ Hier Vertrauen wieder zu gewinnen, sei nicht nur Aufgabe der Union, sondern vor allem auch von SPD und Grünen.
CSU-Spitze gegen Lockerung von Brandmauer zur AfD
Auch die CSU-Spitze lehnt jegliche Forderungen nach einer Lockerung der sogenannten Brandmauer zur AfD kategorisch ab. „Die CSU schließt jede Kooperation mit der AfD aus“, sagte Generalsekretär Martin Huber. Eine Zusammenarbeit mit der AfD würde Deutschland schaden und die Union zerstören, ergänzte er.
Huber nannte die AfD eine „Gefahr“ für Deutschland: „Sie sind Gegner der NATO, wollen raus aus der EU und hin zu Putin. AfD-Abgeordnete gehen in der russischen Botschaft ein und aus und reisen für Gespräche in den Kreml – das ist kein Patriotismus, das ist Landesverrat“, sagte der Generalsekretär. Überall, wo Christdemokraten in Europa mit Rechtsaußen zusammenarbeiteten, würden „immer die Extremen“ gewinnen. Er wolle die AfD „politisch bekämpfen und ihr mit vernünftiger Politik den Nährboden entziehen“, sagte Huber
Auch CSU-Chef Markus Söder hatte sich in der Vergangenheit immer wieder gegen jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen.
Tauber, Guttenberg und Rödder für Abkehr von Brandmauer
Zuvor hatten sich der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der einstige Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission Andreas Rödder im Stern für eine Abkehr von der Brandmauer gegen die AfD starkgemacht.
Tauber sagte, man dürfe nicht jedes Thema in Abhängigkeit von der AfD debattieren. „Die derzeitige Stigmatisierung hilft der AfD nur noch“, erklärte er. Nach Ansicht von Rödder kann eine Isolation der AfD nicht die Lösung sein: „Je höher man die Brandmauer gezogen hat, desto stärker ist die AfD geworden.“
Tauber für „neue Politik der roten Linien“
Beide empfehlen, unter gewissen Umständen auf die Partei zuzugehen. Die Union sollte laut Tauber „über eine neue Politik der roten Linien nachdenken, die es dann aber auch erlaubt, Beschlüsse zu fassen, denen die AfD zustimmt“ – sodass nicht bei jedem entsprechenden Beschluss „die Nazikeule geschwungen wird“. Der Christdemokrat sagte, er fürchte andernfalls „parlamentarische Blockaden“.
Für Rödder braucht es „konditionierte Gesprächsbereitschaft diesseits der ‚Brandmauer'“. Es sei einen Versuch wert, das Gespräch zu suchen, wenn „die AfD rote Linien einhält und sich klar von rechtsextremen Positionen und Figuren abgrenzt“. Auch der frühere CSU-Generalsekretär zu Guttenberg befürwortete eine inhaltliche Konfrontation: „Entzauberung gelingt nicht durch Boykott“, mahnte er.
Weidel: Union wird sich nicht mehr verweigern können
Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel sagte, sie glaube, dass CDU und CSU in absehbarer Zeit mit ihrer Partei kooperieren werden. Nach der Ära von CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz werde sich die Union nicht mehr verweigern können, sagte sie im Stern. „Solange sie jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, bindet sie sich an Grüne, SPD und Linke, deren einziger Kitt es ist, die AfD von der Macht fernzuhalten“, sagte Weidel.