
Stand: 20.10.2025 15:19 Uhr
Mit dem erfolgreichen Börsengang der Thyssenkrupp-Marinetochter TKMS setzt sich ein Trend fort: Industriekonzerne trennen sich von Sparten und bringen sie an die Börse. Welche Strategien verfolgen Unternehmen damit?
Für die Marinetochter von ThyssenKrupp war es ein fulminantes Debüt an der Frankfurter Börse. 60 Euro kosteten die neuen Aktien zu Handelsbeginn. Innerhalb weniger Minuten schoss der Preis weiter nach oben. Oliver Burkhard, der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp Marine Systems, ist zufrieden. „Wir sehr froh, stolz, dass das Potenzial dieser Aktie gesehen wird, gleich zu Beginn. Und deswegen ist es ein guter Tag für TKMS.“
Das Rüstungsunternehmen wird jetzt mit insgesamt 5,3 Milliarden Euro bewertet. Das ist weit mehr als es Analysten im Vorfeld erwartet hatten. Die Auftragsbücher sind voll. Burkhard geht auch davon aus, dass sich an diesem Trend so schnell nichts ändern wird. Er rechnet mit Wachstum, insbesondere im Bereich Elektronik und Software, „neben dem Nachholbedarf bei vielen Marinen der Welt, weil sie lange Jahre nichts beschafft haben“.
Es ist kein klassischer Börsengang, den die Konzernmutter ThyssenKrupp für die Marinetochter gewählt hat. Es ist eine Abspaltung. Das heißt, die Aktionäre von ThyssenKrupp erhalten automatisch für je 20 ThyssenKrupp-Aktien einen Anteilsschein an TKMS. Diese Anteile sind nun frei handelbar.
Töchter abspalten liegt im Trend
ThyssenKrupp ist nicht der erste Konzern, der sich für solch einen Weg entschieden hat. Der Siemens-Konzern hat in den vergangenen Jahren gleich mehrere Töchter an die Börse gebracht, auch Bayer hat das getan und jüngst der Autozulieferer Continental. Continental will in Zukunft nur noch als Reifenhersteller punkten und nicht mehr als Autozulieferer mit vielen Geschäftsbereichen.
Vermögensverwalter Chris Oliver Schickentanz von der Capitell AG sieht darin einen neuen Trend. „Früher gab es ein Credo unter den Industriekonzernen: Das Ganze ist mehr wert als die Summe der Teile.“ Man glaubte, dass man über ein Industrie-Konglomerat Mehrwert schaffen kann, auch von Kostensynergien profitieren kann, beispielsweise durch einen gemeinsamen Einkauf. Oder indem eine Sparte der anderen Sparte Kunden zuschanzt oder dass Verluste in einem Bereich durch Gewinne bei einer anderen Konzerntochter ausgeglichen werden können.
Investoren sollen gezielt angesprochen werden
Heute geht es eher darum, dass einzelne Tochtergesellschaften sichtbarer werden, dass sie größere Spielräume erhalten für unternehmerisches Handeln. „Wichtig ist auch, dass potenzielle Investoren gezielt angesprochen werden können“, sagt Stefan Riße von der Fondsgesellschaft Acatis mit Blick auf den Börsengang von TKMS. „Wenn ich ein eigenständiges Unternehmen an der Börse bin, dann kann ich auch Kapitalerhöhungen machen, wo die Leute dann nicht das Stahlgeschäft aufkaufen müssen, sondern man dann nur in diese Marinesparte investiert.“
Ob klassischer Börsengang oder Abspaltung – mit TKMS ist nun Deutschlands größter Marineschiffbauer als eigenständiges Unternehmen an der Börse notiert. Die Muttergesellschaft, der Industriekonzern ThyssenKrupp, hält noch 51 Prozent an der Tochter.
Was bleibt von ThysssenKrupp? Der Industriekonzern steckt in Schwierigkeiten, kämpft ums Überleben. „Wir gehen davon aus, dass wir uns transformieren in eine Finanzholding“, so Miguel López, der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp. „Ich sehe die Entwicklung an der Ecke positiv.“ Viele an der Börse sehen es eher als eine Möglichkeit, dass der einst große Industriekonzern überleben kann.