Vor Treffen im Kanzleramt Klingbeil will Stahlherstellern helfen
Stand: 03.11.2025 07:48 Uhr
An der deutschen Stahlindustrie hängen Zehntausende Jobs. Deshalb will die Politik der kriselnden Branche helfen. Einfuhrzölle sind vor dem „Stahlgipfel“ bereits im Gespräch. Vizekanzler Klingbeil macht weitere Vorschläge.
Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) will der heimischen Stahlindustrie helfen. Dafür schlägt er zwei Maßnahmen vor: einen Stopp von Stahlimporten aus Russland und „mehr europäischen Patriotismus“. Das sagte der Finanzminister vor dem „Stahlgipfel“ am Donnerstag in einem dpa-Interview.
Die deutsche Stahlindustrie leidet unter den hohen Produktionskosten, einem großen internationalen Angebot und der aktuellen Wirtschaftskrise. Auch hohe Zölle auf Stahlimporte in die USA machen der Branche zu schaffen.
Stahlbrammen aus Russland „keinem Beschäftigten zu erklären“
Trotz umfangreicher EU-Sanktionen gegen Russland sei der Import von sogenannten Stahlbrammen – einem Vormaterial für Bleche und Bänder – aus Russland erlaubt, kritisierte Klingbeil. Stahlbrammen werden in der EU weiterverarbeitet. Dass man „Putin den Markt“ offen halte, sei „keinem Beschäftigten bei uns in der Stahlindustrie“ zu erklären. Es müsse schnell ein „vollständiges Ende aller Stahlimporte aus Russland geben“.
Mit Blick auf den im Ausland günstiger hergestellten Stahl hält Klingbeil eine Bevorzugung europäischer Produkte für nötig. „Wir müssen in wichtigen Bereichen wie unserer Infrastruktur und der Autoindustrie bevorzugt Stahl nutzen, der hier produziert wird.“ Beim Dialog mit der Industrie werde man über Lösungen beraten, darunter niedrigere Energiepreise, vor allem durch einen Industriestrompreis.
Hoffen auf den „Stahlgipfel“ am Donnerstag
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will am Donnerstag Vertreter der Stahlbranche und Ministerpräsidentinnen und -präsidenten aus Ländern mit Stahlindustrie – Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Brandenburg und das Saarland – im Kanzleramt treffen. Bei dem Treffen solle es um Themen wie Resilienz, Handelsbeziehungen und Energiepreise gehen. Auch weitere Regierungsmitglieder wollen teilnehmen.
Schon im Vorfeld gibt es eine Debatte über die richtigen Maßnahmen zum Schutz der Stahlindustrie: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach sich für EU-Einfuhrzölle gegen Dumping-Importe aus. So könne man sich vor der Konkurrenz – etwa aus China – schützen, sagte Linnemann im Bericht aus Berlin.
Er sei jüngst bei dem Kranhersteller Liebherr in Baden-Württemberg gewesen, der riesige Probleme habe. Chinesische Konkurrenten produzierten dieselben Güter und „besetzen den europäischen, den deutschen Markt, gehen 50 Prozent unter Marktpreis, machen unsere Firmen kaputt“, kritisierte Linnemann. Danach würden die Preise aber wieder angehoben. Deshalb müsse man sich gegen Dumping-Praktiken der Chinesen wehren.
Auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) unterstützt die Forderung nach Einfuhrzöllen. Im Bericht aus Berlin sagte sie, hier in Deutschland produzierter Stahl müsse seine Chance bekommen. Wenn die Industrie hierzulande gegen Dumpingpreise ankämpfen müsse, dann sei das nicht fair. Es wäre falsch, jetzt Dinge kaputtzuschlagen, die danach nie wieder zum Laufen gebracht werden könnten.
Zehntausende Beschäftigte
In Deutschland arbeiten dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge etwa 90.000 Menschen in der Stahlindustrie. Laut der Wirtschaftsvereinigung Stahl sind insgesamt aber etwa vier Millionen Menschen in den größten stahlintensiven Branchen beschäftigt.
Die EU-Kommission hatte Anfang Oktober Schutzmaßnahmen für die heimische Stahlindustrie angekündigt. Demnach soll die Menge für zollfreie Importe nahezu halbiert werden. Außerdem soll der Zollsatz für Importe, die darüber hinausgehen, auf 50 Prozent verdoppelt werden. Einer Neuregelung müssen auch die EU-Staaten zustimmen. Die Bundesregierung arbeitet zudem an einem staatlich subventionierten, niedrigeren Industriestrompreis.










